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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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erhoben hattet, während Ihr dem König die Steuern verweigertet, von Euren
würdigen Wählern sehr ausgehauen wurdet, da, Michael Mros, kam mir die Rüh¬
rung zur Bewunderung. Seltsamer, schwer verständlicher Mann! da ich Euch in
vorigem Jahr deu Abschiedsbrief schrieb, dachte ich nicht, daß mir noch einmal die
Veranlassung werden würde, mit Euch in Verbindung zu treten.

Lieber Mros! Denkt an jene Sitzung der souverainen Nationalversammlung
Von 48, wo ein Deputirter der Linken in heftiger Aufregung aus die Tribüne
sprang und den Ministertisch durch die drohenden Worte zerknirschte: hinter uus
steht eine ungeheure Majorität. Bei diesen Worten wies er zur Seite auf Euch.
Ihr aber saßet verklärt da, strampeltet vergnügt mit Händen und Füßen und
schriet in Eurem Teufelspolnisch: ^c-s --Majorität -- mi Il^v"! Aber Ihr wart in
großem Irrthum. Vier Wochen darauf wies sich die ungeheure Majorität als
sehr klägliche Minorität aus, die Souverainetät der Constituante sank wie die be¬
wußte Souverainetät Eurer Ochsen, die Ihr einem pfändenden Gcrichtöamt gegen¬
über behauptet hattet, in Trümmer; die Constituante wurde aufgelöst, Eure Ochsen
eingesteckt. Und denkt Euch, Mros, jetzt, nach einem Jahre, steht wieder auf der
Tribüne ein Andrer, diesmal einer von den Ministern der rettenden That, und
donnert ebenso einer, jetzt sehr soliden Linken entgegen: hinter uns steht die unge¬
heure Majorität! Aus dem Ministerium "juoitjue ist ein Ministerium ^iticv^no
geworden; jetzt fühlt sich wieder ein Mann, daß er im Gleise der Majorität geht,
und diesmal ist's kein Schreier, sondern Einer, der sonst für besonnen und ver¬
ständig gilt. Mros, mein Liebling, ich fürchte sehr, seine Majorität wird sich in
Kurzem wiederum als eine Täuschung ausweisen. Es nutzt dem guten Herrn
nichts, daß seine Portiersfrau, die deutsche Reform, unsere ehrliche Gevatterin,
einige Tage darauf verlegen und beleidigt von falscher Deutung sprach, die feind¬
liche Böswilligkeit seinen Worten gegeben hatte; der Herr hatte sich wirklich von
der Hitze hinreiße" lassen und hatte mit weniger ministeriellen Takt, als vielmehr
mit sittlicher Befriedigung seine Freude verrathen, daß er die Masse des Volks
hinter sich habe. Es war nicht ganz am rechten Orte, aber es stand ihm nicht
schlecht und er braucht sich darüber uicht zu schämen; es ist für einen preußischen
Münster recht hübsch, wenn er sich auf das Volk verlasse" kauu, und wir wollen
ihm das gönnen, und wenn er zehnmal ein Tory wäre.

Aber, alter Mros, die Sache hat ihren Haken. Es würde mir leid thun,
wenn das, was ich Dir darüber zu sagen habe, gerade sür eine Kränkung jener
ehrlichen Männer gehalten würde, welche die Nothwendigkeit und die Antipathien
ihres gnädigen Monarchen zwangen, ein Ministerium der rettenden That zu wer¬
de", es soll "ur eine Kränkung sein sür den hirnlosen, kläglichen Trost unter der
großen Masse guter Leute, welche jetzt ministerielle Posaunen blasen. Wenn Ihr
'die Verdienste des preußischen Ministeriums untersucht, mein Bursch, so werdet


Grenzboten. IV. 184S. 27

erhoben hattet, während Ihr dem König die Steuern verweigertet, von Euren
würdigen Wählern sehr ausgehauen wurdet, da, Michael Mros, kam mir die Rüh¬
rung zur Bewunderung. Seltsamer, schwer verständlicher Mann! da ich Euch in
vorigem Jahr deu Abschiedsbrief schrieb, dachte ich nicht, daß mir noch einmal die
Veranlassung werden würde, mit Euch in Verbindung zu treten.

Lieber Mros! Denkt an jene Sitzung der souverainen Nationalversammlung
Von 48, wo ein Deputirter der Linken in heftiger Aufregung aus die Tribüne
sprang und den Ministertisch durch die drohenden Worte zerknirschte: hinter uus
steht eine ungeheure Majorität. Bei diesen Worten wies er zur Seite auf Euch.
Ihr aber saßet verklärt da, strampeltet vergnügt mit Händen und Füßen und
schriet in Eurem Teufelspolnisch: ^c-s —Majorität — mi Il^v»! Aber Ihr wart in
großem Irrthum. Vier Wochen darauf wies sich die ungeheure Majorität als
sehr klägliche Minorität aus, die Souverainetät der Constituante sank wie die be¬
wußte Souverainetät Eurer Ochsen, die Ihr einem pfändenden Gcrichtöamt gegen¬
über behauptet hattet, in Trümmer; die Constituante wurde aufgelöst, Eure Ochsen
eingesteckt. Und denkt Euch, Mros, jetzt, nach einem Jahre, steht wieder auf der
Tribüne ein Andrer, diesmal einer von den Ministern der rettenden That, und
donnert ebenso einer, jetzt sehr soliden Linken entgegen: hinter uns steht die unge¬
heure Majorität! Aus dem Ministerium «juoitjue ist ein Ministerium ^iticv^no
geworden; jetzt fühlt sich wieder ein Mann, daß er im Gleise der Majorität geht,
und diesmal ist's kein Schreier, sondern Einer, der sonst für besonnen und ver¬
ständig gilt. Mros, mein Liebling, ich fürchte sehr, seine Majorität wird sich in
Kurzem wiederum als eine Täuschung ausweisen. Es nutzt dem guten Herrn
nichts, daß seine Portiersfrau, die deutsche Reform, unsere ehrliche Gevatterin,
einige Tage darauf verlegen und beleidigt von falscher Deutung sprach, die feind¬
liche Böswilligkeit seinen Worten gegeben hatte; der Herr hatte sich wirklich von
der Hitze hinreiße» lassen und hatte mit weniger ministeriellen Takt, als vielmehr
mit sittlicher Befriedigung seine Freude verrathen, daß er die Masse des Volks
hinter sich habe. Es war nicht ganz am rechten Orte, aber es stand ihm nicht
schlecht und er braucht sich darüber uicht zu schämen; es ist für einen preußischen
Münster recht hübsch, wenn er sich auf das Volk verlasse» kauu, und wir wollen
ihm das gönnen, und wenn er zehnmal ein Tory wäre.

Aber, alter Mros, die Sache hat ihren Haken. Es würde mir leid thun,
wenn das, was ich Dir darüber zu sagen habe, gerade sür eine Kränkung jener
ehrlichen Männer gehalten würde, welche die Nothwendigkeit und die Antipathien
ihres gnädigen Monarchen zwangen, ein Ministerium der rettenden That zu wer¬
de», es soll »ur eine Kränkung sein sür den hirnlosen, kläglichen Trost unter der
großen Masse guter Leute, welche jetzt ministerielle Posaunen blasen. Wenn Ihr
'die Verdienste des preußischen Ministeriums untersucht, mein Bursch, so werdet


Grenzboten. IV. 184S. 27
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/213>, abgerufen am 15.01.2025.