Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Den Militärhcrrschern sind, zur Vorbereitung normaler Zustände, Civilcommissäre
beigegeben, die dem Ministerium verantwortlich, aber auch zugleich den unverant¬
wortlichen Säbelherrschcru unterthan sind; eine liebliche Mischung vou constitutio-
nellen Schein und despotischer Wirklichkeit. Die amtliche Korrespondenz zwischen
den Distrikten soll aus Deutsch geführt werden. Diese Kränkung des Nationalge¬
fühls ist ein treffliches Mittel, um sowohl in Magyarien wie in der in's Wasser
gefallenen Slowakei das Deutschthum beliebt zu machen, doch wird der Cvmmis-
brotstyl unserer Weidens und Böhms gewiß für die Verbreitung deutscher Sprache
und Bildung Wunder wirken. Dieser Fülle von Wohlthaten entspricht nun auch
der passive Widerstand des magyarischen Volkes. Zwölf Distriktsobercommissäre
haben an einem Tage ihre Stellen niedergelegt, andere werden folgen. Je mehr
die Regierung gezwungen sein wird, fremde Bureaukraten in Ungarn anzustellen,
die weder Land und Leute, Sitten und Zustände kennen, noch überhaupt mit dem
Volk umzugehen wissen, desto heftiger wird der Widerstand, desto tiefer der Na¬
tionalhaß, die Verwirrung und die Schwierigkeit jeder Entwickelung werden, l'-uit
mieux, sagen Capitän und Lieutenant; desto länger dauert unser Regiment und
unsere Svldzulage.

Die Steuer haben um Einberufung ihres Landtags petitionirt, damit die
Charte eine Wahrheit werden könne, aber zur Vorbereitung für einen künftigen
Reichstag sind vereinzelte Landtage ungenügend und werden deshalb unterbleiben.
Die Zukunft der Märzverfassung macht ein hypokratisches Gesicht, das Ministerium
tröstet sich und die Masse der Beständen mit der Sorgfalt, die es den materiellen
Interessen widmet, mit den kalifornischen Bergen unserer finanziellen Zukunft.
Aber eine Armee von fast 700,000 Mann ans dem Kriegsfuße kann auf die
Dauer selbst Kalifornien aufessen. Die jüngste Anleihe von 71 Millionen Gulden,
sagt man, erhält nächstens eine Nachfolgerin. Die Kurse sinken, das Agio auf
Metall steigt.

Die Censur ist glücklich auferstanden, vorläufig für Bücher. Das Militär-
commando hat alleu Buchhändler" die strengste Weisung zukommen lassen, kein
Manuscript ohne das Imprimatur Welden's zu drucken. -- Dagegen führt man hier zur
Erbauung eines gemüthlichen Wiener Publikums, Mailänder Spektakelstücke auf
und verurtheilt Bürgerliche, wegen kleiner Vergehen, zu Stockstreichen. Ob die
Delinquenten auch nach militärischer Sitte beim Aufstehen vou der Prügelbank "für
die gnädige Straf danken müssen," habe ich nicht erfahren können.




Den Militärhcrrschern sind, zur Vorbereitung normaler Zustände, Civilcommissäre
beigegeben, die dem Ministerium verantwortlich, aber auch zugleich den unverant¬
wortlichen Säbelherrschcru unterthan sind; eine liebliche Mischung vou constitutio-
nellen Schein und despotischer Wirklichkeit. Die amtliche Korrespondenz zwischen
den Distrikten soll aus Deutsch geführt werden. Diese Kränkung des Nationalge¬
fühls ist ein treffliches Mittel, um sowohl in Magyarien wie in der in's Wasser
gefallenen Slowakei das Deutschthum beliebt zu machen, doch wird der Cvmmis-
brotstyl unserer Weidens und Böhms gewiß für die Verbreitung deutscher Sprache
und Bildung Wunder wirken. Dieser Fülle von Wohlthaten entspricht nun auch
der passive Widerstand des magyarischen Volkes. Zwölf Distriktsobercommissäre
haben an einem Tage ihre Stellen niedergelegt, andere werden folgen. Je mehr
die Regierung gezwungen sein wird, fremde Bureaukraten in Ungarn anzustellen,
die weder Land und Leute, Sitten und Zustände kennen, noch überhaupt mit dem
Volk umzugehen wissen, desto heftiger wird der Widerstand, desto tiefer der Na¬
tionalhaß, die Verwirrung und die Schwierigkeit jeder Entwickelung werden, l'-uit
mieux, sagen Capitän und Lieutenant; desto länger dauert unser Regiment und
unsere Svldzulage.

Die Steuer haben um Einberufung ihres Landtags petitionirt, damit die
Charte eine Wahrheit werden könne, aber zur Vorbereitung für einen künftigen
Reichstag sind vereinzelte Landtage ungenügend und werden deshalb unterbleiben.
Die Zukunft der Märzverfassung macht ein hypokratisches Gesicht, das Ministerium
tröstet sich und die Masse der Beständen mit der Sorgfalt, die es den materiellen
Interessen widmet, mit den kalifornischen Bergen unserer finanziellen Zukunft.
Aber eine Armee von fast 700,000 Mann ans dem Kriegsfuße kann auf die
Dauer selbst Kalifornien aufessen. Die jüngste Anleihe von 71 Millionen Gulden,
sagt man, erhält nächstens eine Nachfolgerin. Die Kurse sinken, das Agio auf
Metall steigt.

Die Censur ist glücklich auferstanden, vorläufig für Bücher. Das Militär-
commando hat alleu Buchhändler» die strengste Weisung zukommen lassen, kein
Manuscript ohne das Imprimatur Welden's zu drucken. — Dagegen führt man hier zur
Erbauung eines gemüthlichen Wiener Publikums, Mailänder Spektakelstücke auf
und verurtheilt Bürgerliche, wegen kleiner Vergehen, zu Stockstreichen. Ob die
Delinquenten auch nach militärischer Sitte beim Aufstehen vou der Prügelbank „für
die gnädige Straf danken müssen," habe ich nicht erfahren können.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279774"/>
          <p xml:id="ID_759" prev="#ID_758"> Den Militärhcrrschern sind, zur Vorbereitung normaler Zustände, Civilcommissäre<lb/>
beigegeben, die dem Ministerium verantwortlich, aber auch zugleich den unverant¬<lb/>
wortlichen Säbelherrschcru unterthan sind; eine liebliche Mischung vou constitutio-<lb/>
nellen Schein und despotischer Wirklichkeit. Die amtliche Korrespondenz zwischen<lb/>
den Distrikten soll aus Deutsch geführt werden. Diese Kränkung des Nationalge¬<lb/>
fühls ist ein treffliches Mittel, um sowohl in Magyarien wie in der in's Wasser<lb/>
gefallenen Slowakei das Deutschthum beliebt zu machen, doch wird der Cvmmis-<lb/>
brotstyl unserer Weidens und Böhms gewiß für die Verbreitung deutscher Sprache<lb/>
und Bildung Wunder wirken. Dieser Fülle von Wohlthaten entspricht nun auch<lb/>
der passive Widerstand des magyarischen Volkes. Zwölf Distriktsobercommissäre<lb/>
haben an einem Tage ihre Stellen niedergelegt, andere werden folgen. Je mehr<lb/>
die Regierung gezwungen sein wird, fremde Bureaukraten in Ungarn anzustellen,<lb/>
die weder Land und Leute, Sitten und Zustände kennen, noch überhaupt mit dem<lb/>
Volk umzugehen wissen, desto heftiger wird der Widerstand, desto tiefer der Na¬<lb/>
tionalhaß, die Verwirrung und die Schwierigkeit jeder Entwickelung werden, l'-uit<lb/>
mieux, sagen Capitän und Lieutenant; desto länger dauert unser Regiment und<lb/>
unsere Svldzulage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_760"> Die Steuer haben um Einberufung ihres Landtags petitionirt, damit die<lb/>
Charte eine Wahrheit werden könne, aber zur Vorbereitung für einen künftigen<lb/>
Reichstag sind vereinzelte Landtage ungenügend und werden deshalb unterbleiben.<lb/>
Die Zukunft der Märzverfassung macht ein hypokratisches Gesicht, das Ministerium<lb/>
tröstet sich und die Masse der Beständen mit der Sorgfalt, die es den materiellen<lb/>
Interessen widmet, mit den kalifornischen Bergen unserer finanziellen Zukunft.<lb/>
Aber eine Armee von fast 700,000 Mann ans dem Kriegsfuße kann auf die<lb/>
Dauer selbst Kalifornien aufessen. Die jüngste Anleihe von 71 Millionen Gulden,<lb/>
sagt man, erhält nächstens eine Nachfolgerin. Die Kurse sinken, das Agio auf<lb/>
Metall steigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_761"> Die Censur ist glücklich auferstanden, vorläufig für Bücher. Das Militär-<lb/>
commando hat alleu Buchhändler» die strengste Weisung zukommen lassen, kein<lb/>
Manuscript ohne das Imprimatur Welden's zu drucken. &#x2014; Dagegen führt man hier zur<lb/>
Erbauung eines gemüthlichen Wiener Publikums, Mailänder Spektakelstücke auf<lb/>
und verurtheilt Bürgerliche, wegen kleiner Vergehen, zu Stockstreichen. Ob die<lb/>
Delinquenten auch nach militärischer Sitte beim Aufstehen vou der Prügelbank &#x201E;für<lb/>
die gnädige Straf danken müssen," habe ich nicht erfahren können.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Den Militärhcrrschern sind, zur Vorbereitung normaler Zustände, Civilcommissäre beigegeben, die dem Ministerium verantwortlich, aber auch zugleich den unverant¬ wortlichen Säbelherrschcru unterthan sind; eine liebliche Mischung vou constitutio- nellen Schein und despotischer Wirklichkeit. Die amtliche Korrespondenz zwischen den Distrikten soll aus Deutsch geführt werden. Diese Kränkung des Nationalge¬ fühls ist ein treffliches Mittel, um sowohl in Magyarien wie in der in's Wasser gefallenen Slowakei das Deutschthum beliebt zu machen, doch wird der Cvmmis- brotstyl unserer Weidens und Böhms gewiß für die Verbreitung deutscher Sprache und Bildung Wunder wirken. Dieser Fülle von Wohlthaten entspricht nun auch der passive Widerstand des magyarischen Volkes. Zwölf Distriktsobercommissäre haben an einem Tage ihre Stellen niedergelegt, andere werden folgen. Je mehr die Regierung gezwungen sein wird, fremde Bureaukraten in Ungarn anzustellen, die weder Land und Leute, Sitten und Zustände kennen, noch überhaupt mit dem Volk umzugehen wissen, desto heftiger wird der Widerstand, desto tiefer der Na¬ tionalhaß, die Verwirrung und die Schwierigkeit jeder Entwickelung werden, l'-uit mieux, sagen Capitän und Lieutenant; desto länger dauert unser Regiment und unsere Svldzulage. Die Steuer haben um Einberufung ihres Landtags petitionirt, damit die Charte eine Wahrheit werden könne, aber zur Vorbereitung für einen künftigen Reichstag sind vereinzelte Landtage ungenügend und werden deshalb unterbleiben. Die Zukunft der Märzverfassung macht ein hypokratisches Gesicht, das Ministerium tröstet sich und die Masse der Beständen mit der Sorgfalt, die es den materiellen Interessen widmet, mit den kalifornischen Bergen unserer finanziellen Zukunft. Aber eine Armee von fast 700,000 Mann ans dem Kriegsfuße kann auf die Dauer selbst Kalifornien aufessen. Die jüngste Anleihe von 71 Millionen Gulden, sagt man, erhält nächstens eine Nachfolgerin. Die Kurse sinken, das Agio auf Metall steigt. Die Censur ist glücklich auferstanden, vorläufig für Bücher. Das Militär- commando hat alleu Buchhändler» die strengste Weisung zukommen lassen, kein Manuscript ohne das Imprimatur Welden's zu drucken. — Dagegen führt man hier zur Erbauung eines gemüthlichen Wiener Publikums, Mailänder Spektakelstücke auf und verurtheilt Bürgerliche, wegen kleiner Vergehen, zu Stockstreichen. Ob die Delinquenten auch nach militärischer Sitte beim Aufstehen vou der Prügelbank „für die gnädige Straf danken müssen," habe ich nicht erfahren können.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/226>, abgerufen am 15.01.2025.