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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Den heftigsten Stoß werden hiedurch wieder die Creditpapiere erleiden, und kein
Reichstag wird das Verfahren des Ministers billigen können!

Oestreich war immer unglücklich durch seine Finanzpatente.




Bilder aus dem Fürstenthum Serbien.



i.
Ein Besuch beim Woiwoden Wucic.

Der populärste Held Serbiens ist jetzt der alte Woiwode Thomas Wucic
Perisic (sprich: Wutschitsch Perisitsch), einer der interessantesten Charaktere, von
außen rauh und offen, und doch schlau und listig, aber in jedem Blutstropfen
Palmöl und warm für das Wohl seines Volks, das ihn liebt, wie keine seiner
übrigen politischen und kriegerischen Notabilitäten. Wucic hat sich aus niederem
Stand -- er ist eines Bauers Sohn -- zum Woiwoden und commandirenden
General von Serbien heraufgeschwungen, sein starker Arm hat die Dynastie der
Obrenovice verjagt und den Sohn des schwarzen Georg zum Herrn von Serbien
gemacht. Unter diesem sitzt der rauhe Mann als Chef des Militärwesens, manchmal
unbequem für den kleinen Hof und die Bürger von Belgrad, aber angebetet in
den Dörfern und der Landschaft.

In einer Seitenstraße der Varos-Kapi zu Belgrad liegt sein neues, freund¬
liches Wohnhaus, ein Geschoß hoch im modernen abendländischen Styl gebant,
mit einem geräumigen Balkon, den ein niederes Gitterwerk umschränkt. Ich hatte
mich ihm eine halbe Stunde vor meinem Besuch durch einen Lohnbedienten an¬
melden lassen. Zwei Diener in reicher serbischer Tracht, Pistolen und Messer im
Gürtel, empfingen mich im Hofthor, zwei andere an der breiten, mit schönen
Teppichen belegten Treppe. Diese führten mich in einen eleganten Salon von
ganz französischer Einrichtung, nur die niedern, rings an den Wänden stehenden
Sophas verriethen die Nähe des Orients. Der Bilderschmuck des tapezirten Ge¬
machs bestand in den Portraits des serbischen Fürsten Alexander, des Sultans
Abdul-Meschid, Kaiser Ferdinands von Oestreich und des rechtgläubigen Czars
aller Reussen. Man sah, der Herr des Hauses war ein Diplomat, der es mit
keinem dieser Potentaten verderben wollte.

Auf einem der seidenen Sophas saß mit gekreuzten Beinen Herr Thomas
Wucic, den langen Cibbuk im Munde; auf einem Lehnsessel vor ihm, gleichfalls
rauchend, ein junger schmächtiger Mann im schwarzen Attila, ganz nach fran¬
zösischer Mode gekleidet, einer der serbischen Staatssecretäre. Die Herren waren


Den heftigsten Stoß werden hiedurch wieder die Creditpapiere erleiden, und kein
Reichstag wird das Verfahren des Ministers billigen können!

Oestreich war immer unglücklich durch seine Finanzpatente.




Bilder aus dem Fürstenthum Serbien.



i.
Ein Besuch beim Woiwoden Wucic.

Der populärste Held Serbiens ist jetzt der alte Woiwode Thomas Wucic
Perisic (sprich: Wutschitsch Perisitsch), einer der interessantesten Charaktere, von
außen rauh und offen, und doch schlau und listig, aber in jedem Blutstropfen
Palmöl und warm für das Wohl seines Volks, das ihn liebt, wie keine seiner
übrigen politischen und kriegerischen Notabilitäten. Wucic hat sich aus niederem
Stand — er ist eines Bauers Sohn — zum Woiwoden und commandirenden
General von Serbien heraufgeschwungen, sein starker Arm hat die Dynastie der
Obrenovice verjagt und den Sohn des schwarzen Georg zum Herrn von Serbien
gemacht. Unter diesem sitzt der rauhe Mann als Chef des Militärwesens, manchmal
unbequem für den kleinen Hof und die Bürger von Belgrad, aber angebetet in
den Dörfern und der Landschaft.

In einer Seitenstraße der Varos-Kapi zu Belgrad liegt sein neues, freund¬
liches Wohnhaus, ein Geschoß hoch im modernen abendländischen Styl gebant,
mit einem geräumigen Balkon, den ein niederes Gitterwerk umschränkt. Ich hatte
mich ihm eine halbe Stunde vor meinem Besuch durch einen Lohnbedienten an¬
melden lassen. Zwei Diener in reicher serbischer Tracht, Pistolen und Messer im
Gürtel, empfingen mich im Hofthor, zwei andere an der breiten, mit schönen
Teppichen belegten Treppe. Diese führten mich in einen eleganten Salon von
ganz französischer Einrichtung, nur die niedern, rings an den Wänden stehenden
Sophas verriethen die Nähe des Orients. Der Bilderschmuck des tapezirten Ge¬
machs bestand in den Portraits des serbischen Fürsten Alexander, des Sultans
Abdul-Meschid, Kaiser Ferdinands von Oestreich und des rechtgläubigen Czars
aller Reussen. Man sah, der Herr des Hauses war ein Diplomat, der es mit
keinem dieser Potentaten verderben wollte.

Auf einem der seidenen Sophas saß mit gekreuzten Beinen Herr Thomas
Wucic, den langen Cibbuk im Munde; auf einem Lehnsessel vor ihm, gleichfalls
rauchend, ein junger schmächtiger Mann im schwarzen Attila, ganz nach fran¬
zösischer Mode gekleidet, einer der serbischen Staatssecretäre. Die Herren waren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/17>, abgerufen am 15.01.2025.