Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schieht gewöhnlich an dem Tage, nach welchem sie in das Dampfbad getrieben werden
soll. Natürlich befinden sich die Soldaten viel wohler als in den Kasernen in den
Quartieren bei den Bürgern oder Bauern. Diese Pflegen sie denn auch für ihre
Paradiese zu halten. Will der Bürger oder Bauer nicht in .Küche und Brod-
schrank allangenblicklich bestohlen werden, so muß er den Soldaten mit an den
Tisch setzen und genießen lassen, so viel er bedarf. Allein nur selten wird dem
Soldaten das Glück zu Theil. Wo es irgend möglich ist, 'wird jede Berührung
des Soldaten mit dem Bürger verhindert; mau baut lieber ganze Kasernenstädte.
Die Kosten, welche solche Bauten verursachen, zu decken, wird die Börse des Bür¬
gers gezwungen. In den größeren Städten erklärt die Regierung jeden Haus¬
besitzer für verpflichtet, einen Raum seines Hauses unentgeltlich an das kaiserliche
Heer abzutreten. Nach Umfang und Eleganz sind die Häuser den vierzehn mili¬
tärischen Rangstufen entsprechend classificirt. Da nun die Negierung diese Woh¬
nungen nicht von Soldaten beziehen läßt, so fordert sie von dem Hausbesitzer
eine Steuer, welche dem Miethwerthe der Wohnung gleichkommt. Das Quartier
eines Generals ist in Warschau mit 6000 Gulden veranschlagt. Das ist die
Quartiersteuer. Im Sommer muß das Heer ins Lager ziehen. Die Kasernen
behalten dann nur eine Wachtmanuschaft, die große Masse ihrer Einwohnerschaft
bezieht die Zelte, welche, gewöhnlich in nächster Nähe der Stadt, auf Wiesen¬
flächen aufgeschlagen sind. Für die höheren Offiziere ist diese Anstalt eine Spie¬
lerei. Ihre Zelte sind Gebäude voller Prunk und Bequemlichkeitsgeräthen, haben
verschiedene Zimmer, Küchen, sogar Säle, und dienen gewiß nicht dazu, die Herrn
Bewohner mit den Kriegsbcschwerden vertraut zu machen. Gleiches ist natürlich
nicht vou deu luftigen Zelten der gemeinen Mannschaft zu sagen, in denen sich au¬
ßer einigen Haken zum Aufhängen der Geräthschafte nichts befindet als die Schlaf¬
ftreue. Jeder Soldat gräbt sich in der Nähe des Zeltes ein Loch in die Erde,
welches er als Küche benutzt. Diese Feuerlöcher gebe" Einem Auskunft über die
Zahl der Soldaten, welche sich im Zelte befinden. Für das Brennmaterial muß
der Soldat selbst sorgen, wenn er gekochte Speisen genießen will, daher er ge¬
zwungen ist, die nächsten Wälder zu plündern, was die Offiziere für eine im
Kriegsleben ganz ordnungsgemäße Sache halten und die Waldbesttzer nicht zu ver¬
wehren wagen. Die Plünderung pflegt sich nicht blos auf die Wälder, sondern
auch auf die Felder zu erstrecken. Hat der Soldat etwas, wobei er kocht, so will
er natürlich auch etwas haben, was des Kochens werth ist. Die Früchte derje¬
nigen Felder, in deren Nähe ein russisches Soldatenlager aufgeschlagen wird, sind
niemals das Eigenthum ihres rechtmäßigen Herrn. Daher Pflegen die Bürger
oder Bauern in der Nähe eines Lagerortes ihre Grundstücke gar nicht zu bestellen.
Im September wird das Lager aufgehoben.

Viele Offiziere können nur ein einziges Wort schreiben, nämlich ihren Ra-
nen, sonst keins. Bei dem Offiziercorps der Kosaken ist der traurige Ruhm, we-


17*

schieht gewöhnlich an dem Tage, nach welchem sie in das Dampfbad getrieben werden
soll. Natürlich befinden sich die Soldaten viel wohler als in den Kasernen in den
Quartieren bei den Bürgern oder Bauern. Diese Pflegen sie denn auch für ihre
Paradiese zu halten. Will der Bürger oder Bauer nicht in .Küche und Brod-
schrank allangenblicklich bestohlen werden, so muß er den Soldaten mit an den
Tisch setzen und genießen lassen, so viel er bedarf. Allein nur selten wird dem
Soldaten das Glück zu Theil. Wo es irgend möglich ist, 'wird jede Berührung
des Soldaten mit dem Bürger verhindert; mau baut lieber ganze Kasernenstädte.
Die Kosten, welche solche Bauten verursachen, zu decken, wird die Börse des Bür¬
gers gezwungen. In den größeren Städten erklärt die Regierung jeden Haus¬
besitzer für verpflichtet, einen Raum seines Hauses unentgeltlich an das kaiserliche
Heer abzutreten. Nach Umfang und Eleganz sind die Häuser den vierzehn mili¬
tärischen Rangstufen entsprechend classificirt. Da nun die Negierung diese Woh¬
nungen nicht von Soldaten beziehen läßt, so fordert sie von dem Hausbesitzer
eine Steuer, welche dem Miethwerthe der Wohnung gleichkommt. Das Quartier
eines Generals ist in Warschau mit 6000 Gulden veranschlagt. Das ist die
Quartiersteuer. Im Sommer muß das Heer ins Lager ziehen. Die Kasernen
behalten dann nur eine Wachtmanuschaft, die große Masse ihrer Einwohnerschaft
bezieht die Zelte, welche, gewöhnlich in nächster Nähe der Stadt, auf Wiesen¬
flächen aufgeschlagen sind. Für die höheren Offiziere ist diese Anstalt eine Spie¬
lerei. Ihre Zelte sind Gebäude voller Prunk und Bequemlichkeitsgeräthen, haben
verschiedene Zimmer, Küchen, sogar Säle, und dienen gewiß nicht dazu, die Herrn
Bewohner mit den Kriegsbcschwerden vertraut zu machen. Gleiches ist natürlich
nicht vou deu luftigen Zelten der gemeinen Mannschaft zu sagen, in denen sich au¬
ßer einigen Haken zum Aufhängen der Geräthschafte nichts befindet als die Schlaf¬
ftreue. Jeder Soldat gräbt sich in der Nähe des Zeltes ein Loch in die Erde,
welches er als Küche benutzt. Diese Feuerlöcher gebe» Einem Auskunft über die
Zahl der Soldaten, welche sich im Zelte befinden. Für das Brennmaterial muß
der Soldat selbst sorgen, wenn er gekochte Speisen genießen will, daher er ge¬
zwungen ist, die nächsten Wälder zu plündern, was die Offiziere für eine im
Kriegsleben ganz ordnungsgemäße Sache halten und die Waldbesttzer nicht zu ver¬
wehren wagen. Die Plünderung pflegt sich nicht blos auf die Wälder, sondern
auch auf die Felder zu erstrecken. Hat der Soldat etwas, wobei er kocht, so will
er natürlich auch etwas haben, was des Kochens werth ist. Die Früchte derje¬
nigen Felder, in deren Nähe ein russisches Soldatenlager aufgeschlagen wird, sind
niemals das Eigenthum ihres rechtmäßigen Herrn. Daher Pflegen die Bürger
oder Bauern in der Nähe eines Lagerortes ihre Grundstücke gar nicht zu bestellen.
Im September wird das Lager aufgehoben.

Viele Offiziere können nur ein einziges Wort schreiben, nämlich ihren Ra-
nen, sonst keins. Bei dem Offiziercorps der Kosaken ist der traurige Ruhm, we-


17*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279683"/>
          <p xml:id="ID_434" prev="#ID_433"> schieht gewöhnlich an dem Tage, nach welchem sie in das Dampfbad getrieben werden<lb/>
soll. Natürlich befinden sich die Soldaten viel wohler als in den Kasernen in den<lb/>
Quartieren bei den Bürgern oder Bauern. Diese Pflegen sie denn auch für ihre<lb/>
Paradiese zu halten. Will der Bürger oder Bauer nicht in .Küche und Brod-<lb/>
schrank allangenblicklich bestohlen werden, so muß er den Soldaten mit an den<lb/>
Tisch setzen und genießen lassen, so viel er bedarf. Allein nur selten wird dem<lb/>
Soldaten das Glück zu Theil. Wo es irgend möglich ist, 'wird jede Berührung<lb/>
des Soldaten mit dem Bürger verhindert; mau baut lieber ganze Kasernenstädte.<lb/>
Die Kosten, welche solche Bauten verursachen, zu decken, wird die Börse des Bür¬<lb/>
gers gezwungen. In den größeren Städten erklärt die Regierung jeden Haus¬<lb/>
besitzer für verpflichtet, einen Raum seines Hauses unentgeltlich an das kaiserliche<lb/>
Heer abzutreten. Nach Umfang und Eleganz sind die Häuser den vierzehn mili¬<lb/>
tärischen Rangstufen entsprechend classificirt. Da nun die Negierung diese Woh¬<lb/>
nungen nicht von Soldaten beziehen läßt, so fordert sie von dem Hausbesitzer<lb/>
eine Steuer, welche dem Miethwerthe der Wohnung gleichkommt. Das Quartier<lb/>
eines Generals ist in Warschau mit 6000 Gulden veranschlagt. Das ist die<lb/>
Quartiersteuer. Im Sommer muß das Heer ins Lager ziehen. Die Kasernen<lb/>
behalten dann nur eine Wachtmanuschaft, die große Masse ihrer Einwohnerschaft<lb/>
bezieht die Zelte, welche, gewöhnlich in nächster Nähe der Stadt, auf Wiesen¬<lb/>
flächen aufgeschlagen sind. Für die höheren Offiziere ist diese Anstalt eine Spie¬<lb/>
lerei. Ihre Zelte sind Gebäude voller Prunk und Bequemlichkeitsgeräthen, haben<lb/>
verschiedene Zimmer, Küchen, sogar Säle, und dienen gewiß nicht dazu, die Herrn<lb/>
Bewohner mit den Kriegsbcschwerden vertraut zu machen. Gleiches ist natürlich<lb/>
nicht vou deu luftigen Zelten der gemeinen Mannschaft zu sagen, in denen sich au¬<lb/>
ßer einigen Haken zum Aufhängen der Geräthschafte nichts befindet als die Schlaf¬<lb/>
ftreue. Jeder Soldat gräbt sich in der Nähe des Zeltes ein Loch in die Erde,<lb/>
welches er als Küche benutzt. Diese Feuerlöcher gebe» Einem Auskunft über die<lb/>
Zahl der Soldaten, welche sich im Zelte befinden. Für das Brennmaterial muß<lb/>
der Soldat selbst sorgen, wenn er gekochte Speisen genießen will, daher er ge¬<lb/>
zwungen ist, die nächsten Wälder zu plündern, was die Offiziere für eine im<lb/>
Kriegsleben ganz ordnungsgemäße Sache halten und die Waldbesttzer nicht zu ver¬<lb/>
wehren wagen. Die Plünderung pflegt sich nicht blos auf die Wälder, sondern<lb/>
auch auf die Felder zu erstrecken. Hat der Soldat etwas, wobei er kocht, so will<lb/>
er natürlich auch etwas haben, was des Kochens werth ist. Die Früchte derje¬<lb/>
nigen Felder, in deren Nähe ein russisches Soldatenlager aufgeschlagen wird, sind<lb/>
niemals das Eigenthum ihres rechtmäßigen Herrn. Daher Pflegen die Bürger<lb/>
oder Bauern in der Nähe eines Lagerortes ihre Grundstücke gar nicht zu bestellen.<lb/>
Im September wird das Lager aufgehoben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_435" next="#ID_436"> Viele Offiziere können nur ein einziges Wort schreiben, nämlich ihren Ra-<lb/>
nen, sonst keins. Bei dem Offiziercorps der Kosaken ist der traurige Ruhm, we-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] schieht gewöhnlich an dem Tage, nach welchem sie in das Dampfbad getrieben werden soll. Natürlich befinden sich die Soldaten viel wohler als in den Kasernen in den Quartieren bei den Bürgern oder Bauern. Diese Pflegen sie denn auch für ihre Paradiese zu halten. Will der Bürger oder Bauer nicht in .Küche und Brod- schrank allangenblicklich bestohlen werden, so muß er den Soldaten mit an den Tisch setzen und genießen lassen, so viel er bedarf. Allein nur selten wird dem Soldaten das Glück zu Theil. Wo es irgend möglich ist, 'wird jede Berührung des Soldaten mit dem Bürger verhindert; mau baut lieber ganze Kasernenstädte. Die Kosten, welche solche Bauten verursachen, zu decken, wird die Börse des Bür¬ gers gezwungen. In den größeren Städten erklärt die Regierung jeden Haus¬ besitzer für verpflichtet, einen Raum seines Hauses unentgeltlich an das kaiserliche Heer abzutreten. Nach Umfang und Eleganz sind die Häuser den vierzehn mili¬ tärischen Rangstufen entsprechend classificirt. Da nun die Negierung diese Woh¬ nungen nicht von Soldaten beziehen läßt, so fordert sie von dem Hausbesitzer eine Steuer, welche dem Miethwerthe der Wohnung gleichkommt. Das Quartier eines Generals ist in Warschau mit 6000 Gulden veranschlagt. Das ist die Quartiersteuer. Im Sommer muß das Heer ins Lager ziehen. Die Kasernen behalten dann nur eine Wachtmanuschaft, die große Masse ihrer Einwohnerschaft bezieht die Zelte, welche, gewöhnlich in nächster Nähe der Stadt, auf Wiesen¬ flächen aufgeschlagen sind. Für die höheren Offiziere ist diese Anstalt eine Spie¬ lerei. Ihre Zelte sind Gebäude voller Prunk und Bequemlichkeitsgeräthen, haben verschiedene Zimmer, Küchen, sogar Säle, und dienen gewiß nicht dazu, die Herrn Bewohner mit den Kriegsbcschwerden vertraut zu machen. Gleiches ist natürlich nicht vou deu luftigen Zelten der gemeinen Mannschaft zu sagen, in denen sich au¬ ßer einigen Haken zum Aufhängen der Geräthschafte nichts befindet als die Schlaf¬ ftreue. Jeder Soldat gräbt sich in der Nähe des Zeltes ein Loch in die Erde, welches er als Küche benutzt. Diese Feuerlöcher gebe» Einem Auskunft über die Zahl der Soldaten, welche sich im Zelte befinden. Für das Brennmaterial muß der Soldat selbst sorgen, wenn er gekochte Speisen genießen will, daher er ge¬ zwungen ist, die nächsten Wälder zu plündern, was die Offiziere für eine im Kriegsleben ganz ordnungsgemäße Sache halten und die Waldbesttzer nicht zu ver¬ wehren wagen. Die Plünderung pflegt sich nicht blos auf die Wälder, sondern auch auf die Felder zu erstrecken. Hat der Soldat etwas, wobei er kocht, so will er natürlich auch etwas haben, was des Kochens werth ist. Die Früchte derje¬ nigen Felder, in deren Nähe ein russisches Soldatenlager aufgeschlagen wird, sind niemals das Eigenthum ihres rechtmäßigen Herrn. Daher Pflegen die Bürger oder Bauern in der Nähe eines Lagerortes ihre Grundstücke gar nicht zu bestellen. Im September wird das Lager aufgehoben. Viele Offiziere können nur ein einziges Wort schreiben, nämlich ihren Ra- nen, sonst keins. Bei dem Offiziercorps der Kosaken ist der traurige Ruhm, we- 17*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/135>, abgerufen am 15.01.2025.