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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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der eisernen Bogenbrücken, an ihm hat die Welt verloren. Mein Unglück ist
grenzenlos und ohne Beispiel sind die Qualen, die ich ausgestanden. Mein Lei¬
den wird ewig sein. Sie werden begreifen, daß ich an nichts zu denken vermag,
als an mein Unglück. N"r der Wunsch, meinen Sohn zu befreien, belebt mich
noch. Er ist nach Gratz transportirt, haben Sie Bekannte dort, o so gedenken
Sie meines armen 18jährigen Sohnes."


F. v. Maderspach.


Die Nationalversammlung und die Parteien in Paris.



-- Vergangenen Montag hat die Nationalversammlung wieder ihre Sitzungen
begonnen. Der Zudrang zu den Galerien ist ein sehr geringer gewesen, das Pu¬
blikum ist der Politik müde bis über die Ohren und die einstigen Magnete, welche
es in die Sitzungen zogen, sind daraus verschwunden und träumen im Exil von
bessern Zeiten. Nichts destoweniger hat die Assembler nationale ganz ihr altes
Gepräge beizubehalten gewußt und überall begegnen dem neugierigen Blick be¬
kannte Gesichter. Der Präsident Dupin trägt noch dieselben schweren und mit
dicken eisernen Nägeln beschlagenen Schuhe, welche längst in ganz Frankreich histo¬
risch geworden sind, der kleine Weltmann Thiers lächelt noch immer einem Jeden
freundlich wohlwollend durch die Brille zu, die große, mit Warzeugcbirgen besäete
Nase Tascherean's scheint an Umfang und Jntensivität der Farbe während der
Vacanzen gewonnen zu haben, und der starke Marquis Larochejaqneliu weiß noch
immer die theatralisch-majestätische Pose zur Geltung zu bringen, welche dem letz¬
ten Sprößling großer Ahnen wohl geziemt. Was wird uns diesmal die Ver¬
sammlung wohl bringen, Gutes oder Schlimmes? Wahrscheinlich einen Konsul
auf Lebenszeit, und in welche Kategorie diese Gabe gehört, das ist im Voraus
unmöglich zu entscheiden. So sehr aber auch jeder Pariser davon überzeugt ist,
daß diese Würde auf Louis Napoleons Schulter gelegt werden wird, ebenso sehr
ist er es auch davou, daß der Prinz sie nicht mißbrauchen, es nicht wagen wird, sich
zum Kaiser ausrufe" zu lassen. Dazu fehlt ihm der Anhang, und er hat bis
jetzt nichts gethan, sich denselben zu verschaffen.. Seine Stellung zur National¬
versammlung ist eine schiefe, sie würde unhaltbar sein, wenn die eifersüchtigen Rei¬
bungen der Parteien ihn nicht sortwährend über dem Niveau der Wogen erhielten.
Wie es mit den Sympathien der Assemblee für die republikanische Staatsform
aussteht, können Sie daraus entnehmen, daß von den siebenhundert fünfzig Depu¬
taten nicht weniger als fünfhi^ert neunzig ganz gute Royalisten sind. Diese
geben sich alle mögliche Mühe, die Form des Gouvernements zu ändern, und da
Napoleon Louis keineswegs große Lust zeigt, einem Andern Platz zu machen und


der eisernen Bogenbrücken, an ihm hat die Welt verloren. Mein Unglück ist
grenzenlos und ohne Beispiel sind die Qualen, die ich ausgestanden. Mein Lei¬
den wird ewig sein. Sie werden begreifen, daß ich an nichts zu denken vermag,
als an mein Unglück. N»r der Wunsch, meinen Sohn zu befreien, belebt mich
noch. Er ist nach Gratz transportirt, haben Sie Bekannte dort, o so gedenken
Sie meines armen 18jährigen Sohnes."


F. v. Maderspach.


Die Nationalversammlung und die Parteien in Paris.



— Vergangenen Montag hat die Nationalversammlung wieder ihre Sitzungen
begonnen. Der Zudrang zu den Galerien ist ein sehr geringer gewesen, das Pu¬
blikum ist der Politik müde bis über die Ohren und die einstigen Magnete, welche
es in die Sitzungen zogen, sind daraus verschwunden und träumen im Exil von
bessern Zeiten. Nichts destoweniger hat die Assembler nationale ganz ihr altes
Gepräge beizubehalten gewußt und überall begegnen dem neugierigen Blick be¬
kannte Gesichter. Der Präsident Dupin trägt noch dieselben schweren und mit
dicken eisernen Nägeln beschlagenen Schuhe, welche längst in ganz Frankreich histo¬
risch geworden sind, der kleine Weltmann Thiers lächelt noch immer einem Jeden
freundlich wohlwollend durch die Brille zu, die große, mit Warzeugcbirgen besäete
Nase Tascherean's scheint an Umfang und Jntensivität der Farbe während der
Vacanzen gewonnen zu haben, und der starke Marquis Larochejaqneliu weiß noch
immer die theatralisch-majestätische Pose zur Geltung zu bringen, welche dem letz¬
ten Sprößling großer Ahnen wohl geziemt. Was wird uns diesmal die Ver¬
sammlung wohl bringen, Gutes oder Schlimmes? Wahrscheinlich einen Konsul
auf Lebenszeit, und in welche Kategorie diese Gabe gehört, das ist im Voraus
unmöglich zu entscheiden. So sehr aber auch jeder Pariser davon überzeugt ist,
daß diese Würde auf Louis Napoleons Schulter gelegt werden wird, ebenso sehr
ist er es auch davou, daß der Prinz sie nicht mißbrauchen, es nicht wagen wird, sich
zum Kaiser ausrufe» zu lassen. Dazu fehlt ihm der Anhang, und er hat bis
jetzt nichts gethan, sich denselben zu verschaffen.. Seine Stellung zur National¬
versammlung ist eine schiefe, sie würde unhaltbar sein, wenn die eifersüchtigen Rei¬
bungen der Parteien ihn nicht sortwährend über dem Niveau der Wogen erhielten.
Wie es mit den Sympathien der Assemblee für die republikanische Staatsform
aussteht, können Sie daraus entnehmen, daß von den siebenhundert fünfzig Depu¬
taten nicht weniger als fünfhi^ert neunzig ganz gute Royalisten sind. Diese
geben sich alle mögliche Mühe, die Form des Gouvernements zu ändern, und da
Napoleon Louis keineswegs große Lust zeigt, einem Andern Platz zu machen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/113>, abgerufen am 15.01.2025.