Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Bauer seinem Hunde in den Napf schneiden. Es besteht aus Schrot von Roggen Außer dem Brote, werden dem Soldaten Graupen, Grütze und Erbsen, auch Bauer seinem Hunde in den Napf schneiden. Es besteht aus Schrot von Roggen Außer dem Brote, werden dem Soldaten Graupen, Grütze und Erbsen, auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279676"/> <p xml:id="ID_415" prev="#ID_414"> Bauer seinem Hunde in den Napf schneiden. Es besteht aus Schrot von Roggen<lb/> und Gerste, bisweilen auch noch geringeren Getreidearten, welche die Magazin¬<lb/> verwalter regelmäßig, oftmals aber in allzugroßen Massen beimischen, ihrer Börse<lb/> wegen. Derartige „Ersparnisse" sind bei dem ganzen russischen Heere gebräuchlich.<lb/> Die Furcht der Mannschaft verhindert, sie zum Gegenstände einer Beschwerde zu ma¬<lb/> chen, auch würden dergleichen Beschwerden keinen Erfolg haben, da der Nutzen der<lb/> Ersparnisse gerade denjenigen Leuten zu Theil wird, welche die Beschwerden auf¬<lb/> zunehmen haben. Der Magazinverwalter theilt sie mit dem Obersten, bei dessen<lb/> Regimente sie gemacht werden, andere macht sich der Oberst allem zu Nutzen,<lb/> wieder andere aber theilt er mit dem Brigadegeneral, nud dieser macht mancherlei<lb/> Ersparnisse, welche ihm und dem Divisionsgeneral zu Theil werde».</p><lb/> <p xml:id="ID_416"> Außer dem Brote, werden dem Soldaten Graupen, Grütze und Erbsen, auch<lb/> Kartoffel» gegeben. Ihm bleibt es überlassen, sich diese Sachen zu bereiten.<lb/> Welches Product der tölpische Mensch hervorbringt, kann man sich leicht denken.<lb/> Meist fehlen ihm die nöthigsten Hilfsmittel, als Geschirre, Holz und dergl. Ein<lb/> Glück ist's, daß der Magen der Russen halb rohe, ja selbst rohe Nahrungsstoffe<lb/> zu überwinden im Stande ist, sonst möchten die Sterbefälle in dem russischen Heere<lb/> entsetzlich häufig sein. Ohnehin sind sie keinesweges selten. Doch rühren sie oft nicht so¬<lb/> wohl von deu schlechte» Speisen als vom übermäßigen Genusse her, dem sich der<lb/> gemeine russische Soldat stets überläßt, wo er eine Gelegenheit dazu findet.<lb/> Bei dem Durchmärsche eines russischen Regiments wurde, — um ein Beispiel zu<lb/> geben — ein Soldat Namens Joa» bei einem Bauer in dem Dorfe Kannen in<lb/> Niederpoleu einquartirt, welcher an demselben Tage ein Schwein geschlachtet hatte.<lb/> Nach polnisch bäurischen Gebrauch war das ganze unzertheilte Gedärm des ge¬<lb/> schlachteten Thieres mit rohem gehacktem Fleisch gefüllt und diese 19 Fuß lange<lb/> Wurst unter der Decke der Stube aufgehängt worden, damit sie austrockne und<lb/> dann in den Schornstein zum Räuchern gebracht werde. Daß der russische Sol¬<lb/> dat trotz dem an der Wand hängenden Christnsbilde die Seelenkraft nicht besaß,<lb/> sich vor unerlaubter Antastung dieser Wurst zu bewahren, war wohl natürlich, daß<lb/> er aber diese 19 Fuß lange, aus rohem Fleisch bestehende Wurst während der<lb/> Nacht total aufaß, das möchte doch ein Nichtrnsse für mehr als natürlich halten.<lb/> Man kann sich die Wirkung der ungeheueren Masse rohen Fleisches in dem Ma¬<lb/> gen denken. Der Mensch mußte desselben Tages seinen Geist aufgebe» und be¬<lb/> schwor — aus Furcht vor der Knute — noch mit seinen letzte» Athemzügen „er<lb/> sei es nicht gewesen, der während der Nacht die Wurst aufgefressen habe." So<lb/> überluden drei russische Soldaten, welche bei Siedlce in den Gemüsegarten eiues<lb/> Herrn v. Potocki eingebrochen waren, ihre Magen so mit rohem Kohlrabi, daß<lb/> zwei davon nach wenigen Stunden starben und der dritte nur durch die Prügel<lb/> des energischen Feldwebels gerettet wurde, welche ihm eine ungewöhnlich starke<lb/> Leibesbewegung verschafften.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Bauer seinem Hunde in den Napf schneiden. Es besteht aus Schrot von Roggen
und Gerste, bisweilen auch noch geringeren Getreidearten, welche die Magazin¬
verwalter regelmäßig, oftmals aber in allzugroßen Massen beimischen, ihrer Börse
wegen. Derartige „Ersparnisse" sind bei dem ganzen russischen Heere gebräuchlich.
Die Furcht der Mannschaft verhindert, sie zum Gegenstände einer Beschwerde zu ma¬
chen, auch würden dergleichen Beschwerden keinen Erfolg haben, da der Nutzen der
Ersparnisse gerade denjenigen Leuten zu Theil wird, welche die Beschwerden auf¬
zunehmen haben. Der Magazinverwalter theilt sie mit dem Obersten, bei dessen
Regimente sie gemacht werden, andere macht sich der Oberst allem zu Nutzen,
wieder andere aber theilt er mit dem Brigadegeneral, nud dieser macht mancherlei
Ersparnisse, welche ihm und dem Divisionsgeneral zu Theil werde».
Außer dem Brote, werden dem Soldaten Graupen, Grütze und Erbsen, auch
Kartoffel» gegeben. Ihm bleibt es überlassen, sich diese Sachen zu bereiten.
Welches Product der tölpische Mensch hervorbringt, kann man sich leicht denken.
Meist fehlen ihm die nöthigsten Hilfsmittel, als Geschirre, Holz und dergl. Ein
Glück ist's, daß der Magen der Russen halb rohe, ja selbst rohe Nahrungsstoffe
zu überwinden im Stande ist, sonst möchten die Sterbefälle in dem russischen Heere
entsetzlich häufig sein. Ohnehin sind sie keinesweges selten. Doch rühren sie oft nicht so¬
wohl von deu schlechte» Speisen als vom übermäßigen Genusse her, dem sich der
gemeine russische Soldat stets überläßt, wo er eine Gelegenheit dazu findet.
Bei dem Durchmärsche eines russischen Regiments wurde, — um ein Beispiel zu
geben — ein Soldat Namens Joa» bei einem Bauer in dem Dorfe Kannen in
Niederpoleu einquartirt, welcher an demselben Tage ein Schwein geschlachtet hatte.
Nach polnisch bäurischen Gebrauch war das ganze unzertheilte Gedärm des ge¬
schlachteten Thieres mit rohem gehacktem Fleisch gefüllt und diese 19 Fuß lange
Wurst unter der Decke der Stube aufgehängt worden, damit sie austrockne und
dann in den Schornstein zum Räuchern gebracht werde. Daß der russische Sol¬
dat trotz dem an der Wand hängenden Christnsbilde die Seelenkraft nicht besaß,
sich vor unerlaubter Antastung dieser Wurst zu bewahren, war wohl natürlich, daß
er aber diese 19 Fuß lange, aus rohem Fleisch bestehende Wurst während der
Nacht total aufaß, das möchte doch ein Nichtrnsse für mehr als natürlich halten.
Man kann sich die Wirkung der ungeheueren Masse rohen Fleisches in dem Ma¬
gen denken. Der Mensch mußte desselben Tages seinen Geist aufgebe» und be¬
schwor — aus Furcht vor der Knute — noch mit seinen letzte» Athemzügen „er
sei es nicht gewesen, der während der Nacht die Wurst aufgefressen habe." So
überluden drei russische Soldaten, welche bei Siedlce in den Gemüsegarten eiues
Herrn v. Potocki eingebrochen waren, ihre Magen so mit rohem Kohlrabi, daß
zwei davon nach wenigen Stunden starben und der dritte nur durch die Prügel
des energischen Feldwebels gerettet wurde, welche ihm eine ungewöhnlich starke
Leibesbewegung verschafften.
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