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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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schen Abgeordnete", Temple und Nayneval, eine Ausgleichung herbeizuführen;
der Krieg begann. Ueber die sicilianischen Häfen wurde (l. April) die Blokade
verhängt, und General Filangieri eröffnete die Feindseligkeiten dnrch die Ein¬
nahme von Taormina (2. April), worauf Catania sich freiwillig ergab. Verge¬
bens versuchte MieroölawSki (7. April), es den Neapolitanern wieder zu entreißen;
nirgend leisteten die Sicilianer ernstlichen Widerstand -- wahrscheinlich dauerten die
Unterhandlungen in's Geheim fort -- endlich lösten sich die beiden Kammern auf
(20. April) und eine neugebildete provisorische Regierung zu Palermo erklärte dem
Fürsten Satriano, sich unterwerfen zu wollen (23. April). Mieroslawöki ent¬
floh nach Marseille, Rnggiero Settimv, der eigentliche Chef der patriotischen
Partei, nach Malta. Noch einmal (7. Mai), gelang es der exaltirten Partei
(Scordatv), dnrch den Sturz der provisorischen Negierung die Unterwerfung zu
verzögern, aber sie mußte bald (>v. Mai), den Gemäßigten weichen; die Kapitu¬
lation wurde erneuert -- übrigens mit großer Mäßigung benutzt; denn es wurde
allen Unzufriedenen Zeit zur Flucht gelassen, --, und den l5. Mai zog General
Filangieri in Palermo ein.

Als so der König von Neapel nach Süden hin freie Hand hatte, rückte er
(29. April) mit 5000 Mann in den Kirchenstaat ein. An demselben Tage landete
eine spanische Flotte bei Terracina und besetzte die Stadt. Ein gefährlicherer Feind
aber als beide, kam von einer unerwarteten Seite. Die französische Regierung,
festhaltend an den Traditionen der alten Monarchie, daß Frankreich überall seine
Hand im Spiel haben müsse, wo es zu irgend einem ernstlichen Conflict in Ita¬
lien käme, um nicht den östreichischen Einfluß zu sehr anwachsen zu lassen, beschloß
eine Intervention ohne eigentlichen Inhalt und Zweck wie zu den Zeiten Casimir
Perier's in Ancona. Die constitnirende Versammlung bewilligte ihr (16. April)
einen Credit von l,200,000 Fr., in der Ansicht, es gelte den Schutz der römischen
Freiheit gegen die Uebergriffe Oestreichs. So landete die Expedition (26. April)
unter Marschall Oudinot bei Civita Vecchia, und besetzte die Stadt, ohne auf
den Protest der römischen Regierung irgend Rücksicht zu nehmen; ja der republi-
kanische General erließ eine Proclamation, die an das Manifest des Herzog von
Braunschweig im Chaiupagnefeldzug erinnerte. Bald daraus rückte er gegen Rom
selbst an, überzeugt, er werde mit offne" Armen empfangen werden. Er wurde
aber mit Flintenschüssen begrüßt und zurückgeschlagen; ein Paar Tage darauf,
nachdem der König von Neapel (3. Mai) bei Torre ti MezMia vo" Garibaldi
besiegt und zur Räumung des römischen Gebiets gezwungen war. lieber diese
sonderbare Art, deu Römern freundlich zu sein, stellte Jules Favre (7. Mai)
i" der Nationalversammlung eine heftige Jnterpellation an die französische Regie¬
rung und veranlaßte einen Beschluß, welcher dieselbe aufforderte, die Expedition
wieder auf den ursprünglichen Zweck zu richten. Die Regierung fand sich dadurch
veranlaßt, Herrn v. Lesseps "sich Rom abzuschicken, mit einer höchst unbestimm-


schen Abgeordnete», Temple und Nayneval, eine Ausgleichung herbeizuführen;
der Krieg begann. Ueber die sicilianischen Häfen wurde (l. April) die Blokade
verhängt, und General Filangieri eröffnete die Feindseligkeiten dnrch die Ein¬
nahme von Taormina (2. April), worauf Catania sich freiwillig ergab. Verge¬
bens versuchte MieroölawSki (7. April), es den Neapolitanern wieder zu entreißen;
nirgend leisteten die Sicilianer ernstlichen Widerstand — wahrscheinlich dauerten die
Unterhandlungen in's Geheim fort — endlich lösten sich die beiden Kammern auf
(20. April) und eine neugebildete provisorische Regierung zu Palermo erklärte dem
Fürsten Satriano, sich unterwerfen zu wollen (23. April). Mieroslawöki ent¬
floh nach Marseille, Rnggiero Settimv, der eigentliche Chef der patriotischen
Partei, nach Malta. Noch einmal (7. Mai), gelang es der exaltirten Partei
(Scordatv), dnrch den Sturz der provisorischen Negierung die Unterwerfung zu
verzögern, aber sie mußte bald (>v. Mai), den Gemäßigten weichen; die Kapitu¬
lation wurde erneuert — übrigens mit großer Mäßigung benutzt; denn es wurde
allen Unzufriedenen Zeit zur Flucht gelassen, —, und den l5. Mai zog General
Filangieri in Palermo ein.

Als so der König von Neapel nach Süden hin freie Hand hatte, rückte er
(29. April) mit 5000 Mann in den Kirchenstaat ein. An demselben Tage landete
eine spanische Flotte bei Terracina und besetzte die Stadt. Ein gefährlicherer Feind
aber als beide, kam von einer unerwarteten Seite. Die französische Regierung,
festhaltend an den Traditionen der alten Monarchie, daß Frankreich überall seine
Hand im Spiel haben müsse, wo es zu irgend einem ernstlichen Conflict in Ita¬
lien käme, um nicht den östreichischen Einfluß zu sehr anwachsen zu lassen, beschloß
eine Intervention ohne eigentlichen Inhalt und Zweck wie zu den Zeiten Casimir
Perier's in Ancona. Die constitnirende Versammlung bewilligte ihr (16. April)
einen Credit von l,200,000 Fr., in der Ansicht, es gelte den Schutz der römischen
Freiheit gegen die Uebergriffe Oestreichs. So landete die Expedition (26. April)
unter Marschall Oudinot bei Civita Vecchia, und besetzte die Stadt, ohne auf
den Protest der römischen Regierung irgend Rücksicht zu nehmen; ja der republi-
kanische General erließ eine Proclamation, die an das Manifest des Herzog von
Braunschweig im Chaiupagnefeldzug erinnerte. Bald daraus rückte er gegen Rom
selbst an, überzeugt, er werde mit offne» Armen empfangen werden. Er wurde
aber mit Flintenschüssen begrüßt und zurückgeschlagen; ein Paar Tage darauf,
nachdem der König von Neapel (3. Mai) bei Torre ti MezMia vo» Garibaldi
besiegt und zur Räumung des römischen Gebiets gezwungen war. lieber diese
sonderbare Art, deu Römern freundlich zu sein, stellte Jules Favre (7. Mai)
i» der Nationalversammlung eine heftige Jnterpellation an die französische Regie¬
rung und veranlaßte einen Beschluß, welcher dieselbe aufforderte, die Expedition
wieder auf den ursprünglichen Zweck zu richten. Die Regierung fand sich dadurch
veranlaßt, Herrn v. Lesseps „sich Rom abzuschicken, mit einer höchst unbestimm-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/94>, abgerufen am 05.02.2025.