Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.
Ans V e se h. Ein Fremder, der jetzt die Hauptstadt besucht und die Straßen belebt, die
Ans V e se h. Ein Fremder, der jetzt die Hauptstadt besucht und die Straßen belebt, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279701"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l> Verjüngten Leibs erhebt die Stadt<lb/> Sich allgemach der Feuertaufe,<lb/> Die Straße lebt, am Fenster steht<lb/> Kein wüster Schütz, das Blei im Lause.</l> <l> Die Blume sieht, das Kind heraus —<lb/> Vom Markt und von der Kirchcnschwclle,<lb/> Vom Bürgersteig entflieht der Tod,<lb/> Verwiesen in des Kranken Zelle.</l> <l> Was lebt, das freut des Lebens sich;<lb/> Was aber jung der Kampf begraben —<lb/> Die Sage wird im Volk dafür<lb/> Ein tönendes Gewissen haben.</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ans V e se h.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_495" next="#ID_496"> Ein Fremder, der jetzt die Hauptstadt besucht und die Straßen belebt, die<lb/> Gassen gedrängt von Menschen findet, würde leicht getäuscht werden, wenn er<lb/> dies als einen Beweis ansehen wollte, daß für die Gemüther schon wieder be¬<lb/> ruhigt, und die Geschäftsordnung wieder ins frühere Gleis zurückgekehrt sei. Un¬<lb/> sere Straßen sind von Neugierigen gefüllt, welche in ihrer Schaulust zur Besich¬<lb/> tigung des Reactions-Heerdes nach Ungarn geführt worden sind, andrerseits sind<lb/> es Kaufleute, welche deu durch die frühere Absperrung ihnen zugefügten Schaden<lb/> auf dem bedeutendsten Producteumarkt der Monarchie sich einbringen möchten, es<lb/> siud also Fremde, die gegenwärtig unsere Straßen füllen; denn die Pesther und<lb/> die Bewohner der umliegenden Gegend sind von dem schrecklichen Unglücke, das<lb/> sie getroffen, so gebeugt und ihr Muth so gebrochen, daß sie sich vor sich selbst<lb/> verbergen würden. Verurtheilen und Hinrichten, Erschießen und Hängen sind<lb/> unsere Tagesneuigkeiten. Am 6. October wurde der ehemalige Premierminister<lb/> Graf Ludwig Batlhyani z»in Strange verurtheilt, der Graf um der Schmach zu<lb/> entgehen, wußte sich im Gefängnisse einen Dolch zu verschaffen, mit dem er sich<lb/> einen Hals- und Bruststich versetzte, die aber zu seinem Unglücke nicht tödtlich aus¬<lb/> fielen; das Kriegsgericht an der Vollziehung des gefällten Todcsurtheilcs für die<lb/> bestimmte Morgenstunde verhindert, ließ noch am selben Tage Abends den Gra¬<lb/> sen erschießen. Und so fiel am verhängnißvollen Tage, an dem Graf Latour in<lb/> Wien dnrch VvlkSjustiz gerichtet wurde, das Haupt eines der angesehensten, ein-<lb/> stllßreichstcn und hochgestelltesten ungarischen Magnaten. Batthyani hat sich weder<lb/> ^ der Unabhängigkeitscrklärung uoch an dem Debrecziner Parlamente beteiligt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0153]
Verjüngten Leibs erhebt die Stadt
Sich allgemach der Feuertaufe,
Die Straße lebt, am Fenster steht
Kein wüster Schütz, das Blei im Lause. Die Blume sieht, das Kind heraus —
Vom Markt und von der Kirchcnschwclle,
Vom Bürgersteig entflieht der Tod,
Verwiesen in des Kranken Zelle. Was lebt, das freut des Lebens sich;
Was aber jung der Kampf begraben —
Die Sage wird im Volk dafür
Ein tönendes Gewissen haben.
Ans V e se h.
Ein Fremder, der jetzt die Hauptstadt besucht und die Straßen belebt, die
Gassen gedrängt von Menschen findet, würde leicht getäuscht werden, wenn er
dies als einen Beweis ansehen wollte, daß für die Gemüther schon wieder be¬
ruhigt, und die Geschäftsordnung wieder ins frühere Gleis zurückgekehrt sei. Un¬
sere Straßen sind von Neugierigen gefüllt, welche in ihrer Schaulust zur Besich¬
tigung des Reactions-Heerdes nach Ungarn geführt worden sind, andrerseits sind
es Kaufleute, welche deu durch die frühere Absperrung ihnen zugefügten Schaden
auf dem bedeutendsten Producteumarkt der Monarchie sich einbringen möchten, es
siud also Fremde, die gegenwärtig unsere Straßen füllen; denn die Pesther und
die Bewohner der umliegenden Gegend sind von dem schrecklichen Unglücke, das
sie getroffen, so gebeugt und ihr Muth so gebrochen, daß sie sich vor sich selbst
verbergen würden. Verurtheilen und Hinrichten, Erschießen und Hängen sind
unsere Tagesneuigkeiten. Am 6. October wurde der ehemalige Premierminister
Graf Ludwig Batlhyani z»in Strange verurtheilt, der Graf um der Schmach zu
entgehen, wußte sich im Gefängnisse einen Dolch zu verschaffen, mit dem er sich
einen Hals- und Bruststich versetzte, die aber zu seinem Unglücke nicht tödtlich aus¬
fielen; das Kriegsgericht an der Vollziehung des gefällten Todcsurtheilcs für die
bestimmte Morgenstunde verhindert, ließ noch am selben Tage Abends den Gra¬
sen erschießen. Und so fiel am verhängnißvollen Tage, an dem Graf Latour in
Wien dnrch VvlkSjustiz gerichtet wurde, das Haupt eines der angesehensten, ein-
stllßreichstcn und hochgestelltesten ungarischen Magnaten. Batthyani hat sich weder
^ der Unabhängigkeitscrklärung uoch an dem Debrecziner Parlamente beteiligt,
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