Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Erben zur Herausgabe ein Buch über den Mythus der Moräna, dann die Sitten Ein Wiederspiel zu Erben bietet die Gestalt Wenceslaw B. Nebesky's, Unter den übrigen czechischen Lyrikern ist etwa noch Jaromir Pinel, Ober¬ Erben zur Herausgabe ein Buch über den Mythus der Moräna, dann die Sitten Ein Wiederspiel zu Erben bietet die Gestalt Wenceslaw B. Nebesky's, Unter den übrigen czechischen Lyrikern ist etwa noch Jaromir Pinel, Ober¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279650"/> <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> Erben zur Herausgabe ein Buch über den Mythus der Moräna, dann die Sitten<lb/> und Gebräuche des czechischen Volks mit steter Hinweisung auf die übrigen Sla¬<lb/> venstämme und einen Cyklus poetischer Originalarbeiten in Form von Romanzen<lb/> und Balladen, davon der „Weihnachtsabend" und das „Brauthemd" zu dem<lb/> schönsten gehört, was die böhmische Dichtkunst aufzuweisen hat. Im vorigen<lb/> Jahre saß Erben anfangs mit im Nationalansschuß und ward von demselben als<lb/> Abgeordneter zu den Sitzungen des kroatischen Landtags nach Agram geschickt, von<lb/> da rückgekehrt übernahm Erben die Redaction des czechischen Regierungsblattes<lb/> „Prazskv noviny" und führte sie matt und mit sichtlicher Unlust bis zum<lb/> März l. I. Als Politiker gehört E. seiner Farbe nach unter die nationellen<lb/> Conservativen, doch zählt seine politische Befähigung und Bildung so viel wie<lb/> gar nichts.</p><lb/> <p xml:id="ID_333"> Ein Wiederspiel zu Erben bietet die Gestalt Wenceslaw B. Nebesky's,<lb/> klein und lebhast bewegt, das Gesicht geröthet und sonnenfleckig mit wildverkräu-<lb/> seltem Haar aber ebenbürtig an poetischer Begabung. Nebesky ist jünger und<lb/> feuriger, aber weniger originell und weniger volksthümlich als Erben. Seine<lb/> Poesien voll Gemüthstiese und Lebendigkeit, welche hie und da durch ein wenig<lb/> Blastrtheit gestört wird, fußen auf gründlichem ästhetischen Studium fremdsprach¬<lb/> licher Dichter, es scheint mir, als wolle Nebesky, Freiligrath, Platen und Ju-<lb/> stinus Kerner mit einander vermitteln, was eben eine gewisse Unglcichförmigkeit<lb/> und Unruhe erzielt. Gründlichkeit und Wissen und tüchtige ästhetische Bildung<lb/> verrathen seine literarischen und kritischen Aufsätze in der Museumszcttschrift. Aus<lb/> dem östreichischen Reichstag spielte Nebesky den beharrlichen Schweiger. Er wußte<lb/> wohl warum? Beim Slavencougreß fungirte er als Schriftführer.</p><lb/> <p xml:id="ID_334" next="#ID_335"> Unter den übrigen czechischen Lyrikern ist etwa noch Jaromir Pinel, Ober¬<lb/> amtmann zu Liblin, ein hübsches, aber assektirtes, und zu süßliches Talent, dann<lb/> Professor F. Mathias Klacel (geb. l808 zu Trebow) zu nennen, der jedoch<lb/> als Philosoph und Slavist eiuen bedeutenderen Rang unter den czechischen Gelehrten<lb/> einnimmt. Im Jahre 1846 ist Klacel wegen freisinnigen Borträgen über die Philo¬<lb/> sophie vom Metternich'schen Regiment von seiner Professur an der Brunner Uni¬<lb/> versität entsetzt worden. Für die czechischen Vorträge an der Hochschule zu Prag<lb/> dürfte Klacel eine der glänzendsten Acquisitionen sein. Endlich Drahotin Baron<lb/> von Villani, der zwei Bände lyrischer Gedichte herausgegeben hat, welche ihn<lb/> jedoch nicht so bekannt gemacht haben, als seine Charge als Kommandant der so<lb/> arg verschrienen czechischen Swornostlegion. Villani, der Sprößling eines seit Jahr¬<lb/> hunderten in Böhmen domizilirenden Adelsgeschlcchts war früher östreichischer Oft<lb/> fizier gewesen und ward nach Graf Albert Deym zum Kommandanten der Swornost<lb/> gewählt. In diesem Berufe war er unermüdlich in der Erfindung neuer geputzter<lb/> Nationaluniformcn, sonderbarer Pelzmützen und in der Abhaltung einer Masse von<lb/> Paraden, doch verstand er es nicht, Disciplin in dem Swornostcorps aufrecht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
Erben zur Herausgabe ein Buch über den Mythus der Moräna, dann die Sitten
und Gebräuche des czechischen Volks mit steter Hinweisung auf die übrigen Sla¬
venstämme und einen Cyklus poetischer Originalarbeiten in Form von Romanzen
und Balladen, davon der „Weihnachtsabend" und das „Brauthemd" zu dem
schönsten gehört, was die böhmische Dichtkunst aufzuweisen hat. Im vorigen
Jahre saß Erben anfangs mit im Nationalansschuß und ward von demselben als
Abgeordneter zu den Sitzungen des kroatischen Landtags nach Agram geschickt, von
da rückgekehrt übernahm Erben die Redaction des czechischen Regierungsblattes
„Prazskv noviny" und führte sie matt und mit sichtlicher Unlust bis zum
März l. I. Als Politiker gehört E. seiner Farbe nach unter die nationellen
Conservativen, doch zählt seine politische Befähigung und Bildung so viel wie
gar nichts.
Ein Wiederspiel zu Erben bietet die Gestalt Wenceslaw B. Nebesky's,
klein und lebhast bewegt, das Gesicht geröthet und sonnenfleckig mit wildverkräu-
seltem Haar aber ebenbürtig an poetischer Begabung. Nebesky ist jünger und
feuriger, aber weniger originell und weniger volksthümlich als Erben. Seine
Poesien voll Gemüthstiese und Lebendigkeit, welche hie und da durch ein wenig
Blastrtheit gestört wird, fußen auf gründlichem ästhetischen Studium fremdsprach¬
licher Dichter, es scheint mir, als wolle Nebesky, Freiligrath, Platen und Ju-
stinus Kerner mit einander vermitteln, was eben eine gewisse Unglcichförmigkeit
und Unruhe erzielt. Gründlichkeit und Wissen und tüchtige ästhetische Bildung
verrathen seine literarischen und kritischen Aufsätze in der Museumszcttschrift. Aus
dem östreichischen Reichstag spielte Nebesky den beharrlichen Schweiger. Er wußte
wohl warum? Beim Slavencougreß fungirte er als Schriftführer.
Unter den übrigen czechischen Lyrikern ist etwa noch Jaromir Pinel, Ober¬
amtmann zu Liblin, ein hübsches, aber assektirtes, und zu süßliches Talent, dann
Professor F. Mathias Klacel (geb. l808 zu Trebow) zu nennen, der jedoch
als Philosoph und Slavist eiuen bedeutenderen Rang unter den czechischen Gelehrten
einnimmt. Im Jahre 1846 ist Klacel wegen freisinnigen Borträgen über die Philo¬
sophie vom Metternich'schen Regiment von seiner Professur an der Brunner Uni¬
versität entsetzt worden. Für die czechischen Vorträge an der Hochschule zu Prag
dürfte Klacel eine der glänzendsten Acquisitionen sein. Endlich Drahotin Baron
von Villani, der zwei Bände lyrischer Gedichte herausgegeben hat, welche ihn
jedoch nicht so bekannt gemacht haben, als seine Charge als Kommandant der so
arg verschrienen czechischen Swornostlegion. Villani, der Sprößling eines seit Jahr¬
hunderten in Böhmen domizilirenden Adelsgeschlcchts war früher östreichischer Oft
fizier gewesen und ward nach Graf Albert Deym zum Kommandanten der Swornost
gewählt. In diesem Berufe war er unermüdlich in der Erfindung neuer geputzter
Nationaluniformcn, sonderbarer Pelzmützen und in der Abhaltung einer Masse von
Paraden, doch verstand er es nicht, Disciplin in dem Swornostcorps aufrecht
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