Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.hastigkeit zeichnete scholl damals das Kind aus, und mehr als dies mag vielleicht Der Rabbiner wählte diesen Vers wegen des Wortes "Xosclwt." Man kennt Diese philologische Unrichtigkeit that dem Segen und seiner Bedeutung bei Als Ludwig Kossuth seine größere politische Wirksamkeit begann, äußerte er Kossuth aber, seiner Politik Alles opfernd, verschob die Anerkennung der Bür¬ Die östreichische Regierung erkannte die Nothwendigkeit das gährende Element 14*
hastigkeit zeichnete scholl damals das Kind aus, und mehr als dies mag vielleicht Der Rabbiner wählte diesen Vers wegen des Wortes „Xosclwt." Man kennt Diese philologische Unrichtigkeit that dem Segen und seiner Bedeutung bei Als Ludwig Kossuth seine größere politische Wirksamkeit begann, äußerte er Kossuth aber, seiner Politik Alles opfernd, verschob die Anerkennung der Bür¬ Die östreichische Regierung erkannte die Nothwendigkeit das gährende Element 14*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279659"/> <p xml:id="ID_354" prev="#ID_353"> hastigkeit zeichnete scholl damals das Kind aus, und mehr als dies mag vielleicht<lb/> der Umstand auf den Rabbi gewirkt haben, daß Ludwig nicht mit Hohn und Mi߬<lb/> achtung ans die fremdartige Umgebung blickte und noch nicht jene Schen zeigte,<lb/> die nahe an Abscheu grenzt. Wir wollen das Ausmalen dieser Seelenzustände<lb/> eines klugen Rabbi, einer beängstigten Mutter und eines geistvollen Knaben, einer<lb/> dichterischen Feder überlasse»; die Thatsache ist, daß der Rabbiner seine Hände<lb/> auf den Kopf des Kindes legte, und ihn segnete. Für ein so großes Ereigniß<lb/> wurde dies in jeuer Gegend betrachtet, daß die Kossuth'sche Familie den vom Rabbi<lb/> citirten Psalmensprnch sich notirte: Ps. V0, V. 6 nett!et!>, l'«jönck!t »os Ivlu«»»«^<lb/> mipnv Ktiscliot sein. Deutsch: Du verleihest deinen Frommen ein Panier, um<lb/> damit zu glänzen ob der Wahrheit willen.</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Der Rabbiner wählte diesen Vers wegen des Wortes „Xosclwt." Man kennt<lb/> diese Wortklaubereien und peripathetischen Spitzfindigkeiten der Talmudisten. Kn¬<lb/> öchel heißt Wahrheit, aber die AusleguugSbeflissenen schoben den Sinn unter:<lb/> Dn verleihest deinen Auserlesenen ein Panier, um damit zu glänzen ob Kossuth'ö<lb/> Willen (sprich Koschut).</p><lb/> <p xml:id="ID_356"> Diese philologische Unrichtigkeit that dem Segen und seiner Bedeutung bei<lb/> den Jsraeliten keinen Abbruch. Der Aphelyer Rabbi hatte dem Knaben noch dazu<lb/> eingeprägt, nicht feindlich zu sein gegen die armen Juden, und Ludwig Kossuth<lb/> zeichnete sich sogar in der Schule durch Toleranz ans. Diese kleinen Züge und<lb/> da er wirklich am Leben blieb, gaben den Worten des Rabbi noch mehr Gewicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_357"> Als Ludwig Kossuth seine größere politische Wirksamkeit begann, äußerte er<lb/> sich in liberalem Sinn über die Verhältnisse der Juden, und in der letzten Zeit<lb/> suchten die frommen und gläubigen die bereits verschollene Anecdote wieder her¬<lb/> vor, um an den Spruch eines ihrer Weisen die Hoffnung für die Zukunft zu<lb/> knüpfen. Der erwähnte Psalm wurde in den Synagogen gebetet, und fand die<lb/> spitzfindigsten Deutungen; schon das Finden des Wortes in der heiligen Schrift<lb/> wurde als ein Zeichen Gottes angesehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_358"> Kossuth aber, seiner Politik Alles opfernd, verschob die Anerkennung der Bür¬<lb/> gerrechte der Juden immer auf spätere Berathungen, um nicht Antipathien rege zu<lb/> mache», die seine Reihen entzweien konnten. Die Juden bluteten ans den nngar.<lb/> Schlachtfeldern, Kossuth benutzte sie zu vielen Diensten, und selbst einer seiner<lb/> Geheimsccretäre war ein Jude; aber die Emanzipation wurde erst in Szegedin,<lb/> als schon die Russen ans den Fersen waren, im Prinzip anerkannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_359" next="#ID_360"> Die östreichische Regierung erkannte die Nothwendigkeit das gährende Element<lb/> zu besänftigen. Stadion der in Polen Gelegenheit hatte, die Rührigkeit und Zä¬<lb/> higkeit der Juden kennen zu lernen, erkannte die fortdauernde Gefahr für Oest¬<lb/> reich, wenn diese an Geld und Geist reiche Menschenclasse wieder in's Ghetto<lb/> zurückgedrängt würde. In Wien wußte man, daß Pillersdorf's Sturz und die<lb/> Verwerfung seiner Verfassung großen Theils in der Nichtausführung des Prinzips</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 14*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
hastigkeit zeichnete scholl damals das Kind aus, und mehr als dies mag vielleicht
der Umstand auf den Rabbi gewirkt haben, daß Ludwig nicht mit Hohn und Mi߬
achtung ans die fremdartige Umgebung blickte und noch nicht jene Schen zeigte,
die nahe an Abscheu grenzt. Wir wollen das Ausmalen dieser Seelenzustände
eines klugen Rabbi, einer beängstigten Mutter und eines geistvollen Knaben, einer
dichterischen Feder überlasse»; die Thatsache ist, daß der Rabbiner seine Hände
auf den Kopf des Kindes legte, und ihn segnete. Für ein so großes Ereigniß
wurde dies in jeuer Gegend betrachtet, daß die Kossuth'sche Familie den vom Rabbi
citirten Psalmensprnch sich notirte: Ps. V0, V. 6 nett!et!>, l'«jönck!t »os Ivlu«»»«^
mipnv Ktiscliot sein. Deutsch: Du verleihest deinen Frommen ein Panier, um
damit zu glänzen ob der Wahrheit willen.
Der Rabbiner wählte diesen Vers wegen des Wortes „Xosclwt." Man kennt
diese Wortklaubereien und peripathetischen Spitzfindigkeiten der Talmudisten. Kn¬
öchel heißt Wahrheit, aber die AusleguugSbeflissenen schoben den Sinn unter:
Dn verleihest deinen Auserlesenen ein Panier, um damit zu glänzen ob Kossuth'ö
Willen (sprich Koschut).
Diese philologische Unrichtigkeit that dem Segen und seiner Bedeutung bei
den Jsraeliten keinen Abbruch. Der Aphelyer Rabbi hatte dem Knaben noch dazu
eingeprägt, nicht feindlich zu sein gegen die armen Juden, und Ludwig Kossuth
zeichnete sich sogar in der Schule durch Toleranz ans. Diese kleinen Züge und
da er wirklich am Leben blieb, gaben den Worten des Rabbi noch mehr Gewicht.
Als Ludwig Kossuth seine größere politische Wirksamkeit begann, äußerte er
sich in liberalem Sinn über die Verhältnisse der Juden, und in der letzten Zeit
suchten die frommen und gläubigen die bereits verschollene Anecdote wieder her¬
vor, um an den Spruch eines ihrer Weisen die Hoffnung für die Zukunft zu
knüpfen. Der erwähnte Psalm wurde in den Synagogen gebetet, und fand die
spitzfindigsten Deutungen; schon das Finden des Wortes in der heiligen Schrift
wurde als ein Zeichen Gottes angesehen.
Kossuth aber, seiner Politik Alles opfernd, verschob die Anerkennung der Bür¬
gerrechte der Juden immer auf spätere Berathungen, um nicht Antipathien rege zu
mache», die seine Reihen entzweien konnten. Die Juden bluteten ans den nngar.
Schlachtfeldern, Kossuth benutzte sie zu vielen Diensten, und selbst einer seiner
Geheimsccretäre war ein Jude; aber die Emanzipation wurde erst in Szegedin,
als schon die Russen ans den Fersen waren, im Prinzip anerkannt.
Die östreichische Regierung erkannte die Nothwendigkeit das gährende Element
zu besänftigen. Stadion der in Polen Gelegenheit hatte, die Rührigkeit und Zä¬
higkeit der Juden kennen zu lernen, erkannte die fortdauernde Gefahr für Oest¬
reich, wenn diese an Geld und Geist reiche Menschenclasse wieder in's Ghetto
zurückgedrängt würde. In Wien wußte man, daß Pillersdorf's Sturz und die
Verwerfung seiner Verfassung großen Theils in der Nichtausführung des Prinzips
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