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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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protestirt, steige Vom Throne, Viktoria, Hennig protestirt und schmiedet nun in
seiner Werkstätte -- wenn auch >>ost t'vstum -- die lithographirten Ketten, um
den europäischen Neptun zu beugen! --

Das Aeußere Hennig's ist auffallend. Ein kleiner bejahrter Mann, in stets
feierlich schwarzer Kleidung, mit übertrieben raschem Gang und Benehmen; un-
stäten Augen, die er immer unter Glas hält, und heftigen Gesten. Dabei ist er
bisweilen witzig, ritterlich und human; er besucht z. B. seinen Feind Havljczk im
Gefängniß und bezeugt ihm sein Beileid über die unangenehme Behausung. Sonst
ist er freundlich gegen Jedermann -- ja selbst zuvorkommend, wie auch in seinem
Privatcharakter untadelhaft.


Carl Fischer, I. U. Dr., Landesadvokat, k. k. Notar.

Die Jugend und das Mannesalter des Genannten bilden einen seltsamen
Contrast. Fischer ist der Sohn eines gräflich Kinsky'selen Wirthschaftsrathes,
welcher unter den Ersten in den Dominien dieser Gegend das Rab'sche System
eingeführt hat und dadurch in großer Huld bei seinen Gönnern stand. Der junge
Sohn wurde aber in seinem Studieuleben bald von burschikos-liberalen Ideen
Heiingesucht und in dem Prager Studententumulte des Jahrs 1819 ward unser
Fischer als einer der Jugravirtesten verhaftet, was ihm und, nebenbei gesagt,
auch seinem Kollegen, dem nachmaligen Neichstagsdeputirten Adolph Pinkas, auf
zwei Jahre seine Freiheit kostete. Dem Einfluß und dem Gelde seines Vaters
gelang es dennoch, nach dieser Zeit der Sache die Wendung eines Mißverständ¬
nisses und irrtümlicher Personenverwechslnng zu geben, wodurch der Verhaftete
seine Freiheit wieder erlangte, und als Entschädigung für den unverdienten langen
Arrest mit Uebergehung älterer Juristen nach seiner Promotion zum Landesadvo¬
katen befördert wurde. Fischer ist jetzt Anwalt mehrerer Herrschastshäuser, und
dieses, wie sein privilegirter Stand haben ihn zum starren Konservatismus ge¬
bracht, der jeder Neuerung abhold ist. Zwar wurde er im vorigen Jahre als
Dekan der juridischen Fakultät Mitglied jener Faster-trojanischen Deputationen,
deren großartiges Consnmtionsvermögen alle Welt in Erstaunen gesetzt hat und
nirgends mehr ein Geheimniß ist; aber trotzdem kann man ihm eben so wenig den
Vorwurf des Liberalismus machen, als den Verdacht gewissenloser Verschwendung
znwälzen, welcher gegenwärtig an so vielen Andern haftet. Aber als Dekan
machte er sich bei der studirenden Jugend dadurch verhaßt, daß er gegen die Zu¬
lassung einer Studentcnrepräseutanz in den akademischen Senat eifrig opponirte
und in einer öffentlichen Aulaversammlung unvorsichtig sogar in die Worte aus-
brach: "Ich protestire gegen jede Neuerung." Ein mehr als tausendstimmiges
"Zopf!" von übermüthigen Kehlen ihm zugedvnnert war der Lohn für diesen
Protest, die Sitzung, an der sich der ganze akademische Senat betheiligt hatte?


protestirt, steige Vom Throne, Viktoria, Hennig protestirt und schmiedet nun in
seiner Werkstätte — wenn auch >>ost t'vstum — die lithographirten Ketten, um
den europäischen Neptun zu beugen! —

Das Aeußere Hennig's ist auffallend. Ein kleiner bejahrter Mann, in stets
feierlich schwarzer Kleidung, mit übertrieben raschem Gang und Benehmen; un-
stäten Augen, die er immer unter Glas hält, und heftigen Gesten. Dabei ist er
bisweilen witzig, ritterlich und human; er besucht z. B. seinen Feind Havljczk im
Gefängniß und bezeugt ihm sein Beileid über die unangenehme Behausung. Sonst
ist er freundlich gegen Jedermann — ja selbst zuvorkommend, wie auch in seinem
Privatcharakter untadelhaft.


Carl Fischer, I. U. Dr., Landesadvokat, k. k. Notar.

Die Jugend und das Mannesalter des Genannten bilden einen seltsamen
Contrast. Fischer ist der Sohn eines gräflich Kinsky'selen Wirthschaftsrathes,
welcher unter den Ersten in den Dominien dieser Gegend das Rab'sche System
eingeführt hat und dadurch in großer Huld bei seinen Gönnern stand. Der junge
Sohn wurde aber in seinem Studieuleben bald von burschikos-liberalen Ideen
Heiingesucht und in dem Prager Studententumulte des Jahrs 1819 ward unser
Fischer als einer der Jugravirtesten verhaftet, was ihm und, nebenbei gesagt,
auch seinem Kollegen, dem nachmaligen Neichstagsdeputirten Adolph Pinkas, auf
zwei Jahre seine Freiheit kostete. Dem Einfluß und dem Gelde seines Vaters
gelang es dennoch, nach dieser Zeit der Sache die Wendung eines Mißverständ¬
nisses und irrtümlicher Personenverwechslnng zu geben, wodurch der Verhaftete
seine Freiheit wieder erlangte, und als Entschädigung für den unverdienten langen
Arrest mit Uebergehung älterer Juristen nach seiner Promotion zum Landesadvo¬
katen befördert wurde. Fischer ist jetzt Anwalt mehrerer Herrschastshäuser, und
dieses, wie sein privilegirter Stand haben ihn zum starren Konservatismus ge¬
bracht, der jeder Neuerung abhold ist. Zwar wurde er im vorigen Jahre als
Dekan der juridischen Fakultät Mitglied jener Faster-trojanischen Deputationen,
deren großartiges Consnmtionsvermögen alle Welt in Erstaunen gesetzt hat und
nirgends mehr ein Geheimniß ist; aber trotzdem kann man ihm eben so wenig den
Vorwurf des Liberalismus machen, als den Verdacht gewissenloser Verschwendung
znwälzen, welcher gegenwärtig an so vielen Andern haftet. Aber als Dekan
machte er sich bei der studirenden Jugend dadurch verhaßt, daß er gegen die Zu¬
lassung einer Studentcnrepräseutanz in den akademischen Senat eifrig opponirte
und in einer öffentlichen Aulaversammlung unvorsichtig sogar in die Worte aus-
brach: „Ich protestire gegen jede Neuerung." Ein mehr als tausendstimmiges
„Zopf!" von übermüthigen Kehlen ihm zugedvnnert war der Lohn für diesen
Protest, die Sitzung, an der sich der ganze akademische Senat betheiligt hatte?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/108>, abgerufen am 15.01.2025.