Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.arbeiten, in welche die Massen mit den kurzsichtigen egoistischen Interessen später hinein¬ Horchen Sie auf die Stoßseufzer eines Oestreichcrs -- sie kehren alle aus einen Lesen Sie die Ostdeutsche Post, die sich mit Muth behauptenden Prager Blätter, Man sperrt die alten Lieblinge ein, man drückt die Presse wie ein nächtlicher arbeiten, in welche die Massen mit den kurzsichtigen egoistischen Interessen später hinein¬ Horchen Sie auf die Stoßseufzer eines Oestreichcrs — sie kehren alle aus einen Lesen Sie die Ostdeutsche Post, die sich mit Muth behauptenden Prager Blätter, Man sperrt die alten Lieblinge ein, man drückt die Presse wie ein nächtlicher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279112"/> <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> arbeiten, in welche die Massen mit den kurzsichtigen egoistischen Interessen später hinein¬<lb/> gerissen werden, diese wenigen einsichtsvollen Patrioten nähern sich einander; sie klagen,<lb/> kritisiren, berathen; Schritt für Schritt w'rd ihre Verpflichtung größer und doch ihr<lb/> Weg schwieriger. Die Polizeispionagen wittern die Geheimnisse; man packt ein, was<lb/> nicht bekannt ist und erprobt wie ein abgegriffener östreichischer Sechser — und erbit¬<lb/> tert die Gemüther in den Privatneigungen und Ansichten, um Feinde zu bekommen,<lb/> wenn ja die politischen Gewaltthaten vom unreifen Volke nicht verstanden würden.<lb/> Und so wiegen wir uns in fatalen Träumereien, zwischen Aerger und Resignation.<lb/> Niemand weiß, aus welchem Boden er selbst, seine Vicrtelbanknoten und das große,<lb/> mächtige, unabhängige und überdies auch freie Oestreich stehen sott, dessen innigste Ver¬<lb/> bindung mit Deutschland mit Nahrung seiner vollständigen Unabhängigkeit, Größe,<lb/> Macht und Freiheit alle Patrioten theils hoffen, theils fürchten.</p><lb/> <p xml:id="ID_265"> Horchen Sie auf die Stoßseufzer eines Oestreichcrs — sie kehren alle aus einen<lb/> Hauptpunkt zurück: So kann es nicht mehr drei Monate fortgehen, darüber gehen wir<lb/> zu Grunde. Concessionen muß man machen, wir haben des Schmerzes genug über<lb/> den unseligen Bürgerkrieg an allen Ecken und Enden, wir schämen uns der kleinlichen<lb/> Polizeimaßrcgeln und der großartigen Staatsstreiche, wir beben vor dem bodenlosen<lb/> Finanzabgrunde zurück, in welchen wir kopfüber schwindeln; matt und wund gerieben<lb/> haben wir längst die Hoffnung auf Dies und Jenes ausgegeben, aber wir wissen, so<lb/> ist es nicht länger mehr zu ertragen. Ungarn zu erhalten im Interesse der Kultur<lb/> und der Macht Mitteleuropas verlangen fast Alle, eher gibt man Italien auf; die<lb/> Föderativverfassnng verlangt man und läßt sich in Gottes Namen die viereckige Reichs-<lb/> Verfassung gefallen; die Freundschaft mit Deutschland bedingt mau sich ans und gesteht<lb/> gern dem preußischen Könige die Hegemonie zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_266"> Lesen Sie die Ostdeutsche Post, die sich mit Muth behauptenden Prager Blätter,<lb/> die Jnsbrucker Zeitung — sprechen Sie mit dem Bauer, dem Gewerbsmanne, mit dem<lb/> denkenden Badegäste von Ischl auf einem freundlichen Spatziergang. An dem Fond<lb/> unserer Mittel zweifelt Niemand; wir sind einer großen Begeisterung fähig, der Deut¬<lb/> sche, der Czcche und der Pole, wir sind noch immer die bevölkertsten, reichsten Pro¬<lb/> vinzen, man wirft uns nirgends Feigheit vor — und dennoch ruft man lieber die<lb/> Nüssen, als die Begeisterung! Wir haben ein reiches geistliches Gut und dennoch spielt<lb/> die Regierung und die Bank das schmähliche Spiel — um die ungefährlichen Bischöfe<lb/> und Prälaten nicht z» verletzen. Von dem Ausfuhrverbote, von den Viertelnoten, von<lb/> den Kassenanweisungen — einer neuen Gattung von Anticipationsschcincn — von den<lb/> Anweisungen auf die ungarischen Einkünfte, von 50,000 Stück Bankaktien erwartet<lb/> man einen Ersatz der Begeisterung; von ,dem Gebete der eigennützigen Bischöfe und<lb/> Prälaten hofft man den Sieg i» IwL ->>Ann!</p><lb/> <p xml:id="ID_267"> Man sperrt die alten Lieblinge ein, man drückt die Presse wie ein nächtlicher<lb/> Alp, man läßt durch „Gottesaugen" in die A. A. Z. berichten, daß mehrere Polen<lb/> davonlaufen, daß die 24 Husaren sich freuen gegen die Republik fechten zu dürfen,<lb/> daß Kossuth, der Schelm, Gesichter schneide, daß unser Kaiser die gemeinen Soldaten<lb/> seine Kameraden nenne, daß selber die ungarischen Spione nicht wissen, was die Russen<lb/> wollen! Nun sehen Sie, Alles weiß man, sogur was die ungarischen Spione nicht<lb/> wissen. Und dennoch kein Heil! Und dennoch kein Faden in der Politik, an welchen<lb/> man die abgenutzten Generäle und Minister anreihen und die Corrcspondenzberichte ein¬<lb/> fädeln konnte!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
arbeiten, in welche die Massen mit den kurzsichtigen egoistischen Interessen später hinein¬
gerissen werden, diese wenigen einsichtsvollen Patrioten nähern sich einander; sie klagen,
kritisiren, berathen; Schritt für Schritt w'rd ihre Verpflichtung größer und doch ihr
Weg schwieriger. Die Polizeispionagen wittern die Geheimnisse; man packt ein, was
nicht bekannt ist und erprobt wie ein abgegriffener östreichischer Sechser — und erbit¬
tert die Gemüther in den Privatneigungen und Ansichten, um Feinde zu bekommen,
wenn ja die politischen Gewaltthaten vom unreifen Volke nicht verstanden würden.
Und so wiegen wir uns in fatalen Träumereien, zwischen Aerger und Resignation.
Niemand weiß, aus welchem Boden er selbst, seine Vicrtelbanknoten und das große,
mächtige, unabhängige und überdies auch freie Oestreich stehen sott, dessen innigste Ver¬
bindung mit Deutschland mit Nahrung seiner vollständigen Unabhängigkeit, Größe,
Macht und Freiheit alle Patrioten theils hoffen, theils fürchten.
Horchen Sie auf die Stoßseufzer eines Oestreichcrs — sie kehren alle aus einen
Hauptpunkt zurück: So kann es nicht mehr drei Monate fortgehen, darüber gehen wir
zu Grunde. Concessionen muß man machen, wir haben des Schmerzes genug über
den unseligen Bürgerkrieg an allen Ecken und Enden, wir schämen uns der kleinlichen
Polizeimaßrcgeln und der großartigen Staatsstreiche, wir beben vor dem bodenlosen
Finanzabgrunde zurück, in welchen wir kopfüber schwindeln; matt und wund gerieben
haben wir längst die Hoffnung auf Dies und Jenes ausgegeben, aber wir wissen, so
ist es nicht länger mehr zu ertragen. Ungarn zu erhalten im Interesse der Kultur
und der Macht Mitteleuropas verlangen fast Alle, eher gibt man Italien auf; die
Föderativverfassnng verlangt man und läßt sich in Gottes Namen die viereckige Reichs-
Verfassung gefallen; die Freundschaft mit Deutschland bedingt mau sich ans und gesteht
gern dem preußischen Könige die Hegemonie zu.
Lesen Sie die Ostdeutsche Post, die sich mit Muth behauptenden Prager Blätter,
die Jnsbrucker Zeitung — sprechen Sie mit dem Bauer, dem Gewerbsmanne, mit dem
denkenden Badegäste von Ischl auf einem freundlichen Spatziergang. An dem Fond
unserer Mittel zweifelt Niemand; wir sind einer großen Begeisterung fähig, der Deut¬
sche, der Czcche und der Pole, wir sind noch immer die bevölkertsten, reichsten Pro¬
vinzen, man wirft uns nirgends Feigheit vor — und dennoch ruft man lieber die
Nüssen, als die Begeisterung! Wir haben ein reiches geistliches Gut und dennoch spielt
die Regierung und die Bank das schmähliche Spiel — um die ungefährlichen Bischöfe
und Prälaten nicht z» verletzen. Von dem Ausfuhrverbote, von den Viertelnoten, von
den Kassenanweisungen — einer neuen Gattung von Anticipationsschcincn — von den
Anweisungen auf die ungarischen Einkünfte, von 50,000 Stück Bankaktien erwartet
man einen Ersatz der Begeisterung; von ,dem Gebete der eigennützigen Bischöfe und
Prälaten hofft man den Sieg i» IwL ->>Ann!
Man sperrt die alten Lieblinge ein, man drückt die Presse wie ein nächtlicher
Alp, man läßt durch „Gottesaugen" in die A. A. Z. berichten, daß mehrere Polen
davonlaufen, daß die 24 Husaren sich freuen gegen die Republik fechten zu dürfen,
daß Kossuth, der Schelm, Gesichter schneide, daß unser Kaiser die gemeinen Soldaten
seine Kameraden nenne, daß selber die ungarischen Spione nicht wissen, was die Russen
wollen! Nun sehen Sie, Alles weiß man, sogur was die ungarischen Spione nicht
wissen. Und dennoch kein Heil! Und dennoch kein Faden in der Politik, an welchen
man die abgenutzten Generäle und Minister anreihen und die Corrcspondenzberichte ein¬
fädeln konnte!
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