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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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man eine cvnstituirende Versammlung für Toskana ein, welche den 25. März zu
Florenz zusammentrat und Montanclli zum Präsidenten erwählte.

In Rom hatte man diese Mäßigung nicht. Die Costituente (eröffnet den
5. Februar) proclamirte sogleich (8. Februar) die Republik (mit 136 Stimmen);
sie wurde in Bologna (II. Februar) und dann auch in den übrigen Städten des
Kirchenstaats anerkannt; der Protest des Papstes (14. Februar) wurde nicht be¬
achtet. Ein volkstümliches Ministerium wurde zusammengesetzt (10. Februar):
Inneres Saffi, Auswärtiges Rusconi, Justiz Lazzarini, Unterricht Maz-
zarelli, Krieg Campellv, öffentliche Arbeiten Sterbini, Finanzen Guic-
cioli (die letzteren vier den 6. März ersetzt durch Seur direkte, Rilliet-
Constant, Montecchi und Manzoni). Die Schweizer-Regimenter wurden
abgelohnt, und unter andern bemerkenswerten Maßregeln zur Hebung der Finan¬
zen auch die Kunstschätze des Vatican zur öffentlichen Versteigerung ausgeboten.
Noch einmal forderte der Papst (>8. Februar) die katholischen Mächte (Neapel,
Spanien, Oestreich, Frankreich) dringend zu einer Intervention auf.

So war die Lage der Dinge bei dem Wiederausbruch des Krieges. Den
14. März begab sich Carl Albert ins Hauptquartier zu Alessandria. Mit der ge-
sammten Truppcnmacht, ohne irgend eine erhebliche Besatzung gegen einen etwa
ausbrechenden Aufstand in der Lombardei zurückzulassen, brach Feldmarschall Ra-
detzky von Mailand auf, überschritt den Gravclloue (20. März)*), schlug die pie-
montesische Vorhut bei Mortara (21. März) und vernichtete die feindliche Armee
in dem glänzenden Sieg bei Novara (23. März). Die Generale Schön hals
und d'Aspre hatten sich vorzüglich ausgezeichnet, Noch in derselben Nacht legte
Carl Albert seine Krone zu Gunsten seines Sohnes Victor Emanuel nieder,
und entfloh durch Frankreich nach Spanien, wo er (4. April) zu Toko^a seine Ab¬
dankung wiederholte, und endlich in Oporto seine Zuflucht suchte (30. April).
Auf Veranlassung des neuen Königs, der sich Oestreich gegenüber in einer gün¬
stigeren Lage befand, wurde nnn (20. März) zwischen Radetzky und Chrzauowdky
der Waffenstillstand abgeschlossen. Radetzky kehrte nach Mailand zurück (29. März),
Victor Emanuel leistete in der Deputirtenkammer, die noch schnell eine Dankadresse
an Carl Albert erließ, seinen constituttouclleu Eid, und löste"sie dann auf (30. März)
eben so wie das Ministerium, das durch Piuelli ersetzt wurde -- das Haupt
der neuen Regierung wurde Masstmo d'Azeglio, der deu 4. Mai an Gabriel de
Lauay's Stelle trat, und seinen Bruder an Stelle Gioberti's (20. Juni) zum
Gesandten in Paris ernannte. Die Reorganisation der Bürgerwehr wurde dem



*) Die Schuld dieses Unfalls wurde der Ungeschicklichkeit oder dem Verrath des Comman¬
deurs der Borhut, General Romarino zugeschrieben, jenes bekannten Abenteurers, der bei
der großen polnische" Jnsurrection und später bei dem romantischen Unternehmen auf Savoyen
eine eben so glänzende als zweideutige Rolle gespielt hatte. Er wurde durch das Kriegsgericht
zum Tode veruvlheilt (4. Mai) und das Urtheil mit Pulver und Bin vollstreckt.

man eine cvnstituirende Versammlung für Toskana ein, welche den 25. März zu
Florenz zusammentrat und Montanclli zum Präsidenten erwählte.

In Rom hatte man diese Mäßigung nicht. Die Costituente (eröffnet den
5. Februar) proclamirte sogleich (8. Februar) die Republik (mit 136 Stimmen);
sie wurde in Bologna (II. Februar) und dann auch in den übrigen Städten des
Kirchenstaats anerkannt; der Protest des Papstes (14. Februar) wurde nicht be¬
achtet. Ein volkstümliches Ministerium wurde zusammengesetzt (10. Februar):
Inneres Saffi, Auswärtiges Rusconi, Justiz Lazzarini, Unterricht Maz-
zarelli, Krieg Campellv, öffentliche Arbeiten Sterbini, Finanzen Guic-
cioli (die letzteren vier den 6. März ersetzt durch Seur direkte, Rilliet-
Constant, Montecchi und Manzoni). Die Schweizer-Regimenter wurden
abgelohnt, und unter andern bemerkenswerten Maßregeln zur Hebung der Finan¬
zen auch die Kunstschätze des Vatican zur öffentlichen Versteigerung ausgeboten.
Noch einmal forderte der Papst (>8. Februar) die katholischen Mächte (Neapel,
Spanien, Oestreich, Frankreich) dringend zu einer Intervention auf.

So war die Lage der Dinge bei dem Wiederausbruch des Krieges. Den
14. März begab sich Carl Albert ins Hauptquartier zu Alessandria. Mit der ge-
sammten Truppcnmacht, ohne irgend eine erhebliche Besatzung gegen einen etwa
ausbrechenden Aufstand in der Lombardei zurückzulassen, brach Feldmarschall Ra-
detzky von Mailand auf, überschritt den Gravclloue (20. März)*), schlug die pie-
montesische Vorhut bei Mortara (21. März) und vernichtete die feindliche Armee
in dem glänzenden Sieg bei Novara (23. März). Die Generale Schön hals
und d'Aspre hatten sich vorzüglich ausgezeichnet, Noch in derselben Nacht legte
Carl Albert seine Krone zu Gunsten seines Sohnes Victor Emanuel nieder,
und entfloh durch Frankreich nach Spanien, wo er (4. April) zu Toko^a seine Ab¬
dankung wiederholte, und endlich in Oporto seine Zuflucht suchte (30. April).
Auf Veranlassung des neuen Königs, der sich Oestreich gegenüber in einer gün¬
stigeren Lage befand, wurde nnn (20. März) zwischen Radetzky und Chrzauowdky
der Waffenstillstand abgeschlossen. Radetzky kehrte nach Mailand zurück (29. März),
Victor Emanuel leistete in der Deputirtenkammer, die noch schnell eine Dankadresse
an Carl Albert erließ, seinen constituttouclleu Eid, und löste"sie dann auf (30. März)
eben so wie das Ministerium, das durch Piuelli ersetzt wurde — das Haupt
der neuen Regierung wurde Masstmo d'Azeglio, der deu 4. Mai an Gabriel de
Lauay's Stelle trat, und seinen Bruder an Stelle Gioberti's (20. Juni) zum
Gesandten in Paris ernannte. Die Reorganisation der Bürgerwehr wurde dem



*) Die Schuld dieses Unfalls wurde der Ungeschicklichkeit oder dem Verrath des Comman¬
deurs der Borhut, General Romarino zugeschrieben, jenes bekannten Abenteurers, der bei
der großen polnische» Jnsurrection und später bei dem romantischen Unternehmen auf Savoyen
eine eben so glänzende als zweideutige Rolle gespielt hatte. Er wurde durch das Kriegsgericht
zum Tode veruvlheilt (4. Mai) und das Urtheil mit Pulver und Bin vollstreckt.
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[0091] man eine cvnstituirende Versammlung für Toskana ein, welche den 25. März zu Florenz zusammentrat und Montanclli zum Präsidenten erwählte. In Rom hatte man diese Mäßigung nicht. Die Costituente (eröffnet den 5. Februar) proclamirte sogleich (8. Februar) die Republik (mit 136 Stimmen); sie wurde in Bologna (II. Februar) und dann auch in den übrigen Städten des Kirchenstaats anerkannt; der Protest des Papstes (14. Februar) wurde nicht be¬ achtet. Ein volkstümliches Ministerium wurde zusammengesetzt (10. Februar): Inneres Saffi, Auswärtiges Rusconi, Justiz Lazzarini, Unterricht Maz- zarelli, Krieg Campellv, öffentliche Arbeiten Sterbini, Finanzen Guic- cioli (die letzteren vier den 6. März ersetzt durch Seur direkte, Rilliet- Constant, Montecchi und Manzoni). Die Schweizer-Regimenter wurden abgelohnt, und unter andern bemerkenswerten Maßregeln zur Hebung der Finan¬ zen auch die Kunstschätze des Vatican zur öffentlichen Versteigerung ausgeboten. Noch einmal forderte der Papst (>8. Februar) die katholischen Mächte (Neapel, Spanien, Oestreich, Frankreich) dringend zu einer Intervention auf. So war die Lage der Dinge bei dem Wiederausbruch des Krieges. Den 14. März begab sich Carl Albert ins Hauptquartier zu Alessandria. Mit der ge- sammten Truppcnmacht, ohne irgend eine erhebliche Besatzung gegen einen etwa ausbrechenden Aufstand in der Lombardei zurückzulassen, brach Feldmarschall Ra- detzky von Mailand auf, überschritt den Gravclloue (20. März)*), schlug die pie- montesische Vorhut bei Mortara (21. März) und vernichtete die feindliche Armee in dem glänzenden Sieg bei Novara (23. März). Die Generale Schön hals und d'Aspre hatten sich vorzüglich ausgezeichnet, Noch in derselben Nacht legte Carl Albert seine Krone zu Gunsten seines Sohnes Victor Emanuel nieder, und entfloh durch Frankreich nach Spanien, wo er (4. April) zu Toko^a seine Ab¬ dankung wiederholte, und endlich in Oporto seine Zuflucht suchte (30. April). Auf Veranlassung des neuen Königs, der sich Oestreich gegenüber in einer gün¬ stigeren Lage befand, wurde nnn (20. März) zwischen Radetzky und Chrzauowdky der Waffenstillstand abgeschlossen. Radetzky kehrte nach Mailand zurück (29. März), Victor Emanuel leistete in der Deputirtenkammer, die noch schnell eine Dankadresse an Carl Albert erließ, seinen constituttouclleu Eid, und löste"sie dann auf (30. März) eben so wie das Ministerium, das durch Piuelli ersetzt wurde — das Haupt der neuen Regierung wurde Masstmo d'Azeglio, der deu 4. Mai an Gabriel de Lauay's Stelle trat, und seinen Bruder an Stelle Gioberti's (20. Juni) zum Gesandten in Paris ernannte. Die Reorganisation der Bürgerwehr wurde dem *) Die Schuld dieses Unfalls wurde der Ungeschicklichkeit oder dem Verrath des Comman¬ deurs der Borhut, General Romarino zugeschrieben, jenes bekannten Abenteurers, der bei der großen polnische» Jnsurrection und später bei dem romantischen Unternehmen auf Savoyen eine eben so glänzende als zweideutige Rolle gespielt hatte. Er wurde durch das Kriegsgericht zum Tode veruvlheilt (4. Mai) und das Urtheil mit Pulver und Bin vollstreckt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/91>, abgerufen am 05.02.2025.