Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Aus I s es l. i. Es drängt mich, nach langem Stillschweigen wieder einmal das Gespinnst der luf¬ Ich sitze in der Nähe von Ischl, dem Brighton Oestreichs, zwischen den schönen Oben wird regiert, dort werden die Proklamationen an die Ungarn gemacht, Ge¬ Aus I s es l. i. Es drängt mich, nach langem Stillschweigen wieder einmal das Gespinnst der luf¬ Ich sitze in der Nähe von Ischl, dem Brighton Oestreichs, zwischen den schönen Oben wird regiert, dort werden die Proklamationen an die Ungarn gemacht, Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279111"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Aus I s es l.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> i.</head><lb/> <p xml:id="ID_261"> Es drängt mich, nach langem Stillschweigen wieder einmal das Gespinnst der luf¬<lb/> tigen Gedanken, wie sie uns Oestreichern anhängen, in die Grenzboten zu verstecken,<lb/> damit sie leise den Weg wieder zu den Herzen der Leidensgefährten finden, welche gleich<lb/> gestimmt mit uns sich einen linden Trost heraussuchen sür die vielen müden Stunden.<lb/> Es ist uns möglich, Sie zu versichern, daß die letzten Ereignisse seit dem 4. März<lb/> über die treuen gläubigen Gemüther vieler Millionen meiner Landsleute bittere Stunden<lb/> herabbcschworcn haben; der Schmerz frißt tiefer inmitten der beklemmenden Todtenstille,<lb/> welche rings um uns über die wichtigsten Interessen herrscht, mir das Geräusch des<lb/> ungarischen Krieges dringt durch die nächtliche Lautlosigkeit unserer nächsten Umgebungen<lb/> und die peinliche Spannung in Deutschland. Wir alle fühlen das Nahen der Schwin¬<lb/> gen eines unbarmherzigen Fatnms. Die kurze Jnbilate unserer Freiheitssonne „'s ist<lb/> jährig schon" hat die östreichischen Völker sämmtlich gehoben und wir laben uns wenig¬<lb/> stens in der süßen Gewohnheit eines freieren Austausches unserer Ansichten und Em¬<lb/> pfindungen im kleinern Kreise — die einzige Errungenschaft p«-- tot äisciiinin» vor»»,!<lb/> Oben und unten, wohin uns die partikulären Interessen und Calcnnitätcn früherer und<lb/> gegenwärtiger Tage führen, können wir jetzt die Oestreichs kennen lernen und ich<lb/> dcponire also in Ihre Hand das Resultat des langen Schweigens.</p><lb/> <p xml:id="ID_262"> Ich sitze in der Nähe von Ischl, dem Brighton Oestreichs, zwischen den schönen<lb/> Alpen, im Wittwenfltzc der aristokratischen Schwärmer, umgeben von Klagen über das<lb/> jüngste Gericht, welches so lange zaudert, von leisen Seufzern wackerer Herzen, welche<lb/> gerne fahren lassen möchten, was ja doch nicht zu halten ist, wenn nur wieder Frieden<lb/> über uns herabkäme; mitten unter den alten Alfanzereien des hohen Lebens. Aller<lb/> Augen sind ans Ungarn und auf Deutschland gerichtet; mit Bangigkeit reißt man das<lb/> Kreuzband von der Zeitung — der gewaltige Krieg, welcher das schwerfällige Oestreich<lb/> erschüttert, blickt uus mit den Augen der IZ„>i our»liicto>' an, daß wir starr dasitzen<lb/> und erwarten bis sie uns verschlinge. Und wenn Sie hieher durch Niederöstreich, Böhmen,<lb/> Oestreich reisen und dem Volke zuhören, wie der Fußreisende es darf und muß, so werden<lb/> Sie dieselben Oestreicher wiederfinden — nur daß sie kühner aussehn, Männchen machen und<lb/> mit dem gekrümmten Finger die Schlange herauslocke» möchten. Ist es der Haß des<lb/> Volkes gegen die reactionären und rücksichtslosen Maßnahmen der Regierung, — ist es<lb/> die Lust am Spektakel, am Schauerlichen, — oder Beides — aber die Seele unseres<lb/> Volkes ist bei den Ungarn.</p><lb/> <p xml:id="ID_263" next="#ID_264"> Oben wird regiert, dort werden die Proklamationen an die Ungarn gemacht, Ge¬<lb/> neräle abgenützt wie Minister; in den Wolkenschichten kümmert man sich nur um Blitze<lb/> einer Verlornen Schlacht — die Völker in Oestreich und Deutschland scheinen ruhig.<lb/> Unten aber besteht kein Vertrauen, ja vielmehr die heimliche Freude über jeden Schlag,<lb/> welchen unsere eigenen Landeskinder, unsere Geldbeutel, unsere Ehre und unser Stolz<lb/> empfangen — trifft er ja doch auch und zwar hauptsächlich die eigenmächtigen Leiter<lb/> unserer Geschicke! Die Wenigen aber, welche die großen Bewegungen innerlich durch-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Aus I s es l.
i.
Es drängt mich, nach langem Stillschweigen wieder einmal das Gespinnst der luf¬
tigen Gedanken, wie sie uns Oestreichern anhängen, in die Grenzboten zu verstecken,
damit sie leise den Weg wieder zu den Herzen der Leidensgefährten finden, welche gleich
gestimmt mit uns sich einen linden Trost heraussuchen sür die vielen müden Stunden.
Es ist uns möglich, Sie zu versichern, daß die letzten Ereignisse seit dem 4. März
über die treuen gläubigen Gemüther vieler Millionen meiner Landsleute bittere Stunden
herabbcschworcn haben; der Schmerz frißt tiefer inmitten der beklemmenden Todtenstille,
welche rings um uns über die wichtigsten Interessen herrscht, mir das Geräusch des
ungarischen Krieges dringt durch die nächtliche Lautlosigkeit unserer nächsten Umgebungen
und die peinliche Spannung in Deutschland. Wir alle fühlen das Nahen der Schwin¬
gen eines unbarmherzigen Fatnms. Die kurze Jnbilate unserer Freiheitssonne „'s ist
jährig schon" hat die östreichischen Völker sämmtlich gehoben und wir laben uns wenig¬
stens in der süßen Gewohnheit eines freieren Austausches unserer Ansichten und Em¬
pfindungen im kleinern Kreise — die einzige Errungenschaft p«-- tot äisciiinin» vor»»,!
Oben und unten, wohin uns die partikulären Interessen und Calcnnitätcn früherer und
gegenwärtiger Tage führen, können wir jetzt die Oestreichs kennen lernen und ich
dcponire also in Ihre Hand das Resultat des langen Schweigens.
Ich sitze in der Nähe von Ischl, dem Brighton Oestreichs, zwischen den schönen
Alpen, im Wittwenfltzc der aristokratischen Schwärmer, umgeben von Klagen über das
jüngste Gericht, welches so lange zaudert, von leisen Seufzern wackerer Herzen, welche
gerne fahren lassen möchten, was ja doch nicht zu halten ist, wenn nur wieder Frieden
über uns herabkäme; mitten unter den alten Alfanzereien des hohen Lebens. Aller
Augen sind ans Ungarn und auf Deutschland gerichtet; mit Bangigkeit reißt man das
Kreuzband von der Zeitung — der gewaltige Krieg, welcher das schwerfällige Oestreich
erschüttert, blickt uus mit den Augen der IZ„>i our»liicto>' an, daß wir starr dasitzen
und erwarten bis sie uns verschlinge. Und wenn Sie hieher durch Niederöstreich, Böhmen,
Oestreich reisen und dem Volke zuhören, wie der Fußreisende es darf und muß, so werden
Sie dieselben Oestreicher wiederfinden — nur daß sie kühner aussehn, Männchen machen und
mit dem gekrümmten Finger die Schlange herauslocke» möchten. Ist es der Haß des
Volkes gegen die reactionären und rücksichtslosen Maßnahmen der Regierung, — ist es
die Lust am Spektakel, am Schauerlichen, — oder Beides — aber die Seele unseres
Volkes ist bei den Ungarn.
Oben wird regiert, dort werden die Proklamationen an die Ungarn gemacht, Ge¬
neräle abgenützt wie Minister; in den Wolkenschichten kümmert man sich nur um Blitze
einer Verlornen Schlacht — die Völker in Oestreich und Deutschland scheinen ruhig.
Unten aber besteht kein Vertrauen, ja vielmehr die heimliche Freude über jeden Schlag,
welchen unsere eigenen Landeskinder, unsere Geldbeutel, unsere Ehre und unser Stolz
empfangen — trifft er ja doch auch und zwar hauptsächlich die eigenmächtigen Leiter
unserer Geschicke! Die Wenigen aber, welche die großen Bewegungen innerlich durch-
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