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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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In Preußen ist nicht nnr im allgemeinen der conservative Stand der Landbauer der
herrschende, sondern in den Provinzen Preußen, Pommern, Posen, Brandenburg,
Schlesien, ja auch in Sachsen und Westphalen ist es noch dazu der große Grund¬
besitz, welcher durch Capital und Einfluß die übrigen producirenden Thätigkeiten
beherrscht. Während er conservativ stimmt, erhält noch ein anderer Umstand das
Gemüth des Volkes loyal. Das Haus der Hohenzollern hat durch Glück und
Kraft die auseinanderliegenden Landestheile zusammengefaßt. An den Persön-
lichkeiten dieses Hauses hängen die historischen Erinnerungen und das Selbstge¬
fühl der einzelnen Provinzen. Der große Kurfürst, Friedrich II., Friedrich Wil¬
helm III. sind in der That die Helden der preußischen Volksstämme. Was war
die Provinz Preußen, bevor sie dem Königreiche ihren Namen gab? Was war
Schlesien, bevor die gewaltsame Besitzergreifung des zweiten Friedrichs ihm das
Bewußtsein einer staatlichen Existenz einschlug? Und selbst die neuen Theile des
Staates, welche nicht den alten Kriegsruhm der Hohenzollern für den ihrigen
halten, haben die Empfindung, durch die Person eines Fürsten an ein großes
Ganze gefesselt zu sein und freuen sich ihren schwächeren Nachbarn gegenüber we¬
nigstens über die größere Kraft, von welcher sie ein Theil sind. Solche loyale
Erinnerungen aber können in einer Staatskrisis, wie die letzte war, ans lange viel¬
leicht für immer verschüttet werden, wenn Preußen nicht Eines besäße, die Or¬
ganisation seines Heerwesens, die populärste aller seiner Institutionen. Der Kriegs¬
dienst, die Landwehr, machen den Preußen loyal. Das letzte Jahr hat dies
schlagend bewiesen. Wo die Landwehr zusammengezogen wurde, selbst in solchen
Gegenden, welche durch demokratische Agenten ganz unterwühlt schienen, bedürfte
es nur eines Marsches von zwei bis drei Tagen, um Subordination einzuführen
und die lebhaften Gefühle eines militärischen Patriotismus zu entflammen. Das
war in Sachsen und in der Rheinprovinz eben so gut der Fall als in Pommern
und Schlesien. Wie mau auch die Formen, in welche" sich dies militärische Preu-
ßenthum äußerte, beurtheilen will, den Grund dieser Gefühle soll man nicht ta¬
deln. Für den einfachen Sohn des Volkes ist in Preußen sein Soldateuthum
das Höchste und Edelste was er kennt, in ihm wurzelt sein Idealismus, sein
Verständniß des Staates, als eines großen Ganzen, dem er als ein kleiner, aber
schmucker Theil angehört. Wir Kulturmenschen können uus nicht leicht in die
Empfindungen und Vorstellungen versetzen, welche dem Banersvhn oder dem jun¬
gen Handwerker komme", wenn er Soldat wird. Aus dem kleinen Raum, in dem
er den Dreschflegel oder die Axt führte, tritt er ans einmal in eine Gemeinschaft
mit Tausenden, in eine festgeregelte und wieder gemüthliche Beziehung zu den
höchsten Gewalten des Staates.

Zu den stolzesten Momenten seines Lebens gehört der, wo er mit seinem Ar¬
meecorps in Parade, oder manövrirend vor seinem General oder dem Könige sich
^igt. In solchen Stunden geht ihm aber nicht "Ur el" Verständniß ans des Znsam?


In Preußen ist nicht nnr im allgemeinen der conservative Stand der Landbauer der
herrschende, sondern in den Provinzen Preußen, Pommern, Posen, Brandenburg,
Schlesien, ja auch in Sachsen und Westphalen ist es noch dazu der große Grund¬
besitz, welcher durch Capital und Einfluß die übrigen producirenden Thätigkeiten
beherrscht. Während er conservativ stimmt, erhält noch ein anderer Umstand das
Gemüth des Volkes loyal. Das Haus der Hohenzollern hat durch Glück und
Kraft die auseinanderliegenden Landestheile zusammengefaßt. An den Persön-
lichkeiten dieses Hauses hängen die historischen Erinnerungen und das Selbstge¬
fühl der einzelnen Provinzen. Der große Kurfürst, Friedrich II., Friedrich Wil¬
helm III. sind in der That die Helden der preußischen Volksstämme. Was war
die Provinz Preußen, bevor sie dem Königreiche ihren Namen gab? Was war
Schlesien, bevor die gewaltsame Besitzergreifung des zweiten Friedrichs ihm das
Bewußtsein einer staatlichen Existenz einschlug? Und selbst die neuen Theile des
Staates, welche nicht den alten Kriegsruhm der Hohenzollern für den ihrigen
halten, haben die Empfindung, durch die Person eines Fürsten an ein großes
Ganze gefesselt zu sein und freuen sich ihren schwächeren Nachbarn gegenüber we¬
nigstens über die größere Kraft, von welcher sie ein Theil sind. Solche loyale
Erinnerungen aber können in einer Staatskrisis, wie die letzte war, ans lange viel¬
leicht für immer verschüttet werden, wenn Preußen nicht Eines besäße, die Or¬
ganisation seines Heerwesens, die populärste aller seiner Institutionen. Der Kriegs¬
dienst, die Landwehr, machen den Preußen loyal. Das letzte Jahr hat dies
schlagend bewiesen. Wo die Landwehr zusammengezogen wurde, selbst in solchen
Gegenden, welche durch demokratische Agenten ganz unterwühlt schienen, bedürfte
es nur eines Marsches von zwei bis drei Tagen, um Subordination einzuführen
und die lebhaften Gefühle eines militärischen Patriotismus zu entflammen. Das
war in Sachsen und in der Rheinprovinz eben so gut der Fall als in Pommern
und Schlesien. Wie mau auch die Formen, in welche» sich dies militärische Preu-
ßenthum äußerte, beurtheilen will, den Grund dieser Gefühle soll man nicht ta¬
deln. Für den einfachen Sohn des Volkes ist in Preußen sein Soldateuthum
das Höchste und Edelste was er kennt, in ihm wurzelt sein Idealismus, sein
Verständniß des Staates, als eines großen Ganzen, dem er als ein kleiner, aber
schmucker Theil angehört. Wir Kulturmenschen können uus nicht leicht in die
Empfindungen und Vorstellungen versetzen, welche dem Banersvhn oder dem jun¬
gen Handwerker komme», wenn er Soldat wird. Aus dem kleinen Raum, in dem
er den Dreschflegel oder die Axt führte, tritt er ans einmal in eine Gemeinschaft
mit Tausenden, in eine festgeregelte und wieder gemüthliche Beziehung zu den
höchsten Gewalten des Staates.

Zu den stolzesten Momenten seines Lebens gehört der, wo er mit seinem Ar¬
meecorps in Parade, oder manövrirend vor seinem General oder dem Könige sich
^igt. In solchen Stunden geht ihm aber nicht »Ur el» Verständniß ans des Znsam?


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[0209] In Preußen ist nicht nnr im allgemeinen der conservative Stand der Landbauer der herrschende, sondern in den Provinzen Preußen, Pommern, Posen, Brandenburg, Schlesien, ja auch in Sachsen und Westphalen ist es noch dazu der große Grund¬ besitz, welcher durch Capital und Einfluß die übrigen producirenden Thätigkeiten beherrscht. Während er conservativ stimmt, erhält noch ein anderer Umstand das Gemüth des Volkes loyal. Das Haus der Hohenzollern hat durch Glück und Kraft die auseinanderliegenden Landestheile zusammengefaßt. An den Persön- lichkeiten dieses Hauses hängen die historischen Erinnerungen und das Selbstge¬ fühl der einzelnen Provinzen. Der große Kurfürst, Friedrich II., Friedrich Wil¬ helm III. sind in der That die Helden der preußischen Volksstämme. Was war die Provinz Preußen, bevor sie dem Königreiche ihren Namen gab? Was war Schlesien, bevor die gewaltsame Besitzergreifung des zweiten Friedrichs ihm das Bewußtsein einer staatlichen Existenz einschlug? Und selbst die neuen Theile des Staates, welche nicht den alten Kriegsruhm der Hohenzollern für den ihrigen halten, haben die Empfindung, durch die Person eines Fürsten an ein großes Ganze gefesselt zu sein und freuen sich ihren schwächeren Nachbarn gegenüber we¬ nigstens über die größere Kraft, von welcher sie ein Theil sind. Solche loyale Erinnerungen aber können in einer Staatskrisis, wie die letzte war, ans lange viel¬ leicht für immer verschüttet werden, wenn Preußen nicht Eines besäße, die Or¬ ganisation seines Heerwesens, die populärste aller seiner Institutionen. Der Kriegs¬ dienst, die Landwehr, machen den Preußen loyal. Das letzte Jahr hat dies schlagend bewiesen. Wo die Landwehr zusammengezogen wurde, selbst in solchen Gegenden, welche durch demokratische Agenten ganz unterwühlt schienen, bedürfte es nur eines Marsches von zwei bis drei Tagen, um Subordination einzuführen und die lebhaften Gefühle eines militärischen Patriotismus zu entflammen. Das war in Sachsen und in der Rheinprovinz eben so gut der Fall als in Pommern und Schlesien. Wie mau auch die Formen, in welche» sich dies militärische Preu- ßenthum äußerte, beurtheilen will, den Grund dieser Gefühle soll man nicht ta¬ deln. Für den einfachen Sohn des Volkes ist in Preußen sein Soldateuthum das Höchste und Edelste was er kennt, in ihm wurzelt sein Idealismus, sein Verständniß des Staates, als eines großen Ganzen, dem er als ein kleiner, aber schmucker Theil angehört. Wir Kulturmenschen können uus nicht leicht in die Empfindungen und Vorstellungen versetzen, welche dem Banersvhn oder dem jun¬ gen Handwerker komme», wenn er Soldat wird. Aus dem kleinen Raum, in dem er den Dreschflegel oder die Axt führte, tritt er ans einmal in eine Gemeinschaft mit Tausenden, in eine festgeregelte und wieder gemüthliche Beziehung zu den höchsten Gewalten des Staates. Zu den stolzesten Momenten seines Lebens gehört der, wo er mit seinem Ar¬ meecorps in Parade, oder manövrirend vor seinem General oder dem Könige sich ^igt. In solchen Stunden geht ihm aber nicht »Ur el» Verständniß ans des Znsam?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/209>, abgerufen am 15.01.2025.