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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Reisetagebnch aus dem östreichischen Oberland.



1. Die Donau.

Halbwegs zwischen Wien und Linz beginnen die Donauufer sich zu ansehn¬
lichen, laubwaldrauschenden Hügeln zu erheben. Wir verzichteten auf den Schutz
des Verdeckzeltes und ließen uns in der Nähe des Steuerrades auf Feldstühlen
nieder, um die Aussicht auf die schöne Thallandschaft vollständig zu genießen.
An Muße dazu fehlte es nicht, da wir stromaufwärts dampften. Meine Reisege-
fährten waren mir fremd; der erste, der sich mir freundlich näherte, war ein Wiener
Bürger und Hofparsümeriehändler, Namens Rvspini, welcher trotz seines wat^
scheu Namens das reinste Lerchenfelder Deutsch sprach. Er bot mir eine Cigarre
an, "weil die Natur gar nicht schmecke, wenn man sie nur so mit leerem Maul
anschaue," stopfte sich selbst die behaglichere Meerschaumpfeife und spannte gegen die
Sonne einen großen grünen Regenschirm aus. Wir sprachen vou Naturschönheiten
im Allgemeinen und ich erzählte von meinen Spazierreisen. "Na," sagte er, "ich
denk', der berühmte freie deutsche Rhein ist nicht um ein Tröpferl schöner wie
unsere Donau." -- "Sie haben den Rhein wohl öfters befahren?" fragte ich.--
"Kein einzig" Mal," und er zeigte, vertraulich lächelnd, die großen perlweißen
Zähne; "bin in meinem Leben nicht draußen gewesen. Ich hab immer gehört,
ein Oestreicher braucht kein' Schritt aus'in Land zu thun, um was Besondres
schaun, und das muß wahr sein. Was kann's denn dort mehr geben wie hier?
A Wasser und a Berg, a Berg und a Wasser! S'Gold wachst dort ah uit auf
die Banner und mit'n Wein muß sich der Bauer plagen wie bei uns. Wie sin-
den's denn diese Partie?" -- "Reizend!" -- "Nun also! Ich kann Sie versichern,
denn mir Haben's Viele gesagt, die draußen waren, und ich glaub's: vom Rhein
machen die Leut nur so viel Wesens, weil er ein Ausländer ist, aber unsere
Donau ist grad so schön." -- "Und Sau ') ist grad so schön wie Donan." Mit
diesen Worten mischte sich ein Mann ans dem dritten Feldstuhl in's Gespräch; ein
beleibter Gesell mit braunem, fettglänzenden Gesicht und rothem Fes auf dein
Kopf. "Och!" fuhr er begeistert fort und mit den Lippen schmatzend: "Dos ist
Land! Wein umsonst, Kukurutzso hoch wie ich, und die Schwein'! Da sein
so fette Morast, wo sie drin liegen und füttern sich. Hoden's ein' Speck im
Leib, so dick, daß manchmol ist ganzes Monat ein Rattennest uuter die Haut,
und Schwein spürt nix." -- "Gar nix?" fragte der Wiener. -- "Ja, wundert




**) Mais.
*) Die save.
Grenzboten. IV. 1849.2><1
Reisetagebnch aus dem östreichischen Oberland.



1. Die Donau.

Halbwegs zwischen Wien und Linz beginnen die Donauufer sich zu ansehn¬
lichen, laubwaldrauschenden Hügeln zu erheben. Wir verzichteten auf den Schutz
des Verdeckzeltes und ließen uns in der Nähe des Steuerrades auf Feldstühlen
nieder, um die Aussicht auf die schöne Thallandschaft vollständig zu genießen.
An Muße dazu fehlte es nicht, da wir stromaufwärts dampften. Meine Reisege-
fährten waren mir fremd; der erste, der sich mir freundlich näherte, war ein Wiener
Bürger und Hofparsümeriehändler, Namens Rvspini, welcher trotz seines wat^
scheu Namens das reinste Lerchenfelder Deutsch sprach. Er bot mir eine Cigarre
an, „weil die Natur gar nicht schmecke, wenn man sie nur so mit leerem Maul
anschaue," stopfte sich selbst die behaglichere Meerschaumpfeife und spannte gegen die
Sonne einen großen grünen Regenschirm aus. Wir sprachen vou Naturschönheiten
im Allgemeinen und ich erzählte von meinen Spazierreisen. „Na," sagte er, „ich
denk', der berühmte freie deutsche Rhein ist nicht um ein Tröpferl schöner wie
unsere Donau." — „Sie haben den Rhein wohl öfters befahren?" fragte ich.—
«Kein einzig« Mal," und er zeigte, vertraulich lächelnd, die großen perlweißen
Zähne; „bin in meinem Leben nicht draußen gewesen. Ich hab immer gehört,
ein Oestreicher braucht kein' Schritt aus'in Land zu thun, um was Besondres
schaun, und das muß wahr sein. Was kann's denn dort mehr geben wie hier?
A Wasser und a Berg, a Berg und a Wasser! S'Gold wachst dort ah uit auf
die Banner und mit'n Wein muß sich der Bauer plagen wie bei uns. Wie sin-
den's denn diese Partie?" — „Reizend!" — „Nun also! Ich kann Sie versichern,
denn mir Haben's Viele gesagt, die draußen waren, und ich glaub's: vom Rhein
machen die Leut nur so viel Wesens, weil er ein Ausländer ist, aber unsere
Donau ist grad so schön." — „Und Sau ') ist grad so schön wie Donan." Mit
diesen Worten mischte sich ein Mann ans dem dritten Feldstuhl in's Gespräch; ein
beleibter Gesell mit braunem, fettglänzenden Gesicht und rothem Fes auf dein
Kopf. „Och!" fuhr er begeistert fort und mit den Lippen schmatzend: „Dos ist
Land! Wein umsonst, Kukurutzso hoch wie ich, und die Schwein'! Da sein
so fette Morast, wo sie drin liegen und füttern sich. Hoden's ein' Speck im
Leib, so dick, daß manchmol ist ganzes Monat ein Rattennest uuter die Haut,
und Schwein spürt nix." — „Gar nix?" fragte der Wiener. — „Ja, wundert




**) Mais.
*) Die save.
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[0189] Reisetagebnch aus dem östreichischen Oberland. 1. Die Donau. Halbwegs zwischen Wien und Linz beginnen die Donauufer sich zu ansehn¬ lichen, laubwaldrauschenden Hügeln zu erheben. Wir verzichteten auf den Schutz des Verdeckzeltes und ließen uns in der Nähe des Steuerrades auf Feldstühlen nieder, um die Aussicht auf die schöne Thallandschaft vollständig zu genießen. An Muße dazu fehlte es nicht, da wir stromaufwärts dampften. Meine Reisege- fährten waren mir fremd; der erste, der sich mir freundlich näherte, war ein Wiener Bürger und Hofparsümeriehändler, Namens Rvspini, welcher trotz seines wat^ scheu Namens das reinste Lerchenfelder Deutsch sprach. Er bot mir eine Cigarre an, „weil die Natur gar nicht schmecke, wenn man sie nur so mit leerem Maul anschaue," stopfte sich selbst die behaglichere Meerschaumpfeife und spannte gegen die Sonne einen großen grünen Regenschirm aus. Wir sprachen vou Naturschönheiten im Allgemeinen und ich erzählte von meinen Spazierreisen. „Na," sagte er, „ich denk', der berühmte freie deutsche Rhein ist nicht um ein Tröpferl schöner wie unsere Donau." — „Sie haben den Rhein wohl öfters befahren?" fragte ich.— «Kein einzig« Mal," und er zeigte, vertraulich lächelnd, die großen perlweißen Zähne; „bin in meinem Leben nicht draußen gewesen. Ich hab immer gehört, ein Oestreicher braucht kein' Schritt aus'in Land zu thun, um was Besondres schaun, und das muß wahr sein. Was kann's denn dort mehr geben wie hier? A Wasser und a Berg, a Berg und a Wasser! S'Gold wachst dort ah uit auf die Banner und mit'n Wein muß sich der Bauer plagen wie bei uns. Wie sin- den's denn diese Partie?" — „Reizend!" — „Nun also! Ich kann Sie versichern, denn mir Haben's Viele gesagt, die draußen waren, und ich glaub's: vom Rhein machen die Leut nur so viel Wesens, weil er ein Ausländer ist, aber unsere Donau ist grad so schön." — „Und Sau ') ist grad so schön wie Donan." Mit diesen Worten mischte sich ein Mann ans dem dritten Feldstuhl in's Gespräch; ein beleibter Gesell mit braunem, fettglänzenden Gesicht und rothem Fes auf dein Kopf. „Och!" fuhr er begeistert fort und mit den Lippen schmatzend: „Dos ist Land! Wein umsonst, Kukurutzso hoch wie ich, und die Schwein'! Da sein so fette Morast, wo sie drin liegen und füttern sich. Hoden's ein' Speck im Leib, so dick, daß manchmol ist ganzes Monat ein Rattennest uuter die Haut, und Schwein spürt nix." — „Gar nix?" fragte der Wiener. — „Ja, wundert **) Mais. *) Die save. Grenzboten. IV. 1849.2><1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/189>, abgerufen am 15.01.2025.