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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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chung ihrer Luftschlösser bedeutete, erhoben sich die Südslaven, und packten den
stolzen Magyar von hinten bei den lockigen Haaren, während er von vorn den
Kanonen und Bayonetteu des Kaisers trotzte. Nach dem Tedeum über die be¬
siegte Revolution wird man den dienstreichen Aberglauben schon zu bannen oder
mit patriarchalischer Schlauheit zu benutzen wissen. Es kommt ja nur auf die Aus¬
legung a". Wo die Gleichberechtigung Schläge einbringt, wird sie gewissenhaft be¬
obachtet. Ich spreche von Schlägen im buchstäblichen Sinn des Wortes. Die
Deutschöstrcicher wären reif oder doch zahm genug, um die Abschaffung der To¬
desstrafe zu vertragen, allein die Geschichte hat sie mit Völkern zusammengekoppelt,
so kindlich, so waldursprünglich, daß sie die väterliche Liebkosung mit Stock und
Peitsche nicht wohl entbehren können. Als die Kroaten unter dem ritterlichen
Baums im October 1848 durch Ungarn zogen, wurden im Lager von Jellachich
jeden Tag durchschnittlich "tausend Prügeln ausgetheilt," um die Helden von Ba-
naticn an einige Mäßigkeit im Rauben und Stehlen zu gewöhnen"). Mit welchem
Erfolge weiß ich nicht, aber die Nothwendigkeit des Harems scheint vorhanden.
Soll man nun die Enkel von Held Marko Obrenovitsch, die Söhne der Römer
und Dacier allein prügeln und die Deutschen nicht? Das würde die Gleichbe¬
rechtigung verletzen. Also hat der Wiener Freiwillige bei Custozza, der deutsche
Sieger von Novara und der Erstürmer Wiens die Ehre des Haslingers sich zurück¬
erobert, die ihm der Leichtsinn revolutionärer Studenten rauben wollte. Wieder
pfeift der Haselstock durch die Lüfte und glorreich, wie in der guten alten Zeit,
sausen die Spießruthen auf den Rücken der "über alles Lob erhabenen Armee"
hernieder. Der Kroäk und der Serbe, der Walach und Ruthenc, sie lausen mit
Wollust ihre Spießruthen, sofern sie nur wissen, daß auch für die Kinder der
verhaßten deutschen Schulmeister ein gleichberechtigtes Birkenwäldchen gewachsen ist.

Jetzt packt euch, ihr garstigen Geschichten ans Wien! Wozu geh ich auf Reisen,
als um euch aus dem Sinn zu schütteln! Rospiui hat sich auf eine Bank hingestreckt
und lächelt noch im Schlaf den Himmel selbstgefällig an. "Schaumich an, goldene
Sonne, ich bin ein Wiener!" Ich versteh ihn jetzt. Voriges Jahr war er radi¬
kal mit den Studenten, mit den Ministein und dem Kaiser, und wenn er sich in
der schmucken Nationalgarten-Uniform im Spiegel besah oder gar im Takt des
Strauß'schen Marsches über den Graben und Kohlmarkt marschirte, so jubelte sein
Herz und sagte: "Es gibt nur ein Wien und von hier muß die Freiheit und
Einheit ausgehen, denn wo wird schöner marschirt, musizirt und revvlutionirt?
Deutschland bewundert, der Osten fürchtet uns. Wien wird die Hauptstadt der
Welt!" -- Heuer hat er die Uniform ausgezogen und den Radikalismus auch,
nur ein bischen Slavenhaß klebt ihm noch von damals an. Statt für die seu-



*) Faktisch. ES stand in den aufgefangenen Briefen kaiserlicher Offiziere, die den Feldzug
unter dem Barus mitmachten.

chung ihrer Luftschlösser bedeutete, erhoben sich die Südslaven, und packten den
stolzen Magyar von hinten bei den lockigen Haaren, während er von vorn den
Kanonen und Bayonetteu des Kaisers trotzte. Nach dem Tedeum über die be¬
siegte Revolution wird man den dienstreichen Aberglauben schon zu bannen oder
mit patriarchalischer Schlauheit zu benutzen wissen. Es kommt ja nur auf die Aus¬
legung a». Wo die Gleichberechtigung Schläge einbringt, wird sie gewissenhaft be¬
obachtet. Ich spreche von Schlägen im buchstäblichen Sinn des Wortes. Die
Deutschöstrcicher wären reif oder doch zahm genug, um die Abschaffung der To¬
desstrafe zu vertragen, allein die Geschichte hat sie mit Völkern zusammengekoppelt,
so kindlich, so waldursprünglich, daß sie die väterliche Liebkosung mit Stock und
Peitsche nicht wohl entbehren können. Als die Kroaten unter dem ritterlichen
Baums im October 1848 durch Ungarn zogen, wurden im Lager von Jellachich
jeden Tag durchschnittlich „tausend Prügeln ausgetheilt," um die Helden von Ba-
naticn an einige Mäßigkeit im Rauben und Stehlen zu gewöhnen"). Mit welchem
Erfolge weiß ich nicht, aber die Nothwendigkeit des Harems scheint vorhanden.
Soll man nun die Enkel von Held Marko Obrenovitsch, die Söhne der Römer
und Dacier allein prügeln und die Deutschen nicht? Das würde die Gleichbe¬
rechtigung verletzen. Also hat der Wiener Freiwillige bei Custozza, der deutsche
Sieger von Novara und der Erstürmer Wiens die Ehre des Haslingers sich zurück¬
erobert, die ihm der Leichtsinn revolutionärer Studenten rauben wollte. Wieder
pfeift der Haselstock durch die Lüfte und glorreich, wie in der guten alten Zeit,
sausen die Spießruthen auf den Rücken der „über alles Lob erhabenen Armee"
hernieder. Der Kroäk und der Serbe, der Walach und Ruthenc, sie lausen mit
Wollust ihre Spießruthen, sofern sie nur wissen, daß auch für die Kinder der
verhaßten deutschen Schulmeister ein gleichberechtigtes Birkenwäldchen gewachsen ist.

Jetzt packt euch, ihr garstigen Geschichten ans Wien! Wozu geh ich auf Reisen,
als um euch aus dem Sinn zu schütteln! Rospiui hat sich auf eine Bank hingestreckt
und lächelt noch im Schlaf den Himmel selbstgefällig an. „Schaumich an, goldene
Sonne, ich bin ein Wiener!" Ich versteh ihn jetzt. Voriges Jahr war er radi¬
kal mit den Studenten, mit den Ministein und dem Kaiser, und wenn er sich in
der schmucken Nationalgarten-Uniform im Spiegel besah oder gar im Takt des
Strauß'schen Marsches über den Graben und Kohlmarkt marschirte, so jubelte sein
Herz und sagte: „Es gibt nur ein Wien und von hier muß die Freiheit und
Einheit ausgehen, denn wo wird schöner marschirt, musizirt und revvlutionirt?
Deutschland bewundert, der Osten fürchtet uns. Wien wird die Hauptstadt der
Welt!" — Heuer hat er die Uniform ausgezogen und den Radikalismus auch,
nur ein bischen Slavenhaß klebt ihm noch von damals an. Statt für die seu-



*) Faktisch. ES stand in den aufgefangenen Briefen kaiserlicher Offiziere, die den Feldzug
unter dem Barus mitmachten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/193>, abgerufen am 15.01.2025.