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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Verhältnisse in Einbeziehung der höchsten Persönlichkeiten wie des Kaisers und
seines königlichen Stellvertreters, sich zu seinen Gunsten lenkte. Seine Freilassung
wurde in nächste Aussicht gestellt. Allein dem Fürsten Windischgrätz folgte der
Baron Haynan, die Personen des Militärgerichts wurden gewechselt, und Graf
Ludwig Batthyciuy wurde, als des Hochverrats schuldig, zum Strange und
zum Verlust des Vermögens verurtheilt.

Auch dieses Urtheil mögen vielleicht Einige für recht erklären, obwohl das
Tragische ans Komische streift, daß Offiziere und Unteroffiziere und ein paar ge¬
meine Soldaten beurtheilen, ob ein Minister die königlichen Concessionen über¬
schritten und die pragmatische Sanction verletzt habe. In den Nebenumständen
erkennt mau die k. k. Anarchie.

Der Prozeß wurde 9 Monate lang geführt. Der Entschluß, die Führer der
ungarischen Erhebung mit dem Tode zu bestrafen, war längst gefaßt, und deshalb
fand die Fürbitte des Fürsten von Warschau um Gnade keine Rücksicht. Die
Aufhebung des Belagerungszustandes, für welchen seit Monaten nicht der leiseste
Grund vorhanden ist, wurde aus gleicher Ursache verschoben, um jeder Bewe¬
gung gleich mit Pulver und Blei zu begegnen. Die Acten des Batthyauy'-
schen Prozesses waren längst geschlossen. Aber ans zwei Motiven wurde die Exe-
cution verzögert. Komorn hatte noch nicht kapitulirt, und die Besatzung hätte
gewiß die Begnadigung des Grafen Batthyany verlangt; und dann--wollte
man den ö. October festlich feiern.

Die Opfer in Pesth und in Arad genossen sogar, auf ausdrückliche Geneh¬
migung, in den letzten Wochen größere Freiheiten; man nährte die Hoffnung einer
allgemeinen Amnestie, um sie zu beruhigen, die Besatzung von Komorn und Pc-
terwardein geschmeidiger zu macheu, und die auf türkisches Gebiet Geflüchteten
zur Rückkehr zu bewegen. Batthyany spielte stundenlang Schach im neugebaute
zu Pesth mit Bekannten, denen der Zutritt zum Gefangenen leicht gestattet wurde.
Die Generäle und Grafen in Arad schrieben hoffuungssichere Briefe an ihre Ver¬
wandten und obwohl der Namenstag des Kaisers, 4. October, ohne die erwartete
Amnestie verstrich, ergab sich Alles der freudigen Zuversicht, daß kein Blut mehr
unter dem Beile des Scharfrichters fließen werde. Kossuth und andere Haupt¬
leute waren entkommen, selbst die "energischen" Noten ließen bezweifeln, daß der
Sultan die Auslieferung anordnen werde; andere Führer, wie Klapka mußten
begnadigt werden und sogar Reisegeld erhalten, da sonst die Festung nicht über¬
gebe" worden wäre. Das Urtheil konnte also nicht gegen Alle angewandt wer¬
den; sollte darum der Einzelne büßen?! Man erwartete Versöhnung, Begütigung,
Aufrichtung!

Haynau hatte aber bereits die Hinrichtung Aller für den 6. festgesetzt, und
als er an diesem Tage in Preßburg bei Tische saß, verkündete er der Gesellschaft,
daß jetzt Batthyany und N. gehängt seien!!


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Verhältnisse in Einbeziehung der höchsten Persönlichkeiten wie des Kaisers und
seines königlichen Stellvertreters, sich zu seinen Gunsten lenkte. Seine Freilassung
wurde in nächste Aussicht gestellt. Allein dem Fürsten Windischgrätz folgte der
Baron Haynan, die Personen des Militärgerichts wurden gewechselt, und Graf
Ludwig Batthyciuy wurde, als des Hochverrats schuldig, zum Strange und
zum Verlust des Vermögens verurtheilt.

Auch dieses Urtheil mögen vielleicht Einige für recht erklären, obwohl das
Tragische ans Komische streift, daß Offiziere und Unteroffiziere und ein paar ge¬
meine Soldaten beurtheilen, ob ein Minister die königlichen Concessionen über¬
schritten und die pragmatische Sanction verletzt habe. In den Nebenumständen
erkennt mau die k. k. Anarchie.

Der Prozeß wurde 9 Monate lang geführt. Der Entschluß, die Führer der
ungarischen Erhebung mit dem Tode zu bestrafen, war längst gefaßt, und deshalb
fand die Fürbitte des Fürsten von Warschau um Gnade keine Rücksicht. Die
Aufhebung des Belagerungszustandes, für welchen seit Monaten nicht der leiseste
Grund vorhanden ist, wurde aus gleicher Ursache verschoben, um jeder Bewe¬
gung gleich mit Pulver und Blei zu begegnen. Die Acten des Batthyauy'-
schen Prozesses waren längst geschlossen. Aber ans zwei Motiven wurde die Exe-
cution verzögert. Komorn hatte noch nicht kapitulirt, und die Besatzung hätte
gewiß die Begnadigung des Grafen Batthyany verlangt; und dann--wollte
man den ö. October festlich feiern.

Die Opfer in Pesth und in Arad genossen sogar, auf ausdrückliche Geneh¬
migung, in den letzten Wochen größere Freiheiten; man nährte die Hoffnung einer
allgemeinen Amnestie, um sie zu beruhigen, die Besatzung von Komorn und Pc-
terwardein geschmeidiger zu macheu, und die auf türkisches Gebiet Geflüchteten
zur Rückkehr zu bewegen. Batthyany spielte stundenlang Schach im neugebaute
zu Pesth mit Bekannten, denen der Zutritt zum Gefangenen leicht gestattet wurde.
Die Generäle und Grafen in Arad schrieben hoffuungssichere Briefe an ihre Ver¬
wandten und obwohl der Namenstag des Kaisers, 4. October, ohne die erwartete
Amnestie verstrich, ergab sich Alles der freudigen Zuversicht, daß kein Blut mehr
unter dem Beile des Scharfrichters fließen werde. Kossuth und andere Haupt¬
leute waren entkommen, selbst die „energischen" Noten ließen bezweifeln, daß der
Sultan die Auslieferung anordnen werde; andere Führer, wie Klapka mußten
begnadigt werden und sogar Reisegeld erhalten, da sonst die Festung nicht über¬
gebe« worden wäre. Das Urtheil konnte also nicht gegen Alle angewandt wer¬
den; sollte darum der Einzelne büßen?! Man erwartete Versöhnung, Begütigung,
Aufrichtung!

Haynau hatte aber bereits die Hinrichtung Aller für den 6. festgesetzt, und
als er an diesem Tage in Preßburg bei Tische saß, verkündete er der Gesellschaft,
daß jetzt Batthyany und N. gehängt seien!!


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[0159] Verhältnisse in Einbeziehung der höchsten Persönlichkeiten wie des Kaisers und seines königlichen Stellvertreters, sich zu seinen Gunsten lenkte. Seine Freilassung wurde in nächste Aussicht gestellt. Allein dem Fürsten Windischgrätz folgte der Baron Haynan, die Personen des Militärgerichts wurden gewechselt, und Graf Ludwig Batthyciuy wurde, als des Hochverrats schuldig, zum Strange und zum Verlust des Vermögens verurtheilt. Auch dieses Urtheil mögen vielleicht Einige für recht erklären, obwohl das Tragische ans Komische streift, daß Offiziere und Unteroffiziere und ein paar ge¬ meine Soldaten beurtheilen, ob ein Minister die königlichen Concessionen über¬ schritten und die pragmatische Sanction verletzt habe. In den Nebenumständen erkennt mau die k. k. Anarchie. Der Prozeß wurde 9 Monate lang geführt. Der Entschluß, die Führer der ungarischen Erhebung mit dem Tode zu bestrafen, war längst gefaßt, und deshalb fand die Fürbitte des Fürsten von Warschau um Gnade keine Rücksicht. Die Aufhebung des Belagerungszustandes, für welchen seit Monaten nicht der leiseste Grund vorhanden ist, wurde aus gleicher Ursache verschoben, um jeder Bewe¬ gung gleich mit Pulver und Blei zu begegnen. Die Acten des Batthyauy'- schen Prozesses waren längst geschlossen. Aber ans zwei Motiven wurde die Exe- cution verzögert. Komorn hatte noch nicht kapitulirt, und die Besatzung hätte gewiß die Begnadigung des Grafen Batthyany verlangt; und dann--wollte man den ö. October festlich feiern. Die Opfer in Pesth und in Arad genossen sogar, auf ausdrückliche Geneh¬ migung, in den letzten Wochen größere Freiheiten; man nährte die Hoffnung einer allgemeinen Amnestie, um sie zu beruhigen, die Besatzung von Komorn und Pc- terwardein geschmeidiger zu macheu, und die auf türkisches Gebiet Geflüchteten zur Rückkehr zu bewegen. Batthyany spielte stundenlang Schach im neugebaute zu Pesth mit Bekannten, denen der Zutritt zum Gefangenen leicht gestattet wurde. Die Generäle und Grafen in Arad schrieben hoffuungssichere Briefe an ihre Ver¬ wandten und obwohl der Namenstag des Kaisers, 4. October, ohne die erwartete Amnestie verstrich, ergab sich Alles der freudigen Zuversicht, daß kein Blut mehr unter dem Beile des Scharfrichters fließen werde. Kossuth und andere Haupt¬ leute waren entkommen, selbst die „energischen" Noten ließen bezweifeln, daß der Sultan die Auslieferung anordnen werde; andere Führer, wie Klapka mußten begnadigt werden und sogar Reisegeld erhalten, da sonst die Festung nicht über¬ gebe« worden wäre. Das Urtheil konnte also nicht gegen Alle angewandt wer¬ den; sollte darum der Einzelne büßen?! Man erwartete Versöhnung, Begütigung, Aufrichtung! Haynau hatte aber bereits die Hinrichtung Aller für den 6. festgesetzt, und als er an diesem Tage in Preßburg bei Tische saß, verkündete er der Gesellschaft, daß jetzt Batthyany und N. gehängt seien!! SV*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/159>, abgerufen am 15.01.2025.