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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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lichen Jahre vorgeführt wird, gruppiren sich die Notabilitäten, die er in seinen
Kreis bannt, Wieland und Andere, namentlich Frauen, darunter die Frau Rath
und Betline, als Sinnbilder von zwei verschiedenen Generationen, die jede von
ihrem Standpunkt aus den Dichter verehrten. Gegenüber eine Gruppe selbst¬
ständiger Geister, die mit Ehrfurcht, aber auch mit Selbstgefühl aus den gekrön¬
ten Dichter blicken, Schiller, Fichte, Herder u. s. w. Im Vordergrund ein paar
allgemeine Figuren, die Jugend der Zukunft: das Mädchen den Blick auf Goethe,
der Knabe auf Schiller gerichtet. Die Neider, Hofmarschälle u. f. w. verschwin¬
den in Büschen des Hintergrunds.

Der Inhalt des Bildes ist leicht übersichtlich. Einige Personen in antikem
Costüm uuter einer Reihe modern gekleideter müssen doch wohl Schauspieler sein,
und wenn sie Jemand einen Kranz überreichen, so ist es muthmaßlich der Dichter
des Stücks, das sie eben aufgeführt haben. Die andern Personen sind, je nach
ihren Verhältnissen, mit einem verschiedenen Grade des Interesses dabei betheiligt,
und geben der Ehrenbezeigung Relief. Außerdem sind in Deutschland, und auch
wohl jetzt ziemlich im ganzen civilisirten Europa die Portraits von Goethe und
Schiller ebenso bekannt, als die von Luther und von Friedrich, und an diese
Kenntniß knüpft sich nun sogleich eine Reihe von Vorstellungen an; wir sind zu
Hause, und wenn wir auch noch vorläufig die einzelnen Personen nicht zu unter¬
scheiden wissen, so ist es doch von Interesse, sie zu errathen oder zu erfragen.
Wohl nirgend und zu keiner Zeit findet sich ein solcher Kreis zusammen, in wel¬
chem jeder Einzelne uns eine so individuelle Theilnahme abzugewinnen weiß.

Anders ist es mit den Girondisten. Für uns ist dieser Name ein Gat¬
tungsbegriff, in den der Einzelne aufgeht. Von den Gefangenen des 2. Juni
werden uns höchstens zwei menschlich näher getreten sein, Vergniaud als der
Redner, Brissot als der Intriguant der Partei. Für die übrigen Portraits
kann also unsere Theilnahme nicht weiter gehen, als ihre unmittelbare Erscheinung
sie erheischt.

Diese Portraits hat der Künstler in folgenden historischen Vorwurf combinirt.

Die 22 Gefangenen sind zum Tode verurtheilt und sollen am folgenden
Tage guillotinirt werden, Einer von ihnen hat sich erschossen. Ein guter Freund
findet Mittel, ihnen für die letzte Nacht ein festliches Mahl zu bereiten. Vergniaud
hält während desselben eine Rede über die Unsterblichkeit der Seele. Dies der
Moment.

Den Mittelpunkt bildet also eine Anzahl trinkender Personen. Die vielen
leeren Weinflaschen zeigen die bisherige Thätigkeit, einige halten noch das Glas
an den Mund oder wenigstens in der Hand. Der Tisch ist mit Blumen ge¬
schmückt.

Eine Mahlzeit, ich habe es schou in dem vorigen Artikel gesagt, ist wohl für ein


Grenzboten. IV. 184S. 19

lichen Jahre vorgeführt wird, gruppiren sich die Notabilitäten, die er in seinen
Kreis bannt, Wieland und Andere, namentlich Frauen, darunter die Frau Rath
und Betline, als Sinnbilder von zwei verschiedenen Generationen, die jede von
ihrem Standpunkt aus den Dichter verehrten. Gegenüber eine Gruppe selbst¬
ständiger Geister, die mit Ehrfurcht, aber auch mit Selbstgefühl aus den gekrön¬
ten Dichter blicken, Schiller, Fichte, Herder u. s. w. Im Vordergrund ein paar
allgemeine Figuren, die Jugend der Zukunft: das Mädchen den Blick auf Goethe,
der Knabe auf Schiller gerichtet. Die Neider, Hofmarschälle u. f. w. verschwin¬
den in Büschen des Hintergrunds.

Der Inhalt des Bildes ist leicht übersichtlich. Einige Personen in antikem
Costüm uuter einer Reihe modern gekleideter müssen doch wohl Schauspieler sein,
und wenn sie Jemand einen Kranz überreichen, so ist es muthmaßlich der Dichter
des Stücks, das sie eben aufgeführt haben. Die andern Personen sind, je nach
ihren Verhältnissen, mit einem verschiedenen Grade des Interesses dabei betheiligt,
und geben der Ehrenbezeigung Relief. Außerdem sind in Deutschland, und auch
wohl jetzt ziemlich im ganzen civilisirten Europa die Portraits von Goethe und
Schiller ebenso bekannt, als die von Luther und von Friedrich, und an diese
Kenntniß knüpft sich nun sogleich eine Reihe von Vorstellungen an; wir sind zu
Hause, und wenn wir auch noch vorläufig die einzelnen Personen nicht zu unter¬
scheiden wissen, so ist es doch von Interesse, sie zu errathen oder zu erfragen.
Wohl nirgend und zu keiner Zeit findet sich ein solcher Kreis zusammen, in wel¬
chem jeder Einzelne uns eine so individuelle Theilnahme abzugewinnen weiß.

Anders ist es mit den Girondisten. Für uns ist dieser Name ein Gat¬
tungsbegriff, in den der Einzelne aufgeht. Von den Gefangenen des 2. Juni
werden uns höchstens zwei menschlich näher getreten sein, Vergniaud als der
Redner, Brissot als der Intriguant der Partei. Für die übrigen Portraits
kann also unsere Theilnahme nicht weiter gehen, als ihre unmittelbare Erscheinung
sie erheischt.

Diese Portraits hat der Künstler in folgenden historischen Vorwurf combinirt.

Die 22 Gefangenen sind zum Tode verurtheilt und sollen am folgenden
Tage guillotinirt werden, Einer von ihnen hat sich erschossen. Ein guter Freund
findet Mittel, ihnen für die letzte Nacht ein festliches Mahl zu bereiten. Vergniaud
hält während desselben eine Rede über die Unsterblichkeit der Seele. Dies der
Moment.

Den Mittelpunkt bildet also eine Anzahl trinkender Personen. Die vielen
leeren Weinflaschen zeigen die bisherige Thätigkeit, einige halten noch das Glas
an den Mund oder wenigstens in der Hand. Der Tisch ist mit Blumen ge¬
schmückt.

Eine Mahlzeit, ich habe es schou in dem vorigen Artikel gesagt, ist wohl für ein


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[0149] lichen Jahre vorgeführt wird, gruppiren sich die Notabilitäten, die er in seinen Kreis bannt, Wieland und Andere, namentlich Frauen, darunter die Frau Rath und Betline, als Sinnbilder von zwei verschiedenen Generationen, die jede von ihrem Standpunkt aus den Dichter verehrten. Gegenüber eine Gruppe selbst¬ ständiger Geister, die mit Ehrfurcht, aber auch mit Selbstgefühl aus den gekrön¬ ten Dichter blicken, Schiller, Fichte, Herder u. s. w. Im Vordergrund ein paar allgemeine Figuren, die Jugend der Zukunft: das Mädchen den Blick auf Goethe, der Knabe auf Schiller gerichtet. Die Neider, Hofmarschälle u. f. w. verschwin¬ den in Büschen des Hintergrunds. Der Inhalt des Bildes ist leicht übersichtlich. Einige Personen in antikem Costüm uuter einer Reihe modern gekleideter müssen doch wohl Schauspieler sein, und wenn sie Jemand einen Kranz überreichen, so ist es muthmaßlich der Dichter des Stücks, das sie eben aufgeführt haben. Die andern Personen sind, je nach ihren Verhältnissen, mit einem verschiedenen Grade des Interesses dabei betheiligt, und geben der Ehrenbezeigung Relief. Außerdem sind in Deutschland, und auch wohl jetzt ziemlich im ganzen civilisirten Europa die Portraits von Goethe und Schiller ebenso bekannt, als die von Luther und von Friedrich, und an diese Kenntniß knüpft sich nun sogleich eine Reihe von Vorstellungen an; wir sind zu Hause, und wenn wir auch noch vorläufig die einzelnen Personen nicht zu unter¬ scheiden wissen, so ist es doch von Interesse, sie zu errathen oder zu erfragen. Wohl nirgend und zu keiner Zeit findet sich ein solcher Kreis zusammen, in wel¬ chem jeder Einzelne uns eine so individuelle Theilnahme abzugewinnen weiß. Anders ist es mit den Girondisten. Für uns ist dieser Name ein Gat¬ tungsbegriff, in den der Einzelne aufgeht. Von den Gefangenen des 2. Juni werden uns höchstens zwei menschlich näher getreten sein, Vergniaud als der Redner, Brissot als der Intriguant der Partei. Für die übrigen Portraits kann also unsere Theilnahme nicht weiter gehen, als ihre unmittelbare Erscheinung sie erheischt. Diese Portraits hat der Künstler in folgenden historischen Vorwurf combinirt. Die 22 Gefangenen sind zum Tode verurtheilt und sollen am folgenden Tage guillotinirt werden, Einer von ihnen hat sich erschossen. Ein guter Freund findet Mittel, ihnen für die letzte Nacht ein festliches Mahl zu bereiten. Vergniaud hält während desselben eine Rede über die Unsterblichkeit der Seele. Dies der Moment. Den Mittelpunkt bildet also eine Anzahl trinkender Personen. Die vielen leeren Weinflaschen zeigen die bisherige Thätigkeit, einige halten noch das Glas an den Mund oder wenigstens in der Hand. Der Tisch ist mit Blumen ge¬ schmückt. Eine Mahlzeit, ich habe es schou in dem vorigen Artikel gesagt, ist wohl für ein Grenzboten. IV. 184S. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/149>, abgerufen am 15.01.2025.