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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Deputirtenkammer zu Turin hatte beschlossen (24. December), ihnen eine monat¬
liche Unterstützung, zukommen zu lassen, der piemontcsische Admiral Albini über¬
brachte (23. Januar) bestimmte Versprechungen von Seiten seines Staats, und
das Circularschreiben, welches Carl Albert (29. Januar) an sämmtliche euco-
päische Mächte erließ, und in welchem er sich bitter über Oestreich beschwerte, gab
diesen Versprechungen ein offizielles Ansehn. Das Ministerium Gioberti, welches
noch immer eine Vermittelung angestrebt hatte, und welches namentlich gegen die
unitarisch-italienische Partei Front machte, die auf eine Auflösung der einzelnen
Staaten ausging, und in der Costitueute Italiana, welche durch eine Procla-
mation der provisorischen römischen Negierung (16. Januar) einberufen war, das
Mittel zu diesem Zweck suchte, wurde entlassen (2 t. Februar) und durch ein ent¬
schieden kriegerisches ersetzt (General Chiedo, Natazzi; Auswärtiges Geueral
Colii, am 8. März durch deu Advokaten Domenico Deserrari ersetzt). Der
Oberbefehl des Heeres wurde (15. Februar) an den polnischen General Chrza-
nowSki übertragen, zum Chef des Generalstabs la Mcirmora ernannt. Der
Gesandte der römischen Republik, Alcco Feliciani, wurde öffentlich empfangen
(25. Februar), die Deputirtenkammer (eröffnet den l. Februar) nahm, trotz des
Einspruchs von Azeglio und Martine!, mit !)4: 24 Se. eine in kriegerischem
Sinn abgefaßte Adresse an (2. März), und genehmigte die vom Ministerium be¬
antragte außerordentliche Anleihe zum Behuf des Krieges mit lit:7 Stimmen
(16. März). Schon den 14. März überbrachte ein piemontesischer Offizier nach
Mailand die Aufkündigung des Waffenstillstandes, und der alte Feldmarschall
Radetzky erließ sofort einen Tagesbefehl, in welchem er eine schnelle Beendigung
des Krieges und eine ernsthafte Züchtigung der Feinde Oestreichs verhieß.

Indeß hatte die Revolution anch Toskana ergriffen. Die Kammern waren
(to. Januar) durch eine Thronrede eröffnet worden, in welcher Großherzog Leo¬
pold verhieß, sich der nationalen Bewegung anzuschließen. Sie hatte (3l.Jan.)
durch eine Adresse in ähnlichem Sinn, die aber auf die Einheit Italiens einen
schärferen Accent legte, geantwortet. Indeß die römische Costitnente mußte alle
Fürsten abschrecken. Leopold nahm die Rücksicht auf den Papst, der ihn in einem
ernstlichen Schreiben von weiterer Verbindung mit den irreligiösen Unitariern ab¬
gemahnt hatte, zum Vorwand, und entfloh nach Siena (7. Februar), von da nach
Gaeta zum Papst (22. Februar). In Folge dessen übernahm das bisherige Mi¬
nisterium (Guerazzi, Joseph Montauelli, Mazzoui) die provisorische
Regierung (3. Februar), ernannte ein eignes Ministerium (Advokat Mordini,
Professor Marmocchi, Dr. Nomanelli, l)r. Fraschini, d'Ayalo),
ohne auf den Protest des Großherzogs weitere Stücksicht zu nehmen, und schickte
Montanelli nach Rom (13. Februar), um mit der Republik ein Bündniß abzu¬
schließen. Doch hütete man sich wohl, die Republik direct zu proclamiren, trotz
des heftigen Andrängenö von Seiten der demokratischen Partei. Dagegen berief


Deputirtenkammer zu Turin hatte beschlossen (24. December), ihnen eine monat¬
liche Unterstützung, zukommen zu lassen, der piemontcsische Admiral Albini über¬
brachte (23. Januar) bestimmte Versprechungen von Seiten seines Staats, und
das Circularschreiben, welches Carl Albert (29. Januar) an sämmtliche euco-
päische Mächte erließ, und in welchem er sich bitter über Oestreich beschwerte, gab
diesen Versprechungen ein offizielles Ansehn. Das Ministerium Gioberti, welches
noch immer eine Vermittelung angestrebt hatte, und welches namentlich gegen die
unitarisch-italienische Partei Front machte, die auf eine Auflösung der einzelnen
Staaten ausging, und in der Costitueute Italiana, welche durch eine Procla-
mation der provisorischen römischen Negierung (16. Januar) einberufen war, das
Mittel zu diesem Zweck suchte, wurde entlassen (2 t. Februar) und durch ein ent¬
schieden kriegerisches ersetzt (General Chiedo, Natazzi; Auswärtiges Geueral
Colii, am 8. März durch deu Advokaten Domenico Deserrari ersetzt). Der
Oberbefehl des Heeres wurde (15. Februar) an den polnischen General Chrza-
nowSki übertragen, zum Chef des Generalstabs la Mcirmora ernannt. Der
Gesandte der römischen Republik, Alcco Feliciani, wurde öffentlich empfangen
(25. Februar), die Deputirtenkammer (eröffnet den l. Februar) nahm, trotz des
Einspruchs von Azeglio und Martine!, mit !)4: 24 Se. eine in kriegerischem
Sinn abgefaßte Adresse an (2. März), und genehmigte die vom Ministerium be¬
antragte außerordentliche Anleihe zum Behuf des Krieges mit lit:7 Stimmen
(16. März). Schon den 14. März überbrachte ein piemontesischer Offizier nach
Mailand die Aufkündigung des Waffenstillstandes, und der alte Feldmarschall
Radetzky erließ sofort einen Tagesbefehl, in welchem er eine schnelle Beendigung
des Krieges und eine ernsthafte Züchtigung der Feinde Oestreichs verhieß.

Indeß hatte die Revolution anch Toskana ergriffen. Die Kammern waren
(to. Januar) durch eine Thronrede eröffnet worden, in welcher Großherzog Leo¬
pold verhieß, sich der nationalen Bewegung anzuschließen. Sie hatte (3l.Jan.)
durch eine Adresse in ähnlichem Sinn, die aber auf die Einheit Italiens einen
schärferen Accent legte, geantwortet. Indeß die römische Costitnente mußte alle
Fürsten abschrecken. Leopold nahm die Rücksicht auf den Papst, der ihn in einem
ernstlichen Schreiben von weiterer Verbindung mit den irreligiösen Unitariern ab¬
gemahnt hatte, zum Vorwand, und entfloh nach Siena (7. Februar), von da nach
Gaeta zum Papst (22. Februar). In Folge dessen übernahm das bisherige Mi¬
nisterium (Guerazzi, Joseph Montauelli, Mazzoui) die provisorische
Regierung (3. Februar), ernannte ein eignes Ministerium (Advokat Mordini,
Professor Marmocchi, Dr. Nomanelli, l)r. Fraschini, d'Ayalo),
ohne auf den Protest des Großherzogs weitere Stücksicht zu nehmen, und schickte
Montanelli nach Rom (13. Februar), um mit der Republik ein Bündniß abzu¬
schließen. Doch hütete man sich wohl, die Republik direct zu proclamiren, trotz
des heftigen Andrängenö von Seiten der demokratischen Partei. Dagegen berief


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/90>, abgerufen am 05.02.2025.