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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Die richtige Erkenntniß, der politische Rechtsflim liegt bei gar vielen Leuten
noch so fest in den Windeln, daß gar häufig die Phrase ausgesprochen wird, eS
sei ja der Belagerungszustand nichtsehr drückend. Hierin eben bewei¬
set es sich, daß die Gesammtöstreicher nichts sind als Sklaven, denen im Jahre
1848 andere die Ketten brachen, die tobten und sich gebärdeten wie Tiger, die
man jetzt wieder eingefangen hat, und die sich wieder fügen in den angebornen
Knechtssinn.

Selbst große Journale -- groß nach dem Zollmaß -- wie zum Beispiel die
Wiener Presse des Herrn Zang, hat sich in dieser erbaulichen Weise über
den Belagerungszustand ausgesprochen, ohne Zweifel aus Gründen, die allen¬
falls einem Hans Jörgel, doch nie einem politischen Journale verziehen werden
können.

Es ist eine solche Ansicht auf gleicher Nechtshöhe mit dem Falle, wenn man
Jemand, der bei ganz gesunden Sinnen und in vollem Gebrauche seines Verstan¬
des ist, von Amtswegen, gleichsam provisorisch für rasend hält, und tobsüchtig er¬
klärt, ihn aber nicht ins Tollhaus sperrt, sondern auf beliebiges Einfangen, in
Gottes freier Luft spazieren läßt.

Eine solche Wahnsinnigkcitserkläruug wäre "ach dem Rechtsbegriffe des Herrn
Zang etwa auch nicht sehr drückend, sie wäre aber ein Mißbrauch der Amtsge¬
walt, sie wäre eine Infamie, sie würde der Bestrafung kaum entgehen. Die Län¬
der Oestreichs sind durch das Chloroform des Belagerungszustandes in unliebsa¬
men Schlaf versetzet, in welchem sie gräuliche Träume träumen, und das Mini¬
sterium sondirt, schneidet und wühlt in ihren Leibern, nach chirurgischen Gelü¬
sten, kommen sie einst wieder zu sich, werden sie sich unter einander, ja sie wer¬
den sich selber nicht mehr erkennen, dem einen wird ein Fuß oder beide, den mei¬
sten werden die Arme fehlen, sie alle aber werden ihre Kopfe vermissen, welche
man ihnen während des Elfenschlafes wcggesäbelt hat, der gemeinsame Vielkopf
sitzet in Wien und heißet Ministerrath, er ist verantwortlich, doch uur der Ge¬
schichte, und das läßt sich ertragen bei Jetztzeit.

Städte sind belagert worden, seit es Städte gab, und werden belagert wer¬
den in Zukunft, dem pariser Friedenscongresse und der Wiener Friedcuszeitung zum
Trotz, unsern Tagen aber war es vorbehalten, die Belagerung ganzer Provinzen,
Kronländer und Königreiche selbst ohne Krieg zu erfinden und durchzuführen,
ohne Ausfällen und Flatterminen zu begegnen.

Daß es dort, wo es thatsächlichen Kampf der Parteien gegeben, nöthig sei,
nach dem Kampfe den Ansnahmszustand eintreten zu lassen, damit die leidenschaft¬
liche Erhitzung verdampfe, das ist leider richtig, in diesem Falle gleicht der Be¬
lagerungszustand der Zwangsjacke und dem Sturzbade, die man beide einem Toll-
gewordenen applizirt, um ihn zur Besinnung zu bringen. Ist er aber zur Be¬
sinnung gebracht, und setzt man Zwangsjacke und Sturzbad schonungslos fort, s"


Die richtige Erkenntniß, der politische Rechtsflim liegt bei gar vielen Leuten
noch so fest in den Windeln, daß gar häufig die Phrase ausgesprochen wird, eS
sei ja der Belagerungszustand nichtsehr drückend. Hierin eben bewei¬
set es sich, daß die Gesammtöstreicher nichts sind als Sklaven, denen im Jahre
1848 andere die Ketten brachen, die tobten und sich gebärdeten wie Tiger, die
man jetzt wieder eingefangen hat, und die sich wieder fügen in den angebornen
Knechtssinn.

Selbst große Journale — groß nach dem Zollmaß — wie zum Beispiel die
Wiener Presse des Herrn Zang, hat sich in dieser erbaulichen Weise über
den Belagerungszustand ausgesprochen, ohne Zweifel aus Gründen, die allen¬
falls einem Hans Jörgel, doch nie einem politischen Journale verziehen werden
können.

Es ist eine solche Ansicht auf gleicher Nechtshöhe mit dem Falle, wenn man
Jemand, der bei ganz gesunden Sinnen und in vollem Gebrauche seines Verstan¬
des ist, von Amtswegen, gleichsam provisorisch für rasend hält, und tobsüchtig er¬
klärt, ihn aber nicht ins Tollhaus sperrt, sondern auf beliebiges Einfangen, in
Gottes freier Luft spazieren läßt.

Eine solche Wahnsinnigkcitserkläruug wäre «ach dem Rechtsbegriffe des Herrn
Zang etwa auch nicht sehr drückend, sie wäre aber ein Mißbrauch der Amtsge¬
walt, sie wäre eine Infamie, sie würde der Bestrafung kaum entgehen. Die Län¬
der Oestreichs sind durch das Chloroform des Belagerungszustandes in unliebsa¬
men Schlaf versetzet, in welchem sie gräuliche Träume träumen, und das Mini¬
sterium sondirt, schneidet und wühlt in ihren Leibern, nach chirurgischen Gelü¬
sten, kommen sie einst wieder zu sich, werden sie sich unter einander, ja sie wer¬
den sich selber nicht mehr erkennen, dem einen wird ein Fuß oder beide, den mei¬
sten werden die Arme fehlen, sie alle aber werden ihre Kopfe vermissen, welche
man ihnen während des Elfenschlafes wcggesäbelt hat, der gemeinsame Vielkopf
sitzet in Wien und heißet Ministerrath, er ist verantwortlich, doch uur der Ge¬
schichte, und das läßt sich ertragen bei Jetztzeit.

Städte sind belagert worden, seit es Städte gab, und werden belagert wer¬
den in Zukunft, dem pariser Friedenscongresse und der Wiener Friedcuszeitung zum
Trotz, unsern Tagen aber war es vorbehalten, die Belagerung ganzer Provinzen,
Kronländer und Königreiche selbst ohne Krieg zu erfinden und durchzuführen,
ohne Ausfällen und Flatterminen zu begegnen.

Daß es dort, wo es thatsächlichen Kampf der Parteien gegeben, nöthig sei,
nach dem Kampfe den Ansnahmszustand eintreten zu lassen, damit die leidenschaft¬
liche Erhitzung verdampfe, das ist leider richtig, in diesem Falle gleicht der Be¬
lagerungszustand der Zwangsjacke und dem Sturzbade, die man beide einem Toll-
gewordenen applizirt, um ihn zur Besinnung zu bringen. Ist er aber zur Be¬
sinnung gebracht, und setzt man Zwangsjacke und Sturzbad schonungslos fort, s»


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[0230] Die richtige Erkenntniß, der politische Rechtsflim liegt bei gar vielen Leuten noch so fest in den Windeln, daß gar häufig die Phrase ausgesprochen wird, eS sei ja der Belagerungszustand nichtsehr drückend. Hierin eben bewei¬ set es sich, daß die Gesammtöstreicher nichts sind als Sklaven, denen im Jahre 1848 andere die Ketten brachen, die tobten und sich gebärdeten wie Tiger, die man jetzt wieder eingefangen hat, und die sich wieder fügen in den angebornen Knechtssinn. Selbst große Journale — groß nach dem Zollmaß — wie zum Beispiel die Wiener Presse des Herrn Zang, hat sich in dieser erbaulichen Weise über den Belagerungszustand ausgesprochen, ohne Zweifel aus Gründen, die allen¬ falls einem Hans Jörgel, doch nie einem politischen Journale verziehen werden können. Es ist eine solche Ansicht auf gleicher Nechtshöhe mit dem Falle, wenn man Jemand, der bei ganz gesunden Sinnen und in vollem Gebrauche seines Verstan¬ des ist, von Amtswegen, gleichsam provisorisch für rasend hält, und tobsüchtig er¬ klärt, ihn aber nicht ins Tollhaus sperrt, sondern auf beliebiges Einfangen, in Gottes freier Luft spazieren läßt. Eine solche Wahnsinnigkcitserkläruug wäre «ach dem Rechtsbegriffe des Herrn Zang etwa auch nicht sehr drückend, sie wäre aber ein Mißbrauch der Amtsge¬ walt, sie wäre eine Infamie, sie würde der Bestrafung kaum entgehen. Die Län¬ der Oestreichs sind durch das Chloroform des Belagerungszustandes in unliebsa¬ men Schlaf versetzet, in welchem sie gräuliche Träume träumen, und das Mini¬ sterium sondirt, schneidet und wühlt in ihren Leibern, nach chirurgischen Gelü¬ sten, kommen sie einst wieder zu sich, werden sie sich unter einander, ja sie wer¬ den sich selber nicht mehr erkennen, dem einen wird ein Fuß oder beide, den mei¬ sten werden die Arme fehlen, sie alle aber werden ihre Kopfe vermissen, welche man ihnen während des Elfenschlafes wcggesäbelt hat, der gemeinsame Vielkopf sitzet in Wien und heißet Ministerrath, er ist verantwortlich, doch uur der Ge¬ schichte, und das läßt sich ertragen bei Jetztzeit. Städte sind belagert worden, seit es Städte gab, und werden belagert wer¬ den in Zukunft, dem pariser Friedenscongresse und der Wiener Friedcuszeitung zum Trotz, unsern Tagen aber war es vorbehalten, die Belagerung ganzer Provinzen, Kronländer und Königreiche selbst ohne Krieg zu erfinden und durchzuführen, ohne Ausfällen und Flatterminen zu begegnen. Daß es dort, wo es thatsächlichen Kampf der Parteien gegeben, nöthig sei, nach dem Kampfe den Ansnahmszustand eintreten zu lassen, damit die leidenschaft¬ liche Erhitzung verdampfe, das ist leider richtig, in diesem Falle gleicht der Be¬ lagerungszustand der Zwangsjacke und dem Sturzbade, die man beide einem Toll- gewordenen applizirt, um ihn zur Besinnung zu bringen. Ist er aber zur Be¬ sinnung gebracht, und setzt man Zwangsjacke und Sturzbad schonungslos fort, s»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/230>, abgerufen am 15.01.2025.