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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Wirkung gehabt, die üprozentigen Metalliques um einige Prozente herunter zu
drücken. Und doch sehen die Bedingungen dieser Anleihe bereits einem Selbst¬
mord des Staates sehr ähnlich. -- Jetzt hört man, freilich ans unsicherer Quelle,
daß die Regierung den Entschluß gefaßt hat, die Kossuthnoten für ganz ungiltig
zu erklären. Es war vorauszusehn, daß sie zuletzt zu diesem Resultat kommen
würde. Die Annullirung dieser ungarischen Jnsurrectionsscheine vernichtet aller¬
dings das ganze kleine Verkehrsleben von Ungarn, und gibt Tausende von Fami¬
lien der Verzweiflung, ja dem Hungertode preis; aber die Regierung wird da¬
durch von einer neue" Schuldenlast befreit, deren Größe sich noch nicht übersehn
läßt. Wahrscheinlich hätten 20 Millionen Gulden hingereicht, die Noten unter
billigen Bedingungen einzulösen, wenn man die großen Summen von Kossuthnoten,
welche bereits verbrannt oder untergegangen sind, abrechnet. Für die Regierung
aber war es bequemer, mit den confiscirten Gütern der ungarischen Magnaten
die eigenen Schulden zu bezahle", als dieselben zu Gunsten Ungarns zu verwen¬
den. Sie hat nur nöthig, noch etwa zwanzig reiche Grundbesitzer, wie Graf
Batthyanv war, zu hängen und ihre Güter zu confisziren, und sie wird die
Kosten d"s ungarischen Krieges mit Zinsen heransschlagen. Allerdings hat auch
dieser Weg, von welchem das Ministerium wenigstens durch keine skrupulöse Ge¬
wissenhaftigkeit zurückgehalten wird, sein schlüßliches Bedenken. Die Regierung
hat den Krieg mit Papiergeld geführt, sie wird Erdschollen dafür zurück erhalten,
die eben so todt sind, eben so wenig Cours und Umsatz haben werden, als die
Casseuzettel des Ministeriums Schwarzenberg.

Traurig und verhängnißvoll sind die Geldverhältnisse Oestreichs. Die meisten
unserer Geschäftsfreunde im Kaiserstaat vermeiden es, Reflexionen darüber anzu¬
stellen, und vertrauen gern auf das Glück ihres Staates. Wir aber Schlesier an
der Grenze, freuen uns aus solchen Gründen nicht von ganzem Herzen darüber,
daß die Conjuncturen wieder eine rege Geschäftsverbindung zwischen uns und
dem engverbrüderten Nachbarstamm zulassen.

Der Kaiserstaat hat sich aus der Scylla, aus den ungarischen Säbeln gerettet,
er schwankt jetzt in der Charybdis, dem Strudel der Börsencourse. Jetzt ist der
Kaufmann Herr über Leben und Tod eines großen Reiches geworden und von
den Federstrichen, welche in einer finstern, verstaubten Comptoirstube zu Frankfurt,
Amsterdam oder London überlegt werden, hängt jetzt das Schicksal der Habsburger
und ihrer Regierung ab. Die neue Gefahr Oestreichs ist größer als die alte.
Wie aber auch der Staat der Habsburger sich aus dieser finanziellen Brandung
rette, Finanzminister v. Kraus ist nicht "der Odysseus, welcher dem Fahrzeug her¬
aushilft. --




Wirkung gehabt, die üprozentigen Metalliques um einige Prozente herunter zu
drücken. Und doch sehen die Bedingungen dieser Anleihe bereits einem Selbst¬
mord des Staates sehr ähnlich. — Jetzt hört man, freilich ans unsicherer Quelle,
daß die Regierung den Entschluß gefaßt hat, die Kossuthnoten für ganz ungiltig
zu erklären. Es war vorauszusehn, daß sie zuletzt zu diesem Resultat kommen
würde. Die Annullirung dieser ungarischen Jnsurrectionsscheine vernichtet aller¬
dings das ganze kleine Verkehrsleben von Ungarn, und gibt Tausende von Fami¬
lien der Verzweiflung, ja dem Hungertode preis; aber die Regierung wird da¬
durch von einer neue» Schuldenlast befreit, deren Größe sich noch nicht übersehn
läßt. Wahrscheinlich hätten 20 Millionen Gulden hingereicht, die Noten unter
billigen Bedingungen einzulösen, wenn man die großen Summen von Kossuthnoten,
welche bereits verbrannt oder untergegangen sind, abrechnet. Für die Regierung
aber war es bequemer, mit den confiscirten Gütern der ungarischen Magnaten
die eigenen Schulden zu bezahle«, als dieselben zu Gunsten Ungarns zu verwen¬
den. Sie hat nur nöthig, noch etwa zwanzig reiche Grundbesitzer, wie Graf
Batthyanv war, zu hängen und ihre Güter zu confisziren, und sie wird die
Kosten d«s ungarischen Krieges mit Zinsen heransschlagen. Allerdings hat auch
dieser Weg, von welchem das Ministerium wenigstens durch keine skrupulöse Ge¬
wissenhaftigkeit zurückgehalten wird, sein schlüßliches Bedenken. Die Regierung
hat den Krieg mit Papiergeld geführt, sie wird Erdschollen dafür zurück erhalten,
die eben so todt sind, eben so wenig Cours und Umsatz haben werden, als die
Casseuzettel des Ministeriums Schwarzenberg.

Traurig und verhängnißvoll sind die Geldverhältnisse Oestreichs. Die meisten
unserer Geschäftsfreunde im Kaiserstaat vermeiden es, Reflexionen darüber anzu¬
stellen, und vertrauen gern auf das Glück ihres Staates. Wir aber Schlesier an
der Grenze, freuen uns aus solchen Gründen nicht von ganzem Herzen darüber,
daß die Conjuncturen wieder eine rege Geschäftsverbindung zwischen uns und
dem engverbrüderten Nachbarstamm zulassen.

Der Kaiserstaat hat sich aus der Scylla, aus den ungarischen Säbeln gerettet,
er schwankt jetzt in der Charybdis, dem Strudel der Börsencourse. Jetzt ist der
Kaufmann Herr über Leben und Tod eines großen Reiches geworden und von
den Federstrichen, welche in einer finstern, verstaubten Comptoirstube zu Frankfurt,
Amsterdam oder London überlegt werden, hängt jetzt das Schicksal der Habsburger
und ihrer Regierung ab. Die neue Gefahr Oestreichs ist größer als die alte.
Wie aber auch der Staat der Habsburger sich aus dieser finanziellen Brandung
rette, Finanzminister v. Kraus ist nicht «der Odysseus, welcher dem Fahrzeug her¬
aushilft. —




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/188>, abgerufen am 15.01.2025.