Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.worfen hätten und aktiv geworden wären, welche verheerenden Flammen müßten In der Gegenwart, wo das demokratische Gebiet der Zeit durch die uner¬ worfen hätten und aktiv geworden wären, welche verheerenden Flammen müßten In der Gegenwart, wo das demokratische Gebiet der Zeit durch die uner¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279654"/> <p xml:id="ID_343" prev="#ID_342"> worfen hätten und aktiv geworden wären, welche verheerenden Flammen müßten<lb/> aus jenem Holzstöße emporgestiegen sein, wo ohnehin so viel empfänglicher Zunder<lb/> angehäuft war, daß selbst ein kleines Fünkchen die Seelen zum Brande brachte? —<lb/> Da war es des Michels Glück, daß er eben Michel war, und ruhig die Hand in<lb/> den Schooß legte, zu Allein nickend, was da geschah; mitschreiend, wo gescvrien<lb/> wurde, und der Dinge harrend, die da zu seiner Befreiung kommen sollten. Ich<lb/> erinnere z. B. an jene Sitzung des deutschen constitutionellen Vereins im Convikt-<lb/> saale) wo das Hausrecht und die Redefreiheit von den Czechen so gröblich ver¬<lb/> letzt wurde, daß es ohne Da^wischenknnft Strobach's sicherlich zu traurigen Thät¬<lb/> lichkeiten gekommen wäre, blos deshalb, weil man dort von einem Anschluß an<lb/> Deutschland zu sprechen wagte. Das war aber auch der kritische Tag, wo in Prag<lb/> deutsche Interessen in so öffentlicher Weise vertreten und zertreten wurden und<lb/> von demselben Momente konnte selbst der wahrhaft Liberale viele Vortheile erken¬<lb/> nen, welche ans dem Bestände der hier lebenden massenhaften Gutgesinnten<lb/> in Zukunft für den Deutsch-Böhmen erblühen dürften. So ist es ihrem passiven<lb/> Widerstand zu danken, daß das deutsche Element in Böhmen dennoch wieder aktiv<lb/> zu werden vermochte, und sich nicht vollends unter das czechische Joch zu beugen<lb/> gezwungen wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_344" next="#ID_345"> In der Gegenwart, wo das demokratische Gebiet der Zeit durch die uner¬<lb/> bittliche militärische Nivellirung schwindsüchtig geworden, und einzelne Stoßseufzer<lb/> die ziemlich befestigte Ruhe nicht mehr zu stören vermögen, hat der Siebenund¬<lb/> sechziger freilich einigen Reiz verloren, wenn er ihn nicht dnrch die Würze der<lb/> Konversation neuerdings gewinnt. Ich erkenne Ihre Sehnsucht, mit einem solchen<lb/> politischen Hypochonder Bekanntschaft zu machen. Treten wir in dieses Gasthaus.<lb/> Es bietet Ihnen nebst guter Speise in.d Trank auch ein schönes Sümmchen solcher<lb/> interessanter Personen. Betrachten Sie diese Gruppe, die dort friedlich debattirt,<lb/> aber mit gerötheten Gesichtern — ob vom Bier oder vom Eifer, gleichviel, —<lb/> diese Gruppe gehört der heiligen Zahl an. Worüber sie wohl ihre Weisheit er¬<lb/> schöpfen mögen, die guten Vaterländer der gesetzlichen Ordnung! Ich höre den<lb/> Namen „Rieger." „Abkrageln," sagt der Eine, ein reicher Geldwechsler, schon<lb/> mit etwas lallender, also nicht ganz zurechnungsfähiger Zunge, „nur abkrageln.<lb/> Eher ist keine Ruh, bis alle Rebellen ihre Toilette am Galgen empfangen." —<lb/> „Dieser Rieger," sagt der Zweite, eine Advokat, „schade, ein so guter Kopf und<lb/> ein so böses Herz. Schade um ihn. Wenn er sich auf etwas Anderes, als auf<lb/> die Freiheit verlegt hätte, da wäre was aus ihm geworden, aber nun wird er<lb/> nie mehr zu einem Amte kommen." — „Wie fein," sagte der Dritte, ein stark-<lb/> beleibter Hausbesitzer, „wie fein. Geht nach Paris auf Reisen und conspirirt<lb/> gegen nus. Warte Schurke, man wird dir schon dein Fell zu gerben wissen,"-—<lb/> Das ein kleines Tischgespräch unserer Helden, die verdammen, ohne erst juridisch<lb/> oder selbst vernünftig das Verdammungsurtheil begründen zu können, die jeder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
worfen hätten und aktiv geworden wären, welche verheerenden Flammen müßten
aus jenem Holzstöße emporgestiegen sein, wo ohnehin so viel empfänglicher Zunder
angehäuft war, daß selbst ein kleines Fünkchen die Seelen zum Brande brachte? —
Da war es des Michels Glück, daß er eben Michel war, und ruhig die Hand in
den Schooß legte, zu Allein nickend, was da geschah; mitschreiend, wo gescvrien
wurde, und der Dinge harrend, die da zu seiner Befreiung kommen sollten. Ich
erinnere z. B. an jene Sitzung des deutschen constitutionellen Vereins im Convikt-
saale) wo das Hausrecht und die Redefreiheit von den Czechen so gröblich ver¬
letzt wurde, daß es ohne Da^wischenknnft Strobach's sicherlich zu traurigen Thät¬
lichkeiten gekommen wäre, blos deshalb, weil man dort von einem Anschluß an
Deutschland zu sprechen wagte. Das war aber auch der kritische Tag, wo in Prag
deutsche Interessen in so öffentlicher Weise vertreten und zertreten wurden und
von demselben Momente konnte selbst der wahrhaft Liberale viele Vortheile erken¬
nen, welche ans dem Bestände der hier lebenden massenhaften Gutgesinnten
in Zukunft für den Deutsch-Böhmen erblühen dürften. So ist es ihrem passiven
Widerstand zu danken, daß das deutsche Element in Böhmen dennoch wieder aktiv
zu werden vermochte, und sich nicht vollends unter das czechische Joch zu beugen
gezwungen wurde.
In der Gegenwart, wo das demokratische Gebiet der Zeit durch die uner¬
bittliche militärische Nivellirung schwindsüchtig geworden, und einzelne Stoßseufzer
die ziemlich befestigte Ruhe nicht mehr zu stören vermögen, hat der Siebenund¬
sechziger freilich einigen Reiz verloren, wenn er ihn nicht dnrch die Würze der
Konversation neuerdings gewinnt. Ich erkenne Ihre Sehnsucht, mit einem solchen
politischen Hypochonder Bekanntschaft zu machen. Treten wir in dieses Gasthaus.
Es bietet Ihnen nebst guter Speise in.d Trank auch ein schönes Sümmchen solcher
interessanter Personen. Betrachten Sie diese Gruppe, die dort friedlich debattirt,
aber mit gerötheten Gesichtern — ob vom Bier oder vom Eifer, gleichviel, —
diese Gruppe gehört der heiligen Zahl an. Worüber sie wohl ihre Weisheit er¬
schöpfen mögen, die guten Vaterländer der gesetzlichen Ordnung! Ich höre den
Namen „Rieger." „Abkrageln," sagt der Eine, ein reicher Geldwechsler, schon
mit etwas lallender, also nicht ganz zurechnungsfähiger Zunge, „nur abkrageln.
Eher ist keine Ruh, bis alle Rebellen ihre Toilette am Galgen empfangen." —
„Dieser Rieger," sagt der Zweite, eine Advokat, „schade, ein so guter Kopf und
ein so böses Herz. Schade um ihn. Wenn er sich auf etwas Anderes, als auf
die Freiheit verlegt hätte, da wäre was aus ihm geworden, aber nun wird er
nie mehr zu einem Amte kommen." — „Wie fein," sagte der Dritte, ein stark-
beleibter Hausbesitzer, „wie fein. Geht nach Paris auf Reisen und conspirirt
gegen nus. Warte Schurke, man wird dir schon dein Fell zu gerben wissen,"-—
Das ein kleines Tischgespräch unserer Helden, die verdammen, ohne erst juridisch
oder selbst vernünftig das Verdammungsurtheil begründen zu können, die jeder
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