Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch die Erfolge der östreichischen und preußischen Waffen übermüthiger ge¬
macht, ihr Haupt erhob, beeilte sich auch diese Linke den Kampf gegen diese neue Ver¬
fassung aufzugeben. Die Vorlagen der um ernannten Negiernngscommisstonäre
Grvrh, Stever und von Liebeherr, gewannen uun immer mehr Anhänger in der
Kammer, und fast alle ihre Anträge wurden mit der überwiegendsten Majorität an¬
genommen. Nur die äußerste Rechte, aus 7 -- 8 Laudedellcuteu, Mitgliedern der
adeligen Ritterschaft der früheren sogenannten Landtage, bestehend, stimmte conse-
quent gegen alle Paragraphen und legte endlich ihr Mandat nieder. So kam denn unsere
neue Verfassung so einmüthig wie es wohl selten in Deutschland geschehen ist,
zwischen unserer Kammer und der Regierung zu Stande. Mit aufrichtigem Herzen
beschwor sie Eude August, wo die Verfassung beendigt und somit der außerordent¬
liche Landtag aufgelöst wurde, unser junger Großherzog, der in den letzten Jah¬
ren sich die ungetheilte Achtung erworben, und so schien aller Streit beendet.
Mecklenburg-Strelitz, das bisher mit Schwerin in einer landständischen Union ver¬
einigt war, und somit auch Abgeordnete zu diesem außerordentliche" Landtag nach
Schwerin gesandt hatte, obgleich später bei dem constitutionellen System eine ge¬
meinsame Kammer beider Länder, und zwei verschiedene, völlig von einander un¬
abhängige Regierungen derselben, ein Unding gewesen wäre, hatte schon früher
seine Abgeordneten abberufen. Der mächtige Adel in diesem 80,000 Einwohner
zählenden Ländchen, hatte wieder sein Haupt erhoben und der Regierung einge¬
redet, sie brauche nun, wo die Gefahr vorüber sei, ihre im vorigen Jahr gege¬
benen Versprechungen nicht zu halten. Man stützte sich auf die Hilfe preußischer
Bayonnette, die jeden Widerstand besiegen konnten; hatten im vorigen Herbste doch
schon einmal preußische Kürassiere in Strelitz einwirken müssen, um den Großhe"
zog, der vou dem Volke in seinem Schlosse zu Strelitz belagert, zu seiner Rettung
aus dem Fenster gesprungen war, zu schützen. Durch die einseitige Abberufung
seiner Abgeordnete" aus der gemeinsamen Kammer hatte die mcckleuburg-strclitzsche
Regierung übrigens ihrerseits die Union mit Schwerin aufgekündigt und war so
den Wünschen letzteren Landes zuvorgekommen. Sie hatte dadurch vou selbst das
Recht aufgegeben, gegen jede Veränderung in den staatlichen Verhältnissen von
Schwerin z" Protestire". Wenn sie jetzt sich den Anschein gibt, als könne sie
aus religiösen Gründen die Einführung des constitutionellen Systems in Meckleu-
bttrg-Schwerin nicht dulden, so verdient das keine weitere Berücksichtigung.

Aber ein zweiter Feind, von dem man es hätte kaum glauben sollen, daß er
noch wieder aufzutauchen wage, erhob jetzt plötzlich sein Haupt, und bemühte sich
unserem Großherzog und seinen wackere" Minister" v. Lützow, Stever, Meyer und
von Licbeherr bei der Publikation unserer neuen Verfassung Verdrießlichkeiten
über Verdrießlichkeiten zu bereiten. El" großer Theil des Landadels unserer frü¬
heren Ritterschaft gab sich plötzlich das Ansehen, gegen die Publikation unserer
neuen Verfassung protestiren zu müsse", und wollte zu Gunsten derselben aus seine frühern


durch die Erfolge der östreichischen und preußischen Waffen übermüthiger ge¬
macht, ihr Haupt erhob, beeilte sich auch diese Linke den Kampf gegen diese neue Ver¬
fassung aufzugeben. Die Vorlagen der um ernannten Negiernngscommisstonäre
Grvrh, Stever und von Liebeherr, gewannen uun immer mehr Anhänger in der
Kammer, und fast alle ihre Anträge wurden mit der überwiegendsten Majorität an¬
genommen. Nur die äußerste Rechte, aus 7 — 8 Laudedellcuteu, Mitgliedern der
adeligen Ritterschaft der früheren sogenannten Landtage, bestehend, stimmte conse-
quent gegen alle Paragraphen und legte endlich ihr Mandat nieder. So kam denn unsere
neue Verfassung so einmüthig wie es wohl selten in Deutschland geschehen ist,
zwischen unserer Kammer und der Regierung zu Stande. Mit aufrichtigem Herzen
beschwor sie Eude August, wo die Verfassung beendigt und somit der außerordent¬
liche Landtag aufgelöst wurde, unser junger Großherzog, der in den letzten Jah¬
ren sich die ungetheilte Achtung erworben, und so schien aller Streit beendet.
Mecklenburg-Strelitz, das bisher mit Schwerin in einer landständischen Union ver¬
einigt war, und somit auch Abgeordnete zu diesem außerordentliche» Landtag nach
Schwerin gesandt hatte, obgleich später bei dem constitutionellen System eine ge¬
meinsame Kammer beider Länder, und zwei verschiedene, völlig von einander un¬
abhängige Regierungen derselben, ein Unding gewesen wäre, hatte schon früher
seine Abgeordneten abberufen. Der mächtige Adel in diesem 80,000 Einwohner
zählenden Ländchen, hatte wieder sein Haupt erhoben und der Regierung einge¬
redet, sie brauche nun, wo die Gefahr vorüber sei, ihre im vorigen Jahr gege¬
benen Versprechungen nicht zu halten. Man stützte sich auf die Hilfe preußischer
Bayonnette, die jeden Widerstand besiegen konnten; hatten im vorigen Herbste doch
schon einmal preußische Kürassiere in Strelitz einwirken müssen, um den Großhe»
zog, der vou dem Volke in seinem Schlosse zu Strelitz belagert, zu seiner Rettung
aus dem Fenster gesprungen war, zu schützen. Durch die einseitige Abberufung
seiner Abgeordnete» aus der gemeinsamen Kammer hatte die mcckleuburg-strclitzsche
Regierung übrigens ihrerseits die Union mit Schwerin aufgekündigt und war so
den Wünschen letzteren Landes zuvorgekommen. Sie hatte dadurch vou selbst das
Recht aufgegeben, gegen jede Veränderung in den staatlichen Verhältnissen von
Schwerin z» Protestire». Wenn sie jetzt sich den Anschein gibt, als könne sie
aus religiösen Gründen die Einführung des constitutionellen Systems in Meckleu-
bttrg-Schwerin nicht dulden, so verdient das keine weitere Berücksichtigung.

Aber ein zweiter Feind, von dem man es hätte kaum glauben sollen, daß er
noch wieder aufzutauchen wage, erhob jetzt plötzlich sein Haupt, und bemühte sich
unserem Großherzog und seinen wackere» Minister» v. Lützow, Stever, Meyer und
von Licbeherr bei der Publikation unserer neuen Verfassung Verdrießlichkeiten
über Verdrießlichkeiten zu bereiten. El» großer Theil des Landadels unserer frü¬
heren Ritterschaft gab sich plötzlich das Ansehen, gegen die Publikation unserer
neuen Verfassung protestiren zu müsse», und wollte zu Gunsten derselben aus seine frühern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279687"/>
          <p xml:id="ID_445" prev="#ID_444"> durch die Erfolge der östreichischen und preußischen Waffen übermüthiger ge¬<lb/>
macht, ihr Haupt erhob, beeilte sich auch diese Linke den Kampf gegen diese neue Ver¬<lb/>
fassung aufzugeben. Die Vorlagen der um ernannten Negiernngscommisstonäre<lb/>
Grvrh, Stever und von Liebeherr, gewannen uun immer mehr Anhänger in der<lb/>
Kammer, und fast alle ihre Anträge wurden mit der überwiegendsten Majorität an¬<lb/>
genommen. Nur die äußerste Rechte, aus 7 &#x2014; 8 Laudedellcuteu, Mitgliedern der<lb/>
adeligen Ritterschaft der früheren sogenannten Landtage, bestehend, stimmte conse-<lb/>
quent gegen alle Paragraphen und legte endlich ihr Mandat nieder. So kam denn unsere<lb/>
neue Verfassung so einmüthig wie es wohl selten in Deutschland geschehen ist,<lb/>
zwischen unserer Kammer und der Regierung zu Stande. Mit aufrichtigem Herzen<lb/>
beschwor sie Eude August, wo die Verfassung beendigt und somit der außerordent¬<lb/>
liche Landtag aufgelöst wurde, unser junger Großherzog, der in den letzten Jah¬<lb/>
ren sich die ungetheilte Achtung erworben, und so schien aller Streit beendet.<lb/>
Mecklenburg-Strelitz, das bisher mit Schwerin in einer landständischen Union ver¬<lb/>
einigt war, und somit auch Abgeordnete zu diesem außerordentliche» Landtag nach<lb/>
Schwerin gesandt hatte, obgleich später bei dem constitutionellen System eine ge¬<lb/>
meinsame Kammer beider Länder, und zwei verschiedene, völlig von einander un¬<lb/>
abhängige Regierungen derselben, ein Unding gewesen wäre, hatte schon früher<lb/>
seine Abgeordneten abberufen. Der mächtige Adel in diesem 80,000 Einwohner<lb/>
zählenden Ländchen, hatte wieder sein Haupt erhoben und der Regierung einge¬<lb/>
redet, sie brauche nun, wo die Gefahr vorüber sei, ihre im vorigen Jahr gege¬<lb/>
benen Versprechungen nicht zu halten. Man stützte sich auf die Hilfe preußischer<lb/>
Bayonnette, die jeden Widerstand besiegen konnten; hatten im vorigen Herbste doch<lb/>
schon einmal preußische Kürassiere in Strelitz einwirken müssen, um den Großhe»<lb/>
zog, der vou dem Volke in seinem Schlosse zu Strelitz belagert, zu seiner Rettung<lb/>
aus dem Fenster gesprungen war, zu schützen. Durch die einseitige Abberufung<lb/>
seiner Abgeordnete» aus der gemeinsamen Kammer hatte die mcckleuburg-strclitzsche<lb/>
Regierung übrigens ihrerseits die Union mit Schwerin aufgekündigt und war so<lb/>
den Wünschen letzteren Landes zuvorgekommen. Sie hatte dadurch vou selbst das<lb/>
Recht aufgegeben, gegen jede Veränderung in den staatlichen Verhältnissen von<lb/>
Schwerin z» Protestire». Wenn sie jetzt sich den Anschein gibt, als könne sie<lb/>
aus religiösen Gründen die Einführung des constitutionellen Systems in Meckleu-<lb/>
bttrg-Schwerin nicht dulden, so verdient das keine weitere Berücksichtigung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_446" next="#ID_447"> Aber ein zweiter Feind, von dem man es hätte kaum glauben sollen, daß er<lb/>
noch wieder aufzutauchen wage, erhob jetzt plötzlich sein Haupt, und bemühte sich<lb/>
unserem Großherzog und seinen wackere» Minister» v. Lützow, Stever, Meyer und<lb/>
von Licbeherr bei der Publikation unserer neuen Verfassung Verdrießlichkeiten<lb/>
über Verdrießlichkeiten zu bereiten. El» großer Theil des Landadels unserer frü¬<lb/>
heren Ritterschaft gab sich plötzlich das Ansehen, gegen die Publikation unserer<lb/>
neuen Verfassung protestiren zu müsse», und wollte zu Gunsten derselben aus seine frühern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] durch die Erfolge der östreichischen und preußischen Waffen übermüthiger ge¬ macht, ihr Haupt erhob, beeilte sich auch diese Linke den Kampf gegen diese neue Ver¬ fassung aufzugeben. Die Vorlagen der um ernannten Negiernngscommisstonäre Grvrh, Stever und von Liebeherr, gewannen uun immer mehr Anhänger in der Kammer, und fast alle ihre Anträge wurden mit der überwiegendsten Majorität an¬ genommen. Nur die äußerste Rechte, aus 7 — 8 Laudedellcuteu, Mitgliedern der adeligen Ritterschaft der früheren sogenannten Landtage, bestehend, stimmte conse- quent gegen alle Paragraphen und legte endlich ihr Mandat nieder. So kam denn unsere neue Verfassung so einmüthig wie es wohl selten in Deutschland geschehen ist, zwischen unserer Kammer und der Regierung zu Stande. Mit aufrichtigem Herzen beschwor sie Eude August, wo die Verfassung beendigt und somit der außerordent¬ liche Landtag aufgelöst wurde, unser junger Großherzog, der in den letzten Jah¬ ren sich die ungetheilte Achtung erworben, und so schien aller Streit beendet. Mecklenburg-Strelitz, das bisher mit Schwerin in einer landständischen Union ver¬ einigt war, und somit auch Abgeordnete zu diesem außerordentliche» Landtag nach Schwerin gesandt hatte, obgleich später bei dem constitutionellen System eine ge¬ meinsame Kammer beider Länder, und zwei verschiedene, völlig von einander un¬ abhängige Regierungen derselben, ein Unding gewesen wäre, hatte schon früher seine Abgeordneten abberufen. Der mächtige Adel in diesem 80,000 Einwohner zählenden Ländchen, hatte wieder sein Haupt erhoben und der Regierung einge¬ redet, sie brauche nun, wo die Gefahr vorüber sei, ihre im vorigen Jahr gege¬ benen Versprechungen nicht zu halten. Man stützte sich auf die Hilfe preußischer Bayonnette, die jeden Widerstand besiegen konnten; hatten im vorigen Herbste doch schon einmal preußische Kürassiere in Strelitz einwirken müssen, um den Großhe» zog, der vou dem Volke in seinem Schlosse zu Strelitz belagert, zu seiner Rettung aus dem Fenster gesprungen war, zu schützen. Durch die einseitige Abberufung seiner Abgeordnete» aus der gemeinsamen Kammer hatte die mcckleuburg-strclitzsche Regierung übrigens ihrerseits die Union mit Schwerin aufgekündigt und war so den Wünschen letzteren Landes zuvorgekommen. Sie hatte dadurch vou selbst das Recht aufgegeben, gegen jede Veränderung in den staatlichen Verhältnissen von Schwerin z» Protestire». Wenn sie jetzt sich den Anschein gibt, als könne sie aus religiösen Gründen die Einführung des constitutionellen Systems in Meckleu- bttrg-Schwerin nicht dulden, so verdient das keine weitere Berücksichtigung. Aber ein zweiter Feind, von dem man es hätte kaum glauben sollen, daß er noch wieder aufzutauchen wage, erhob jetzt plötzlich sein Haupt, und bemühte sich unserem Großherzog und seinen wackere» Minister» v. Lützow, Stever, Meyer und von Licbeherr bei der Publikation unserer neuen Verfassung Verdrießlichkeiten über Verdrießlichkeiten zu bereiten. El» großer Theil des Landadels unserer frü¬ heren Ritterschaft gab sich plötzlich das Ansehen, gegen die Publikation unserer neuen Verfassung protestiren zu müsse», und wollte zu Gunsten derselben aus seine frühern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/139>, abgerufen am 15.01.2025.