Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Woiwode brach auf, seinen Abendritt zu thun, ich begleitete ihn auf seine Auffor¬ 2. Die serbische Reichsfahne. Als Kara Georgje an der Spitze der serbischen Insurrektion zum ersten Male Woiwode brach auf, seinen Abendritt zu thun, ich begleitete ihn auf seine Auffor¬ 2. Die serbische Reichsfahne. Als Kara Georgje an der Spitze der serbischen Insurrektion zum ersten Male <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279570"/> <p xml:id="ID_72" prev="#ID_71"> Woiwode brach auf, seinen Abendritt zu thun, ich begleitete ihn auf seine Auffor¬<lb/> derung. Als wir zu Pferde stiegen, kam ein Pope des Weges, der den breiten<lb/> Hut ehrerbietig vor dem vielvermögenden Woiwoden abnahm.? Dieser aber zog<lb/> den Fuß aus dem Steigbügel, stieg ab, verbeugte sich mit gekreuzten Armen und<lb/> sprach: „Ehrwürdiger Vater, segne mich!" Der Pope sprach sein Segenssprüchlein,<lb/> verlegen und devot und der Woiwode schwang sich in den Sattel. Im Fortspren¬<lb/> gen bemerkte er mir lächelnd in's Ohr, daß es der nachreitende Diener nicht hören<lb/> konnte: „Siehst Du, was man des Volkes wegen thun muß, ich für meine Per¬<lb/> son brauche die Popen nicht!" — Das ist Herr Wucic Parisic, der serbische<lb/> Volksheld unserer Zeit. Die Tapferkeit seines Stammes und die diplomatische<lb/> Nuhe der Türken, rascher Muth und intriguante Schlauheit vereinigen sich bei<lb/> ihm unter der Hülle rauher Gradherzigkeit. Er liebt sei» Volk, er ist allmächtig<lb/> in Serbien, und bei den Erschütterungen, welche die nächste Zukunft dem Fürsten¬<lb/> stuhl Serbiens bringen mag, wird er seinen Willen wahrscheinlich durchsetzen. Ob der<lb/> nächste Fürst Serbiens noch einmal Michael Ovrenovic sein wird, oder ob gar<lb/> die Popularität und der junge Ehrgeiz des östreichischen Stratimirvvic bis zum<lb/> serbischen Purpur hinaufdringen wird, das freilich hängt jetzt nicht mehr von dem<lb/> Willen der serbischen Führer allein, sondern weit mehr von der Stellung ab,<lb/> welche Rußland und Oestreich in der nächsten Zeit unter einander und zum Für-<lb/> stenthum einnehmen werden.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 2.<lb/> Die serbische Reichsfahne.</head><lb/> <p xml:id="ID_73" next="#ID_74"> Als Kara Georgje an der Spitze der serbischen Insurrektion zum ersten Male<lb/> als Feldherr gegen die Türken zog, brachte ihm ein alter Mann eine morsche<lb/> Fahne, auf deren durchlöchertem Fahnentuch von rother Seide ein weißer doppel-<lb/> kopfiger Adler, wie ihn die Nemanice geführt, umgeben von den Wappenschildern<lb/> aller Provinzen des ehemaligen serbischen Kaiserreichs gemalt war. Er gab vor,<lb/> es sei dies das Leibbanner des Serbenczars Duschan (aus dem Hause Nemanic)<lb/> des Starken und Unüberwindlichen, welches seit der letzten Schlacht auf dem<lb/> Felde Kossovo in einem Kloster der Schumadia sorgfältig und heimlich aufbewahrt<lb/> worden, damit es deu Türken nicht in die Hände fiele. Das Volk freute sich<lb/> dieses Wiederfuuds und glaubte in dieser alten Fahne eine Oriflamme seines<lb/> Wassenglücks erhalten zu haben. Herr Kara Georgje gab sie einem seiner treue-<lb/> sten und tapfersten Offiziere zu tragen, dem Peter Jolle, der mit ihm aus dem¬<lb/> selben Dorfe, Topola, stammte, Peter Jolle, zubenannt von Topola (Topolac)<lb/> bewahrte tren das anvertraute Palladium in der ganzen langen Reihe blutiger<lb/> Freiheitskämpfe. Als sich Kara Georgje genöthigt sah, aus der Heimath zu flie¬<lb/> hen, legte er beim Abschied von der serbischen Erde seinem Waffenbruder Jolle</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Woiwode brach auf, seinen Abendritt zu thun, ich begleitete ihn auf seine Auffor¬
derung. Als wir zu Pferde stiegen, kam ein Pope des Weges, der den breiten
Hut ehrerbietig vor dem vielvermögenden Woiwoden abnahm.? Dieser aber zog
den Fuß aus dem Steigbügel, stieg ab, verbeugte sich mit gekreuzten Armen und
sprach: „Ehrwürdiger Vater, segne mich!" Der Pope sprach sein Segenssprüchlein,
verlegen und devot und der Woiwode schwang sich in den Sattel. Im Fortspren¬
gen bemerkte er mir lächelnd in's Ohr, daß es der nachreitende Diener nicht hören
konnte: „Siehst Du, was man des Volkes wegen thun muß, ich für meine Per¬
son brauche die Popen nicht!" — Das ist Herr Wucic Parisic, der serbische
Volksheld unserer Zeit. Die Tapferkeit seines Stammes und die diplomatische
Nuhe der Türken, rascher Muth und intriguante Schlauheit vereinigen sich bei
ihm unter der Hülle rauher Gradherzigkeit. Er liebt sei» Volk, er ist allmächtig
in Serbien, und bei den Erschütterungen, welche die nächste Zukunft dem Fürsten¬
stuhl Serbiens bringen mag, wird er seinen Willen wahrscheinlich durchsetzen. Ob der
nächste Fürst Serbiens noch einmal Michael Ovrenovic sein wird, oder ob gar
die Popularität und der junge Ehrgeiz des östreichischen Stratimirvvic bis zum
serbischen Purpur hinaufdringen wird, das freilich hängt jetzt nicht mehr von dem
Willen der serbischen Führer allein, sondern weit mehr von der Stellung ab,
welche Rußland und Oestreich in der nächsten Zeit unter einander und zum Für-
stenthum einnehmen werden.
2.
Die serbische Reichsfahne.
Als Kara Georgje an der Spitze der serbischen Insurrektion zum ersten Male
als Feldherr gegen die Türken zog, brachte ihm ein alter Mann eine morsche
Fahne, auf deren durchlöchertem Fahnentuch von rother Seide ein weißer doppel-
kopfiger Adler, wie ihn die Nemanice geführt, umgeben von den Wappenschildern
aller Provinzen des ehemaligen serbischen Kaiserreichs gemalt war. Er gab vor,
es sei dies das Leibbanner des Serbenczars Duschan (aus dem Hause Nemanic)
des Starken und Unüberwindlichen, welches seit der letzten Schlacht auf dem
Felde Kossovo in einem Kloster der Schumadia sorgfältig und heimlich aufbewahrt
worden, damit es deu Türken nicht in die Hände fiele. Das Volk freute sich
dieses Wiederfuuds und glaubte in dieser alten Fahne eine Oriflamme seines
Wassenglücks erhalten zu haben. Herr Kara Georgje gab sie einem seiner treue-
sten und tapfersten Offiziere zu tragen, dem Peter Jolle, der mit ihm aus dem¬
selben Dorfe, Topola, stammte, Peter Jolle, zubenannt von Topola (Topolac)
bewahrte tren das anvertraute Palladium in der ganzen langen Reihe blutiger
Freiheitskämpfe. Als sich Kara Georgje genöthigt sah, aus der Heimath zu flie¬
hen, legte er beim Abschied von der serbischen Erde seinem Waffenbruder Jolle
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