Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.höchstens fünfzig Jahre schätzen, Mein er steht bereits an der Schwelle der siebzig. Pferdegetrappel scholl von dem holprigen Pflaster der Varos-Kapi herüber. "Das ist mein Weib" bemerkte Wucic mit schlauem Augenzwinkern. Es ließ "Sieh dorthin" fuhr mein würdiger Gastfreund nach der Straße deutend fort-- An der Spitze von sechs Reitern ritt auf einem türkischen Fliegenschimmel "Ein stattlicher Mann, unser Fürst" -- erklärte Wucic, als die Reiter vorbei höchstens fünfzig Jahre schätzen, Mein er steht bereits an der Schwelle der siebzig. Pferdegetrappel scholl von dem holprigen Pflaster der Varos-Kapi herüber. „Das ist mein Weib" bemerkte Wucic mit schlauem Augenzwinkern. Es ließ „Sieh dorthin" fuhr mein würdiger Gastfreund nach der Straße deutend fort— An der Spitze von sechs Reitern ritt auf einem türkischen Fliegenschimmel „Ein stattlicher Mann, unser Fürst" — erklärte Wucic, als die Reiter vorbei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279567"/> <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> höchstens fünfzig Jahre schätzen, Mein er steht bereits an der Schwelle der siebzig.<lb/> Seine Kleidung war die nationale Tracht, einfach und prunklos. Das Unter¬<lb/> jäckchen vou roth und weiß gestreifter Seide, der kurzärmlige Spencer dar¬<lb/> über die weiten Pluderhosen und die knappen Kamaschen von feinem, dunkel¬<lb/> blauem Tuch, mit schwarzen Schnüren besetzt. Das Haupt bedeckte ein niedriger<lb/> Fez; die rothen Leberschuhe waren im Sitzen abgestreift und ließen gutmüthige<lb/> blauwollene Fnßsockeu hervorsehen. Ans dem rothen, goldgestickten Gurt ragte<lb/> die große Pistole.</p><lb/> <p xml:id="ID_59"> Pferdegetrappel scholl von dem holprigen Pflaster der Varos-Kapi herüber.<lb/> Der Kops einer reizenden jungen Frau bog sich aus des Hauses letztem Fenster<lb/> neugierig nach der Straße. Ein griechisches Profil, alabasterner Teint und rosige<lb/> Wangen, die mir allerdings geschminkt schienen; über den brennenden schwarzen<lb/> Augen rollten sich zwei feine, pechschwarze Brauen, das lange glänzende Haar war<lb/> in Flechten um ein rothes TuclMppchen gewunden, vor dem eine schwere Gold-<lb/> troddcl auf den schwarzen Sammet des zobelverbrämtcu Jäckchens herabhing. Der<lb/> Körper schien so schön zu sein, als ihr Antlitz.</p><lb/> <p xml:id="ID_60"> „Das ist mein Weib" bemerkte Wucic mit schlauem Augenzwinkern. Es ließ<lb/> sich nicht bestreiten, der Herr Woiwvde hatte gut gefreit, man erzählte sich in Bel¬<lb/> grad, daß er sich viel aus die schöne Frau einbildet. — Aber der Dame des Hau¬<lb/> ses Fremde vorzustellen, ist in den serbischen Familien nicht Sitte: ich mußte da¬<lb/> her aus das Vergnügen verzichten, die Omphale dieses serbischen Herkules in der<lb/> Nähe zu bewundern.</p><lb/> <p xml:id="ID_61"> „Sieh dorthin" fuhr mein würdiger Gastfreund nach der Straße deutend fort—<lb/> „dort kommt unser Fürst, Herr Alexander Karageorgevic geritten!"</p><lb/> <p xml:id="ID_62"> An der Spitze von sechs Reitern ritt auf einem türkischen Fliegenschimmel<lb/> Fürst Alexander, ein hoher, robuster Mann in den Dreißigern, von brünetter Ge¬<lb/> sichtsfarbe mit kurzverschnittenem Haar und einem langen braunen Schnurrbart.<lb/> Der blaue Rock mit schwarzen Brustschnürcu, graue Pantelvns mit breiter Gold¬<lb/> borte, ein rother Fez, eine Reitgerte und gelbe Glacehandschuh geben der ganzen<lb/> Figur das Aussehn eines gedienten Rittmeisters von den Cuirassiren. Sein Adjutant,<lb/> der ihm zunächst folgte, war in reicher überladener Uniform mit vollen goldenen<lb/> Epauletts und Fangschnüren, silberner Schärpe und einer breiten Borte an der<lb/> Feldmütze. — Wucic erhob sich grüßend und der Fürst nickte freundlich, die Hand<lb/> am Fez militärisch salutireud.</p><lb/> <p xml:id="ID_63" next="#ID_64"> „Ein stattlicher Mann, unser Fürst" — erklärte Wucic, als die Reiter vorbei<lb/> waren — und herzensgut, manchmal zu gut und zu weich. Unsere Leute lieben<lb/> 'hu vou Herzen und selbst die Türken, welche hier in Belgrad wohnen, haben Zu¬<lb/> bauen zu ihm, mehr als zu ihrem eigenen Kadi, der über sie gesetzt ist, oder zu<lb/> ihrem Pascha, der dort oben auf der Festung sanft, seit sich der alte Milos mit<lb/> den Türken verglichen hat; und diese sind doch ihres Glaubens. Ost kommen die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
höchstens fünfzig Jahre schätzen, Mein er steht bereits an der Schwelle der siebzig.
Seine Kleidung war die nationale Tracht, einfach und prunklos. Das Unter¬
jäckchen vou roth und weiß gestreifter Seide, der kurzärmlige Spencer dar¬
über die weiten Pluderhosen und die knappen Kamaschen von feinem, dunkel¬
blauem Tuch, mit schwarzen Schnüren besetzt. Das Haupt bedeckte ein niedriger
Fez; die rothen Leberschuhe waren im Sitzen abgestreift und ließen gutmüthige
blauwollene Fnßsockeu hervorsehen. Ans dem rothen, goldgestickten Gurt ragte
die große Pistole.
Pferdegetrappel scholl von dem holprigen Pflaster der Varos-Kapi herüber.
Der Kops einer reizenden jungen Frau bog sich aus des Hauses letztem Fenster
neugierig nach der Straße. Ein griechisches Profil, alabasterner Teint und rosige
Wangen, die mir allerdings geschminkt schienen; über den brennenden schwarzen
Augen rollten sich zwei feine, pechschwarze Brauen, das lange glänzende Haar war
in Flechten um ein rothes TuclMppchen gewunden, vor dem eine schwere Gold-
troddcl auf den schwarzen Sammet des zobelverbrämtcu Jäckchens herabhing. Der
Körper schien so schön zu sein, als ihr Antlitz.
„Das ist mein Weib" bemerkte Wucic mit schlauem Augenzwinkern. Es ließ
sich nicht bestreiten, der Herr Woiwvde hatte gut gefreit, man erzählte sich in Bel¬
grad, daß er sich viel aus die schöne Frau einbildet. — Aber der Dame des Hau¬
ses Fremde vorzustellen, ist in den serbischen Familien nicht Sitte: ich mußte da¬
her aus das Vergnügen verzichten, die Omphale dieses serbischen Herkules in der
Nähe zu bewundern.
„Sieh dorthin" fuhr mein würdiger Gastfreund nach der Straße deutend fort—
„dort kommt unser Fürst, Herr Alexander Karageorgevic geritten!"
An der Spitze von sechs Reitern ritt auf einem türkischen Fliegenschimmel
Fürst Alexander, ein hoher, robuster Mann in den Dreißigern, von brünetter Ge¬
sichtsfarbe mit kurzverschnittenem Haar und einem langen braunen Schnurrbart.
Der blaue Rock mit schwarzen Brustschnürcu, graue Pantelvns mit breiter Gold¬
borte, ein rother Fez, eine Reitgerte und gelbe Glacehandschuh geben der ganzen
Figur das Aussehn eines gedienten Rittmeisters von den Cuirassiren. Sein Adjutant,
der ihm zunächst folgte, war in reicher überladener Uniform mit vollen goldenen
Epauletts und Fangschnüren, silberner Schärpe und einer breiten Borte an der
Feldmütze. — Wucic erhob sich grüßend und der Fürst nickte freundlich, die Hand
am Fez militärisch salutireud.
„Ein stattlicher Mann, unser Fürst" — erklärte Wucic, als die Reiter vorbei
waren — und herzensgut, manchmal zu gut und zu weich. Unsere Leute lieben
'hu vou Herzen und selbst die Türken, welche hier in Belgrad wohnen, haben Zu¬
bauen zu ihm, mehr als zu ihrem eigenen Kadi, der über sie gesetzt ist, oder zu
ihrem Pascha, der dort oben auf der Festung sanft, seit sich der alte Milos mit
den Türken verglichen hat; und diese sind doch ihres Glaubens. Ost kommen die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |