Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Ihr allerdings zuerst finden, daß unter seinem Regiment Ihr und Eure Kolle¬ Ihr allerdings zuerst finden, daß unter seinem Regiment Ihr und Eure Kolle¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279762"/> <p xml:id="ID_726" prev="#ID_725" next="#ID_727"> Ihr allerdings zuerst finden, daß unter seinem Regiment Ihr und Eure Kolle¬<lb/> gen von Eure» Wählern, welche plötzlich loyal wurden, etwas gelyncht worden<lb/> seid. Das Verdienst des Ministeriums hierbei war, daß es die Nationalversamm¬<lb/> lung auflöste und die Landwehr einberief. Beide Maaßregeln ergriff es in der<lb/> Stimmung von Männern, welche Alles auf eine Karte setzen. Ihr Spiel gelang,<lb/> nicht weil sie besonders klug gespielt hatten, sondern weil der größte Theil des<lb/> Volkes vor Begier darnach brannte, sich dem Ersten besten in die Arme zu werfen,<lb/> der nur irgend Etwas unternehme, das wie eine That aussah, und weil in einem<lb/> Winkel der sämmtlichen preußischen Herze» ein großer Vorrat!) von Loyalität und<lb/> Treue steckte, an dessen Vorhandensein die Minister sowohl, als selbst die Persönlichkeit<lb/> ihres Souveräns ziemlich unschuldig waren, er ist ältern Ursprungs. Genug, es<lb/> gelang; der Wrangel marschirte nach Berlin, Andere mit treuen Herzen und gro¬<lb/> ßen Schnurrbärten anders wohin, die Soldaten führten Bürger- und Bauermäd¬<lb/> chen zum Tanz, Vater und Mutter wurden loyal un-d wir Preußen erinnerten<lb/> uns, daß «die Pickelhaube und das Hurrah zu unseren Familieugenüssen gehörten.<lb/> Darauf litt das Ministerium, daß die Steuerverweigerer verfolgt würden, das<lb/> war schwächlich und ungeschickt. Es octroyirte eine neue Verfassung?, welche sehr<lb/> liberal war, um die Liberalen zu beruhigen. Das war schlan , ob ganz ehrlich, wollen<lb/> wir hier nicht untersuchen. Darauf erließ das Ministerin»! eine Menge von organisiren-<lb/> den Gesetzen und Gesetzentwürfen, so gut und so schlecht als sie von den routinirten<lb/> preußischen Beamte» gemacht werden, ohne gerade viel nach seiner neuen constitutio-<lb/> nellen Berechtigung zu fragen, die es sich übrigens in ausgedehntem Maße selbst durch<lb/> die Verfassung zu ertheilen, so gütig gewesen war. Die Kammer» treten zusammen,<lb/> der König schlägt eine Kaiserkrone aus, die ihm zu demokratisch erscheint,<lb/> die Münster opfern ihre persönliche Ueberzeugung — wenigstens ein Theil von<lb/> ihnen — und bleiben achselzuckend im Amt; die 2. Kammer wird aufgelöst, weil<lb/> sie ihrerseits abweichende Ueberzeugungen äußert, die Minister oktroyiren einen<lb/> neuen Wahlmodus, der schlecht und abgeschmackt ist, aber ihne» allerdings die<lb/> Garantie für eine sanftmüthige zweite Kammer giebt; diese Kanuner tritt wieder zu¬<lb/> sammen, das Ministerin»! verläßt bei der Berathung über die Verfassung sein eigenes<lb/> L)cervi, welches nur in der Noth und um dramatisch zu wirken, so gegeben war, und unter¬<lb/> stützt die wichtigsten Beschränkungen mit großer Naivetät. — Das mag Alles recht<lb/> gut sein, nur sehe ich darin weder Größe, noch Consequenz, »och Kraft. Mros, es ist<lb/> ein Ministerium von Hansbeamten, der Wille des Souverains hat sie berufe»,<lb/> er lenkt sie auch, wohin er will; wohl ist etwas von preußischer Beamten-und Solda-<lb/> tcutreue in diesem Ministerium, ungewöhnliche mämüiche Kraft und besondere sitt¬<lb/> liche Würde könnt selbst Ihr mit Eure» Luchsäuglei» nicht in ihm entdecken, Mros,<lb/> mein Mignon. Mit mien Akt der höchste» Willkür trat es ins Leben, Willkür war<lb/> sei» Dreiköuigsbünduiß, schlechte Willkür sein oktroyirtes Wahlgesetz, und jede die¬<lb/> ser großen Handlungen war ein direkter oder indirekter Bruch eingegangener Ver-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0214]
Ihr allerdings zuerst finden, daß unter seinem Regiment Ihr und Eure Kolle¬
gen von Eure» Wählern, welche plötzlich loyal wurden, etwas gelyncht worden
seid. Das Verdienst des Ministeriums hierbei war, daß es die Nationalversamm¬
lung auflöste und die Landwehr einberief. Beide Maaßregeln ergriff es in der
Stimmung von Männern, welche Alles auf eine Karte setzen. Ihr Spiel gelang,
nicht weil sie besonders klug gespielt hatten, sondern weil der größte Theil des
Volkes vor Begier darnach brannte, sich dem Ersten besten in die Arme zu werfen,
der nur irgend Etwas unternehme, das wie eine That aussah, und weil in einem
Winkel der sämmtlichen preußischen Herze» ein großer Vorrat!) von Loyalität und
Treue steckte, an dessen Vorhandensein die Minister sowohl, als selbst die Persönlichkeit
ihres Souveräns ziemlich unschuldig waren, er ist ältern Ursprungs. Genug, es
gelang; der Wrangel marschirte nach Berlin, Andere mit treuen Herzen und gro¬
ßen Schnurrbärten anders wohin, die Soldaten führten Bürger- und Bauermäd¬
chen zum Tanz, Vater und Mutter wurden loyal un-d wir Preußen erinnerten
uns, daß «die Pickelhaube und das Hurrah zu unseren Familieugenüssen gehörten.
Darauf litt das Ministerium, daß die Steuerverweigerer verfolgt würden, das
war schwächlich und ungeschickt. Es octroyirte eine neue Verfassung?, welche sehr
liberal war, um die Liberalen zu beruhigen. Das war schlan , ob ganz ehrlich, wollen
wir hier nicht untersuchen. Darauf erließ das Ministerin»! eine Menge von organisiren-
den Gesetzen und Gesetzentwürfen, so gut und so schlecht als sie von den routinirten
preußischen Beamte» gemacht werden, ohne gerade viel nach seiner neuen constitutio-
nellen Berechtigung zu fragen, die es sich übrigens in ausgedehntem Maße selbst durch
die Verfassung zu ertheilen, so gütig gewesen war. Die Kammer» treten zusammen,
der König schlägt eine Kaiserkrone aus, die ihm zu demokratisch erscheint,
die Münster opfern ihre persönliche Ueberzeugung — wenigstens ein Theil von
ihnen — und bleiben achselzuckend im Amt; die 2. Kammer wird aufgelöst, weil
sie ihrerseits abweichende Ueberzeugungen äußert, die Minister oktroyiren einen
neuen Wahlmodus, der schlecht und abgeschmackt ist, aber ihne» allerdings die
Garantie für eine sanftmüthige zweite Kammer giebt; diese Kanuner tritt wieder zu¬
sammen, das Ministerin»! verläßt bei der Berathung über die Verfassung sein eigenes
L)cervi, welches nur in der Noth und um dramatisch zu wirken, so gegeben war, und unter¬
stützt die wichtigsten Beschränkungen mit großer Naivetät. — Das mag Alles recht
gut sein, nur sehe ich darin weder Größe, noch Consequenz, »och Kraft. Mros, es ist
ein Ministerium von Hansbeamten, der Wille des Souverains hat sie berufe»,
er lenkt sie auch, wohin er will; wohl ist etwas von preußischer Beamten-und Solda-
tcutreue in diesem Ministerium, ungewöhnliche mämüiche Kraft und besondere sitt¬
liche Würde könnt selbst Ihr mit Eure» Luchsäuglei» nicht in ihm entdecken, Mros,
mein Mignon. Mit mien Akt der höchste» Willkür trat es ins Leben, Willkür war
sei» Dreiköuigsbünduiß, schlechte Willkür sein oktroyirtes Wahlgesetz, und jede die¬
ser großen Handlungen war ein direkter oder indirekter Bruch eingegangener Ver-
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