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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Streiflichter auf badische Zustände.



Es ist gerade jetzt kein angenehmes Geschäft über badische Zustände zu be¬
richten, so grün und üppig das Land auch ist, so überreich die diesjährige Ernte
auch ausfiel. Die traurige" Nachwehen einer übel begonnenen und übel durch¬
geführten Revolution zu ermessen, muß man in alle Verhältnisse eindringen können.
Und dieses Elend war weder von der Gegenwart bedingt, noch ist es der mindeste
Vortheil für die Zukunft. Baden hat jetzt nicht einmal von dieser verunglückten
Revolution den Nutzen, daß seine naturwidrige, zwitterhafte Existenz als eigener
Staat aufhört, daß es der Theil eines großen mächtigen Reiches geworden wäre.
Man hoffte dies im Anfang, ein großer Theil der aufgeklärten Bewohner des
Landes, die recht wohl einsehen, daß ein aus verschiedenen Volksstämmen will¬
kürlich zusammengewürfelter Staat, der 120 Meilen Grenze gegen Frankreich und
die Schweiz bei 4 -- 6 Meile" Breite hat, ein Unding ist, war sehr damit ein¬
verstanden, wenn das ganze Land eine preußische Provinz geworden. Auch der
Großherzog selbst, ein persönlich gutmüthiger, rechtlicher Mann, dessen Lieblings¬
neigungen Blumenzucht und einsame Spaziergänge in der Natur sind, hätte einer
Apanagirung keinen Widerstand geleistet. Er hatte einige hübsche Schlösser be¬
halten und so viel Apanage, um seinen unschuldige" Neigungen gemäß sehr gut
lebe" zu könne", und wäre dann viel glücklicher gewesen wie jetzt, wo man ihn
Mit Negiernngssachen, von denen er nichts versteht, quält, und mit arglistigen
Intriguen aller Art zu umgarnen sucht; allein der Karlsruher Hofkamarilla, diesem
Fluch des Landes, die durch ihr langjähriges Lügen- und Heucheleisystem, womit
sie das wahrhaft constitutionelle Wirken der Regierung auf alle Weise zu verhin¬
dern suchte, so sehr deu Geist der Lüge und der geringen Achtung vor dem Gesetz
im badischen Volke genährt hat, die in Wahrheit als die Hauptbeförderin der
ganzen Revolution anzusehen ist, war damit nicht gedient. So wurde dem Pro-
jecte der Einverleibung Badens in Preußen, das gleich nach Besiegung des Auf-
standes auftauchte, auf alle Weise entgegengearbeitet, und der Großherzog bewo¬
gen, seineu Einzug in Karlsruhe wieder zu halten. Ein trauriger Tag für den
alten Man". Der Einzug ward durch eine große preußische Militärparade ge¬
feiert, und i" dem mehrere Tage vorher ausgegebenen Festprogramm, was von
preußischen Generälen entworfen war, stand ausdrücklich die Stelle, "um II Uhr
wird S. K. H. der Großherzog S. K. H. dem Prinzen von Preußen seinen Dank
abstatten für deu Beistand der preußischen Truppen." Preußens Heer wollte doch
etwas dafür haben, daß es sein Blut verspritzte, um einen Thron wieder herzu¬
stellen, dem eine ränkesüchtige Hofkamarilla seit langen Jahren im eigenenen Volke


Streiflichter auf badische Zustände.



Es ist gerade jetzt kein angenehmes Geschäft über badische Zustände zu be¬
richten, so grün und üppig das Land auch ist, so überreich die diesjährige Ernte
auch ausfiel. Die traurige« Nachwehen einer übel begonnenen und übel durch¬
geführten Revolution zu ermessen, muß man in alle Verhältnisse eindringen können.
Und dieses Elend war weder von der Gegenwart bedingt, noch ist es der mindeste
Vortheil für die Zukunft. Baden hat jetzt nicht einmal von dieser verunglückten
Revolution den Nutzen, daß seine naturwidrige, zwitterhafte Existenz als eigener
Staat aufhört, daß es der Theil eines großen mächtigen Reiches geworden wäre.
Man hoffte dies im Anfang, ein großer Theil der aufgeklärten Bewohner des
Landes, die recht wohl einsehen, daß ein aus verschiedenen Volksstämmen will¬
kürlich zusammengewürfelter Staat, der 120 Meilen Grenze gegen Frankreich und
die Schweiz bei 4 — 6 Meile« Breite hat, ein Unding ist, war sehr damit ein¬
verstanden, wenn das ganze Land eine preußische Provinz geworden. Auch der
Großherzog selbst, ein persönlich gutmüthiger, rechtlicher Mann, dessen Lieblings¬
neigungen Blumenzucht und einsame Spaziergänge in der Natur sind, hätte einer
Apanagirung keinen Widerstand geleistet. Er hatte einige hübsche Schlösser be¬
halten und so viel Apanage, um seinen unschuldige» Neigungen gemäß sehr gut
lebe» zu könne«, und wäre dann viel glücklicher gewesen wie jetzt, wo man ihn
Mit Negiernngssachen, von denen er nichts versteht, quält, und mit arglistigen
Intriguen aller Art zu umgarnen sucht; allein der Karlsruher Hofkamarilla, diesem
Fluch des Landes, die durch ihr langjähriges Lügen- und Heucheleisystem, womit
sie das wahrhaft constitutionelle Wirken der Regierung auf alle Weise zu verhin¬
dern suchte, so sehr deu Geist der Lüge und der geringen Achtung vor dem Gesetz
im badischen Volke genährt hat, die in Wahrheit als die Hauptbeförderin der
ganzen Revolution anzusehen ist, war damit nicht gedient. So wurde dem Pro-
jecte der Einverleibung Badens in Preußen, das gleich nach Besiegung des Auf-
standes auftauchte, auf alle Weise entgegengearbeitet, und der Großherzog bewo¬
gen, seineu Einzug in Karlsruhe wieder zu halten. Ein trauriger Tag für den
alten Man«. Der Einzug ward durch eine große preußische Militärparade ge¬
feiert, und i« dem mehrere Tage vorher ausgegebenen Festprogramm, was von
preußischen Generälen entworfen war, stand ausdrücklich die Stelle, „um II Uhr
wird S. K. H. der Großherzog S. K. H. dem Prinzen von Preußen seinen Dank
abstatten für deu Beistand der preußischen Truppen." Preußens Heer wollte doch
etwas dafür haben, daß es sein Blut verspritzte, um einen Thron wieder herzu¬
stellen, dem eine ränkesüchtige Hofkamarilla seit langen Jahren im eigenenen Volke


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[0024] Streiflichter auf badische Zustände. Es ist gerade jetzt kein angenehmes Geschäft über badische Zustände zu be¬ richten, so grün und üppig das Land auch ist, so überreich die diesjährige Ernte auch ausfiel. Die traurige« Nachwehen einer übel begonnenen und übel durch¬ geführten Revolution zu ermessen, muß man in alle Verhältnisse eindringen können. Und dieses Elend war weder von der Gegenwart bedingt, noch ist es der mindeste Vortheil für die Zukunft. Baden hat jetzt nicht einmal von dieser verunglückten Revolution den Nutzen, daß seine naturwidrige, zwitterhafte Existenz als eigener Staat aufhört, daß es der Theil eines großen mächtigen Reiches geworden wäre. Man hoffte dies im Anfang, ein großer Theil der aufgeklärten Bewohner des Landes, die recht wohl einsehen, daß ein aus verschiedenen Volksstämmen will¬ kürlich zusammengewürfelter Staat, der 120 Meilen Grenze gegen Frankreich und die Schweiz bei 4 — 6 Meile« Breite hat, ein Unding ist, war sehr damit ein¬ verstanden, wenn das ganze Land eine preußische Provinz geworden. Auch der Großherzog selbst, ein persönlich gutmüthiger, rechtlicher Mann, dessen Lieblings¬ neigungen Blumenzucht und einsame Spaziergänge in der Natur sind, hätte einer Apanagirung keinen Widerstand geleistet. Er hatte einige hübsche Schlösser be¬ halten und so viel Apanage, um seinen unschuldige» Neigungen gemäß sehr gut lebe» zu könne«, und wäre dann viel glücklicher gewesen wie jetzt, wo man ihn Mit Negiernngssachen, von denen er nichts versteht, quält, und mit arglistigen Intriguen aller Art zu umgarnen sucht; allein der Karlsruher Hofkamarilla, diesem Fluch des Landes, die durch ihr langjähriges Lügen- und Heucheleisystem, womit sie das wahrhaft constitutionelle Wirken der Regierung auf alle Weise zu verhin¬ dern suchte, so sehr deu Geist der Lüge und der geringen Achtung vor dem Gesetz im badischen Volke genährt hat, die in Wahrheit als die Hauptbeförderin der ganzen Revolution anzusehen ist, war damit nicht gedient. So wurde dem Pro- jecte der Einverleibung Badens in Preußen, das gleich nach Besiegung des Auf- standes auftauchte, auf alle Weise entgegengearbeitet, und der Großherzog bewo¬ gen, seineu Einzug in Karlsruhe wieder zu halten. Ein trauriger Tag für den alten Man«. Der Einzug ward durch eine große preußische Militärparade ge¬ feiert, und i« dem mehrere Tage vorher ausgegebenen Festprogramm, was von preußischen Generälen entworfen war, stand ausdrücklich die Stelle, „um II Uhr wird S. K. H. der Großherzog S. K. H. dem Prinzen von Preußen seinen Dank abstatten für deu Beistand der preußischen Truppen." Preußens Heer wollte doch etwas dafür haben, daß es sein Blut verspritzte, um einen Thron wieder herzu¬ stellen, dem eine ränkesüchtige Hofkamarilla seit langen Jahren im eigenenen Volke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/24>, abgerufen am 15.01.2025.