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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Abb^s besitzen und daher blos eine Maschine in der Hand der Parteihäupter sein
soll. -- Die zweite Fraction der Assemblue nationale bilden die Orleauisten
oder die Anhänger der Familie des Exkönigs Louis Philippe. Dieselben zerfallen
in zwei Spaltungen, von welchen die eine unbedingte Zurückberufung der Familie
Orleans mit der Wiedereinsetzung des alten Bürgerkönigs im Hintergründe, die
andre blos eine Regentschaft für den Grafen von Paris will. An der Spitze der
ersten steht der alte Molo. Dieser merkwürdige Mann, welchen alle Parteien
wenigstens für ehrlich halten, hat seine persönliche Freundschaft für Louis Philipp,
mit welchem er gar manches gute Geschäftchen gemacht haben soll, so innig mit
dem Wohle des Staats amalgamirt, daß er beide nicht mehr zu trennen vermag.
Er hat Verstand und Mittel, aber seine Sache ist nicht die Beste, und darum
wird er scheitern. Sein Organ sind die Dcbatö, welchen zugleich Rothschild seine
zärtliche Theilnahme und seinen noch werthvolleren Kredit zugewendet hat. Die
zweite Fraction besitzt den Cvnstitntionel, und ihr Chef ist Thiers. Wer kennt
ihn nicht aus seinen Schriften, aus seinen Reden, welche in alle" Zeitungen der
Welt abgedruckt wordeu sind, endlich ans den tausend und aber tausend Carrica-
turen, eine wie die andre, mit welchen Cham den kleinen Reactionär fortwährend
verfolgt? Thiers ist jedenfalls der geistreichste Franzose, d. h., er besitzt jenen
sprichenden, hüpfenden Esprit der wie Funken eines Feuerwerks blendet aber dann
auch nichts weiter in der Seele zurückläßt. Anerkennenswerth ist die Haltung des
kleinen Mannes in der Kammer; er versteht es immer zu imponiren und seinen
Gegnern eine Blöße abzugewinnen, so wenig diese im Stande sind, jemals seine
Achillesferse zu entdecken -- denn er hat keine und alle Pfeile gleiten ab an die¬
sem glatten, ewig lächelnden Staatömännlein. Eine dritte Spaltung der Orlea¬
nistm wird durch das Journal La Patrie repräsentirt, welches sein Leben und
seine Erhaltung insbesondre dem Patriotismus des Banquiers Delamarre verdankt.
Jene spricht sich uicht bestimmt genug über ihr Wollen und Ziel aus; es scheint,
daß sie einer Verschmelzung der bourbonischen und orleanistischeu Interessen, etwa
durch das Medium der Adoption des Grafen von Paris durch Henry V. nicht
abgeneigt ist. Die Freunde der vertriebenen Königsfamilie leben vorzüglich in
Paris -- alle b"n" bon-ALuis können den Alten mit seinem Regenschirm nun und
nimmermehr vergessen -- ferner in der Normandie dn Cotv de Havre, im Depar¬
tement Calvados ze. Als dritte Partei der Nationalversammlung sind die echten,
oder gemäßigten Republikaner zu nennen. Ihrer sind verhältnißmäßig außeror¬
dentlich wenige; ihre Hauptvertreter sind in der Kammer Lamartine und Cavaig-
nac, -- Butter und Brot, oder Trompete und Säbel wie der Volkswitz sie zu
nennen beliebt. In der That gleicht die bodenlose romantische Schwärmerei des
Dichters der Meditativnö, welche er in streng politischen Angelegenheiten noch mehr
am Orte hält, wie in Poesien, der in der Sonne rührender Wehmuth zerfließen¬
den Butter und keine Trompete hat noch so schmetternd und beharrlich ihren Ton


Abb^s besitzen und daher blos eine Maschine in der Hand der Parteihäupter sein
soll. — Die zweite Fraction der Assemblue nationale bilden die Orleauisten
oder die Anhänger der Familie des Exkönigs Louis Philippe. Dieselben zerfallen
in zwei Spaltungen, von welchen die eine unbedingte Zurückberufung der Familie
Orleans mit der Wiedereinsetzung des alten Bürgerkönigs im Hintergründe, die
andre blos eine Regentschaft für den Grafen von Paris will. An der Spitze der
ersten steht der alte Molo. Dieser merkwürdige Mann, welchen alle Parteien
wenigstens für ehrlich halten, hat seine persönliche Freundschaft für Louis Philipp,
mit welchem er gar manches gute Geschäftchen gemacht haben soll, so innig mit
dem Wohle des Staats amalgamirt, daß er beide nicht mehr zu trennen vermag.
Er hat Verstand und Mittel, aber seine Sache ist nicht die Beste, und darum
wird er scheitern. Sein Organ sind die Dcbatö, welchen zugleich Rothschild seine
zärtliche Theilnahme und seinen noch werthvolleren Kredit zugewendet hat. Die
zweite Fraction besitzt den Cvnstitntionel, und ihr Chef ist Thiers. Wer kennt
ihn nicht aus seinen Schriften, aus seinen Reden, welche in alle» Zeitungen der
Welt abgedruckt wordeu sind, endlich ans den tausend und aber tausend Carrica-
turen, eine wie die andre, mit welchen Cham den kleinen Reactionär fortwährend
verfolgt? Thiers ist jedenfalls der geistreichste Franzose, d. h., er besitzt jenen
sprichenden, hüpfenden Esprit der wie Funken eines Feuerwerks blendet aber dann
auch nichts weiter in der Seele zurückläßt. Anerkennenswerth ist die Haltung des
kleinen Mannes in der Kammer; er versteht es immer zu imponiren und seinen
Gegnern eine Blöße abzugewinnen, so wenig diese im Stande sind, jemals seine
Achillesferse zu entdecken — denn er hat keine und alle Pfeile gleiten ab an die¬
sem glatten, ewig lächelnden Staatömännlein. Eine dritte Spaltung der Orlea¬
nistm wird durch das Journal La Patrie repräsentirt, welches sein Leben und
seine Erhaltung insbesondre dem Patriotismus des Banquiers Delamarre verdankt.
Jene spricht sich uicht bestimmt genug über ihr Wollen und Ziel aus; es scheint,
daß sie einer Verschmelzung der bourbonischen und orleanistischeu Interessen, etwa
durch das Medium der Adoption des Grafen von Paris durch Henry V. nicht
abgeneigt ist. Die Freunde der vertriebenen Königsfamilie leben vorzüglich in
Paris — alle b»n« bon-ALuis können den Alten mit seinem Regenschirm nun und
nimmermehr vergessen — ferner in der Normandie dn Cotv de Havre, im Depar¬
tement Calvados ze. Als dritte Partei der Nationalversammlung sind die echten,
oder gemäßigten Republikaner zu nennen. Ihrer sind verhältnißmäßig außeror¬
dentlich wenige; ihre Hauptvertreter sind in der Kammer Lamartine und Cavaig-
nac, — Butter und Brot, oder Trompete und Säbel wie der Volkswitz sie zu
nennen beliebt. In der That gleicht die bodenlose romantische Schwärmerei des
Dichters der Meditativnö, welche er in streng politischen Angelegenheiten noch mehr
am Orte hält, wie in Poesien, der in der Sonne rührender Wehmuth zerfließen¬
den Butter und keine Trompete hat noch so schmetternd und beharrlich ihren Ton


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/115>, abgerufen am 15.01.2025.