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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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So gemessen war der Befehl Haynan's, unter allen Umständen ohne Auf¬
schub bei strengster Verantwortung, die Hinrichtung zu vollziehen, daß selbst der
Entlcibungsversuch Batthyany's nur eine l.0stündige Verzögerung veranlaßte, und
mit blutendem Hälse wurde er am 6. Abends nicht gehängt, sondern erschossen,
"ans Rücksichten des Publikums und der Menschlichkeit," wie die Publikation
lautet.

Die Todtenfeier für Latour wurde in Wien nicht gestattet, um keine aufre¬
gende Demonstrationen zu veranlassen; mit guter Hoffnung vernahm man diese
Aeußerung, und auch der Kaiser soll gewünscht haben, das Vergangene vergesse"
zu lassen. Hayuau aber feierte den 6. October mit diesen Executivue>?.

Das ist kaiserliche Anarchie!


^ ^ ^


Der V. October des Jahres lKAS.
Aus Wien.

Es wird mir schwer fallen, über die massenhaften Hinrichtungen in Arad und
Pesth ein ruhiges Wort zu Papier zu bringe". Mildern Sie an meinen Aus¬
drücken, wenn Sie es vermögen. Wir glaubten schon unsere Nerven bis zur Fühl-
losigkeit abgestumpft, daun und wann fühlten wir etwas wie Milch der frommen
Denkungsart, wie gesundes fieberfreies Blut in unsern Adern rinnen, -- aber
nein, es scheint in den Sternen geschrieben, daß es in Oestreich kei"e Versöhnung,
keinen Frieden der Gemüther mehr geben soll!

Der 0. October 1848 hat in der ganze" Mo"arabic Entsetzen verbreitet, der
ti. October 1849 wird nicht minder schwarz im östreichischen Kalender angestri¬
chen bleiben. Konnte man die Jahresfeier des unglückseligen Tages nicht passen¬
der begehen als durch eine That der erbarmungslosesten Härte? Neu" Galge"
u"d vier blutige Sandhaufen in Arad, zwei Blutstätteu und seitdem zur Abwechs¬
lung wieder drei Galgen in Pesth! Der Eindruck, welchen hier diese Justiz i"
allen Schichten der Gesellschaft, vom Schiffzieher bis zum Hausbesitzer, bei allen
Parteien, von dem Leser der "Geißel" bis zu dem der "Ostdeutschen Post," ja selbst
unter gebildeteren Offiziere" hervorbrachte, ist unbeschreiblich. Nur der Belage-
rungszustand erstickt oder dämpft den Schrei der allgemeinen Euer"seu"g, bevor
er ans Ohr unserer Machthaber dringen kann, und zwingt die (geheime) öffentliche
Meinung, blos durch ohnmächtige Stoßseufzer und gelinde Zweifel an dem Se¬
gen solcher Blutwirthschaft zu verrathen, daß es in Oestreich überhaupt noch eine
Meinung gibt.

Achtzehn Hinrichtungen im Laufe von drei Tagen! Unter de" Opfern sind
dreizehn höhere Offiziere, der F. M. L. Kiß, Graf Vechey, Graf Leiningen, Ge-


So gemessen war der Befehl Haynan's, unter allen Umständen ohne Auf¬
schub bei strengster Verantwortung, die Hinrichtung zu vollziehen, daß selbst der
Entlcibungsversuch Batthyany's nur eine l.0stündige Verzögerung veranlaßte, und
mit blutendem Hälse wurde er am 6. Abends nicht gehängt, sondern erschossen,
„ans Rücksichten des Publikums und der Menschlichkeit," wie die Publikation
lautet.

Die Todtenfeier für Latour wurde in Wien nicht gestattet, um keine aufre¬
gende Demonstrationen zu veranlassen; mit guter Hoffnung vernahm man diese
Aeußerung, und auch der Kaiser soll gewünscht haben, das Vergangene vergesse»
zu lassen. Hayuau aber feierte den 6. October mit diesen Executivue>?.

Das ist kaiserliche Anarchie!


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Der V. October des Jahres lKAS.
Aus Wien.

Es wird mir schwer fallen, über die massenhaften Hinrichtungen in Arad und
Pesth ein ruhiges Wort zu Papier zu bringe». Mildern Sie an meinen Aus¬
drücken, wenn Sie es vermögen. Wir glaubten schon unsere Nerven bis zur Fühl-
losigkeit abgestumpft, daun und wann fühlten wir etwas wie Milch der frommen
Denkungsart, wie gesundes fieberfreies Blut in unsern Adern rinnen, — aber
nein, es scheint in den Sternen geschrieben, daß es in Oestreich kei»e Versöhnung,
keinen Frieden der Gemüther mehr geben soll!

Der 0. October 1848 hat in der ganze» Mo»arabic Entsetzen verbreitet, der
ti. October 1849 wird nicht minder schwarz im östreichischen Kalender angestri¬
chen bleiben. Konnte man die Jahresfeier des unglückseligen Tages nicht passen¬
der begehen als durch eine That der erbarmungslosesten Härte? Neu» Galge»
u»d vier blutige Sandhaufen in Arad, zwei Blutstätteu und seitdem zur Abwechs¬
lung wieder drei Galgen in Pesth! Der Eindruck, welchen hier diese Justiz i»
allen Schichten der Gesellschaft, vom Schiffzieher bis zum Hausbesitzer, bei allen
Parteien, von dem Leser der „Geißel" bis zu dem der „Ostdeutschen Post," ja selbst
unter gebildeteren Offiziere» hervorbrachte, ist unbeschreiblich. Nur der Belage-
rungszustand erstickt oder dämpft den Schrei der allgemeinen Euer»seu»g, bevor
er ans Ohr unserer Machthaber dringen kann, und zwingt die (geheime) öffentliche
Meinung, blos durch ohnmächtige Stoßseufzer und gelinde Zweifel an dem Se¬
gen solcher Blutwirthschaft zu verrathen, daß es in Oestreich überhaupt noch eine
Meinung gibt.

Achtzehn Hinrichtungen im Laufe von drei Tagen! Unter de» Opfern sind
dreizehn höhere Offiziere, der F. M. L. Kiß, Graf Vechey, Graf Leiningen, Ge-


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[0160] So gemessen war der Befehl Haynan's, unter allen Umständen ohne Auf¬ schub bei strengster Verantwortung, die Hinrichtung zu vollziehen, daß selbst der Entlcibungsversuch Batthyany's nur eine l.0stündige Verzögerung veranlaßte, und mit blutendem Hälse wurde er am 6. Abends nicht gehängt, sondern erschossen, „ans Rücksichten des Publikums und der Menschlichkeit," wie die Publikation lautet. Die Todtenfeier für Latour wurde in Wien nicht gestattet, um keine aufre¬ gende Demonstrationen zu veranlassen; mit guter Hoffnung vernahm man diese Aeußerung, und auch der Kaiser soll gewünscht haben, das Vergangene vergesse» zu lassen. Hayuau aber feierte den 6. October mit diesen Executivue>?. Das ist kaiserliche Anarchie! ^ ^ ^ Der V. October des Jahres lKAS. Aus Wien. Es wird mir schwer fallen, über die massenhaften Hinrichtungen in Arad und Pesth ein ruhiges Wort zu Papier zu bringe». Mildern Sie an meinen Aus¬ drücken, wenn Sie es vermögen. Wir glaubten schon unsere Nerven bis zur Fühl- losigkeit abgestumpft, daun und wann fühlten wir etwas wie Milch der frommen Denkungsart, wie gesundes fieberfreies Blut in unsern Adern rinnen, — aber nein, es scheint in den Sternen geschrieben, daß es in Oestreich kei»e Versöhnung, keinen Frieden der Gemüther mehr geben soll! Der 0. October 1848 hat in der ganze» Mo»arabic Entsetzen verbreitet, der ti. October 1849 wird nicht minder schwarz im östreichischen Kalender angestri¬ chen bleiben. Konnte man die Jahresfeier des unglückseligen Tages nicht passen¬ der begehen als durch eine That der erbarmungslosesten Härte? Neu» Galge» u»d vier blutige Sandhaufen in Arad, zwei Blutstätteu und seitdem zur Abwechs¬ lung wieder drei Galgen in Pesth! Der Eindruck, welchen hier diese Justiz i» allen Schichten der Gesellschaft, vom Schiffzieher bis zum Hausbesitzer, bei allen Parteien, von dem Leser der „Geißel" bis zu dem der „Ostdeutschen Post," ja selbst unter gebildeteren Offiziere» hervorbrachte, ist unbeschreiblich. Nur der Belage- rungszustand erstickt oder dämpft den Schrei der allgemeinen Euer»seu»g, bevor er ans Ohr unserer Machthaber dringen kann, und zwingt die (geheime) öffentliche Meinung, blos durch ohnmächtige Stoßseufzer und gelinde Zweifel an dem Se¬ gen solcher Blutwirthschaft zu verrathen, daß es in Oestreich überhaupt noch eine Meinung gibt. Achtzehn Hinrichtungen im Laufe von drei Tagen! Unter de» Opfern sind dreizehn höhere Offiziere, der F. M. L. Kiß, Graf Vechey, Graf Leiningen, Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/160>, abgerufen am 15.01.2025.