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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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höchstens fünfzig Jahre schätzen, Mein er steht bereits an der Schwelle der siebzig.
Seine Kleidung war die nationale Tracht, einfach und prunklos. Das Unter¬
jäckchen vou roth und weiß gestreifter Seide, der kurzärmlige Spencer dar¬
über die weiten Pluderhosen und die knappen Kamaschen von feinem, dunkel¬
blauem Tuch, mit schwarzen Schnüren besetzt. Das Haupt bedeckte ein niedriger
Fez; die rothen Leberschuhe waren im Sitzen abgestreift und ließen gutmüthige
blauwollene Fnßsockeu hervorsehen. Ans dem rothen, goldgestickten Gurt ragte
die große Pistole.

Pferdegetrappel scholl von dem holprigen Pflaster der Varos-Kapi herüber.
Der Kops einer reizenden jungen Frau bog sich aus des Hauses letztem Fenster
neugierig nach der Straße. Ein griechisches Profil, alabasterner Teint und rosige
Wangen, die mir allerdings geschminkt schienen; über den brennenden schwarzen
Augen rollten sich zwei feine, pechschwarze Brauen, das lange glänzende Haar war
in Flechten um ein rothes TuclMppchen gewunden, vor dem eine schwere Gold-
troddcl auf den schwarzen Sammet des zobelverbrämtcu Jäckchens herabhing. Der
Körper schien so schön zu sein, als ihr Antlitz.

"Das ist mein Weib" bemerkte Wucic mit schlauem Augenzwinkern. Es ließ
sich nicht bestreiten, der Herr Woiwvde hatte gut gefreit, man erzählte sich in Bel¬
grad, daß er sich viel aus die schöne Frau einbildet. -- Aber der Dame des Hau¬
ses Fremde vorzustellen, ist in den serbischen Familien nicht Sitte: ich mußte da¬
her aus das Vergnügen verzichten, die Omphale dieses serbischen Herkules in der
Nähe zu bewundern.

"Sieh dorthin" fuhr mein würdiger Gastfreund nach der Straße deutend fort--
"dort kommt unser Fürst, Herr Alexander Karageorgevic geritten!"

An der Spitze von sechs Reitern ritt auf einem türkischen Fliegenschimmel
Fürst Alexander, ein hoher, robuster Mann in den Dreißigern, von brünetter Ge¬
sichtsfarbe mit kurzverschnittenem Haar und einem langen braunen Schnurrbart.
Der blaue Rock mit schwarzen Brustschnürcu, graue Pantelvns mit breiter Gold¬
borte, ein rother Fez, eine Reitgerte und gelbe Glacehandschuh geben der ganzen
Figur das Aussehn eines gedienten Rittmeisters von den Cuirassiren. Sein Adjutant,
der ihm zunächst folgte, war in reicher überladener Uniform mit vollen goldenen
Epauletts und Fangschnüren, silberner Schärpe und einer breiten Borte an der
Feldmütze. -- Wucic erhob sich grüßend und der Fürst nickte freundlich, die Hand
am Fez militärisch salutireud.

"Ein stattlicher Mann, unser Fürst" -- erklärte Wucic, als die Reiter vorbei
waren -- und herzensgut, manchmal zu gut und zu weich. Unsere Leute lieben
'hu vou Herzen und selbst die Türken, welche hier in Belgrad wohnen, haben Zu¬
bauen zu ihm, mehr als zu ihrem eigenen Kadi, der über sie gesetzt ist, oder zu
ihrem Pascha, der dort oben auf der Festung sanft, seit sich der alte Milos mit
den Türken verglichen hat; und diese sind doch ihres Glaubens. Ost kommen die


höchstens fünfzig Jahre schätzen, Mein er steht bereits an der Schwelle der siebzig.
Seine Kleidung war die nationale Tracht, einfach und prunklos. Das Unter¬
jäckchen vou roth und weiß gestreifter Seide, der kurzärmlige Spencer dar¬
über die weiten Pluderhosen und die knappen Kamaschen von feinem, dunkel¬
blauem Tuch, mit schwarzen Schnüren besetzt. Das Haupt bedeckte ein niedriger
Fez; die rothen Leberschuhe waren im Sitzen abgestreift und ließen gutmüthige
blauwollene Fnßsockeu hervorsehen. Ans dem rothen, goldgestickten Gurt ragte
die große Pistole.

Pferdegetrappel scholl von dem holprigen Pflaster der Varos-Kapi herüber.
Der Kops einer reizenden jungen Frau bog sich aus des Hauses letztem Fenster
neugierig nach der Straße. Ein griechisches Profil, alabasterner Teint und rosige
Wangen, die mir allerdings geschminkt schienen; über den brennenden schwarzen
Augen rollten sich zwei feine, pechschwarze Brauen, das lange glänzende Haar war
in Flechten um ein rothes TuclMppchen gewunden, vor dem eine schwere Gold-
troddcl auf den schwarzen Sammet des zobelverbrämtcu Jäckchens herabhing. Der
Körper schien so schön zu sein, als ihr Antlitz.

„Das ist mein Weib" bemerkte Wucic mit schlauem Augenzwinkern. Es ließ
sich nicht bestreiten, der Herr Woiwvde hatte gut gefreit, man erzählte sich in Bel¬
grad, daß er sich viel aus die schöne Frau einbildet. — Aber der Dame des Hau¬
ses Fremde vorzustellen, ist in den serbischen Familien nicht Sitte: ich mußte da¬
her aus das Vergnügen verzichten, die Omphale dieses serbischen Herkules in der
Nähe zu bewundern.

„Sieh dorthin" fuhr mein würdiger Gastfreund nach der Straße deutend fort—
„dort kommt unser Fürst, Herr Alexander Karageorgevic geritten!"

An der Spitze von sechs Reitern ritt auf einem türkischen Fliegenschimmel
Fürst Alexander, ein hoher, robuster Mann in den Dreißigern, von brünetter Ge¬
sichtsfarbe mit kurzverschnittenem Haar und einem langen braunen Schnurrbart.
Der blaue Rock mit schwarzen Brustschnürcu, graue Pantelvns mit breiter Gold¬
borte, ein rother Fez, eine Reitgerte und gelbe Glacehandschuh geben der ganzen
Figur das Aussehn eines gedienten Rittmeisters von den Cuirassiren. Sein Adjutant,
der ihm zunächst folgte, war in reicher überladener Uniform mit vollen goldenen
Epauletts und Fangschnüren, silberner Schärpe und einer breiten Borte an der
Feldmütze. — Wucic erhob sich grüßend und der Fürst nickte freundlich, die Hand
am Fez militärisch salutireud.

„Ein stattlicher Mann, unser Fürst" — erklärte Wucic, als die Reiter vorbei
waren — und herzensgut, manchmal zu gut und zu weich. Unsere Leute lieben
'hu vou Herzen und selbst die Türken, welche hier in Belgrad wohnen, haben Zu¬
bauen zu ihm, mehr als zu ihrem eigenen Kadi, der über sie gesetzt ist, oder zu
ihrem Pascha, der dort oben auf der Festung sanft, seit sich der alte Milos mit
den Türken verglichen hat; und diese sind doch ihres Glaubens. Ost kommen die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/19>, abgerufen am 15.01.2025.