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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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auf die Spur gekommen. Hurter stehe an der Spitze eines Komplottes, welches
den Zweck habe, Metternich zurückzuführen! Schwarzenberg habe alle Fäden der
Verschwörung entdeckt und sogleich energische Maßregeln getroffen. -- Freilich,
sagen die Wiener, denn unter den jetzigen Umständen wäre der Metternich zu
liberal. --

Zweite Nachschrift. -- Am 24. October bestiegen zu Pesth wieder drei
magyarische Notabilitäten den Galgen: Baron Siegmund Pere-uyi, ehemaliger
Vicepräfldent der Maguatentafel, Emerich Szacvay, Kcuneralfiscus; Emanuel
Czeruyus, Ministerialrath im ungarischen Finanzwesen. Die Vermögensconfisca-
tion steht natürlich dem Galgen zur Seite. Keiner von den Dreien hatte eine
Waffe getragen; die lakonischer Sentenzen des Kriegsgerichts erwähnen blos, daß
sie eine Rolle im Debrecziucr Nebcllenparlament gespielt und den kaiserlichen, theils
gar nicht, theils von einem einzigen, dazu nichtunganschcu Minister contrasignirten
Proklamationen vom October 1848 zuwider gehandelt haben. Gleichwie bei Bat-
thyani'S Hinrichtung urtheilen also ein paar Kvrpvräle und Lieutenants in einer
Rechtsfrage, deren Lösung den Verstand manches Jnristencvllcgiums auf die Probe
stellen würde. Das formelle Recht Ungarns ist von zwei Drittheilen Europas
anerkannt, ist selbst von Jenen eingeräumt worden, die den Sieg Oestreichs
wünschten, -- wir erinnern nur an die Times -- und jetzt dient es nicht einmal
als Milderungsgrund und schützt die Besiegten nicht vor dem Armensündertode
gemeiner Diebe und Räuber. Unser Cadin^t verachtet aber die öffentliche Mei¬
nung Europas, zumal Deutschlands, und dieser Verachtung gleicht an Tiefe wohl
nur der Haß, den es gegen sich bei allen Volksstämmen der Monarchie, sogar bei
den Kroaten anzufachen gewußt hat. Die Hingerichteten gehörten zu deu glän¬
zendsten Kapacitäten, die das constitutionelle Leben Ungarns entwickelt hatte; der
"Lloyd," sicherlich kein Wnhlcrblatt, rühmt Perenyi's und Czernyus' Geist, Kennt¬
nisse und oratorische Gaben. Es scheint beschlossen, die Blüthe der magyarischen
Intelligenz abzumähen und die Schwungkraft der Nation anf lange Zeit zu knicken;
ein NivellirnugSprozcß, wie er in Böhmen vor zweihundert Jahren versucht
wurde, soll die Centralisation möglich machen. Was in Frankreich unter Ludwig
^1. begonnen und unter Robespierre vollendet wurde, will das Cabinet Schwar-
zenberg in einem Jahre nachahmend ausführen! Möglich, daß ich mich täusche,
indem ich der Blutwirthschaft irgend einen "zeitgemäßen" (!) Zweck unterschiede
und daß es sich uur darum handelt, der Menschheit einigen Respekt vor der Ma¬
jestät von Gottes Gnaden beizubringen!

Eine Folge dieses Terrorismus hat sich bereits herausgestellt: Die Intelligenz
des Landes, die altconscrvative Partei, entzieht sich dem Dienst der Regierung,
Man hat die 800jährige Verfassung Ungarns, die seit l8!!0 viele vernünftige
Verbesserungen erfuhr, abgeschafft, ohne eine neue zu okttoyircu; mau hat dafür
"Statut" -- der Name erinnert an die Moldau und Walachei -- versprochen,


auf die Spur gekommen. Hurter stehe an der Spitze eines Komplottes, welches
den Zweck habe, Metternich zurückzuführen! Schwarzenberg habe alle Fäden der
Verschwörung entdeckt und sogleich energische Maßregeln getroffen. — Freilich,
sagen die Wiener, denn unter den jetzigen Umständen wäre der Metternich zu
liberal. —

Zweite Nachschrift. — Am 24. October bestiegen zu Pesth wieder drei
magyarische Notabilitäten den Galgen: Baron Siegmund Pere-uyi, ehemaliger
Vicepräfldent der Maguatentafel, Emerich Szacvay, Kcuneralfiscus; Emanuel
Czeruyus, Ministerialrath im ungarischen Finanzwesen. Die Vermögensconfisca-
tion steht natürlich dem Galgen zur Seite. Keiner von den Dreien hatte eine
Waffe getragen; die lakonischer Sentenzen des Kriegsgerichts erwähnen blos, daß
sie eine Rolle im Debrecziucr Nebcllenparlament gespielt und den kaiserlichen, theils
gar nicht, theils von einem einzigen, dazu nichtunganschcu Minister contrasignirten
Proklamationen vom October 1848 zuwider gehandelt haben. Gleichwie bei Bat-
thyani'S Hinrichtung urtheilen also ein paar Kvrpvräle und Lieutenants in einer
Rechtsfrage, deren Lösung den Verstand manches Jnristencvllcgiums auf die Probe
stellen würde. Das formelle Recht Ungarns ist von zwei Drittheilen Europas
anerkannt, ist selbst von Jenen eingeräumt worden, die den Sieg Oestreichs
wünschten, — wir erinnern nur an die Times — und jetzt dient es nicht einmal
als Milderungsgrund und schützt die Besiegten nicht vor dem Armensündertode
gemeiner Diebe und Räuber. Unser Cadin^t verachtet aber die öffentliche Mei¬
nung Europas, zumal Deutschlands, und dieser Verachtung gleicht an Tiefe wohl
nur der Haß, den es gegen sich bei allen Volksstämmen der Monarchie, sogar bei
den Kroaten anzufachen gewußt hat. Die Hingerichteten gehörten zu deu glän¬
zendsten Kapacitäten, die das constitutionelle Leben Ungarns entwickelt hatte; der
„Lloyd," sicherlich kein Wnhlcrblatt, rühmt Perenyi's und Czernyus' Geist, Kennt¬
nisse und oratorische Gaben. Es scheint beschlossen, die Blüthe der magyarischen
Intelligenz abzumähen und die Schwungkraft der Nation anf lange Zeit zu knicken;
ein NivellirnugSprozcß, wie er in Böhmen vor zweihundert Jahren versucht
wurde, soll die Centralisation möglich machen. Was in Frankreich unter Ludwig
^1. begonnen und unter Robespierre vollendet wurde, will das Cabinet Schwar-
zenberg in einem Jahre nachahmend ausführen! Möglich, daß ich mich täusche,
indem ich der Blutwirthschaft irgend einen „zeitgemäßen" (!) Zweck unterschiede
und daß es sich uur darum handelt, der Menschheit einigen Respekt vor der Ma¬
jestät von Gottes Gnaden beizubringen!

Eine Folge dieses Terrorismus hat sich bereits herausgestellt: Die Intelligenz
des Landes, die altconscrvative Partei, entzieht sich dem Dienst der Regierung,
Man hat die 800jährige Verfassung Ungarns, die seit l8!!0 viele vernünftige
Verbesserungen erfuhr, abgeschafft, ohne eine neue zu okttoyircu; mau hat dafür
„Statut" — der Name erinnert an die Moldau und Walachei — versprochen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/225>, abgerufen am 15.01.2025.