Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.ausdrucksvolle, etwas vorgebeugte Kopf mit der hohen Stiru und dem kalten Ge¬ Franz Palacky, der böhmische Historiograph ist der Sohn eines armen kalvi- Palacky's böhmische Geschichte, welche er, um auch das Ausland mit Böh¬ 10*
ausdrucksvolle, etwas vorgebeugte Kopf mit der hohen Stiru und dem kalten Ge¬ Franz Palacky, der böhmische Historiograph ist der Sohn eines armen kalvi- Palacky's böhmische Geschichte, welche er, um auch das Ausland mit Böh¬ 10*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279109"/> <p xml:id="ID_257" prev="#ID_256"> ausdrucksvolle, etwas vorgebeugte Kopf mit der hohen Stiru und dem kalten Ge¬<lb/> sicht, fahl wie die Pergamente, in denen er zu lesen Pflegt, die grauen stechenden<lb/> Augen, bewaffnet durch eine Brille mit Schildkrot, spärliche und schlichte flachs-<lb/> farbne Haare und die Anfänge eines bureaukratischen Backenbäctlcins.</p><lb/> <p xml:id="ID_258"> Franz Palacky, der böhmische Historiograph ist der Sohn eines armen kalvi-<lb/> nischen Schulmeisters zu Hodslavic in Mähren, wo er am 14. Juni 1798 das<lb/> Licht der Welt erblickt hat. Seine Studien machte derselbe zu Preßburg und<lb/> Wien. Als absvlvirter Jurist bekleidete Palacky längere Zeit eine Hofmeistcrstelle<lb/> bei einer hochadeligen Familie in Ungarn. Im Jahre 1823 übersiedelte er nach<lb/> Prag und warf sich uuter der Ägide der beiden gefeierten böhmischen Mäcenaten<lb/> der edlen Grafen Fra iz und Caspar von Sternberg auf das seit Dobner, Pnbiczka<lb/> und Pelzel ziemlich brach gebliebene Feld der böhmischen Geschichtsforschung. Die<lb/> großen Bücher- und Urkundenschätze in den Bibliotheken und Archiven Wiens und<lb/> Prags und die zahlreichen und bedeutenden Sammlungen auf den Schlössern des<lb/> böhmischen hohe» Adels, besonders die der Schwarzenberge zu Wittiugau boten über¬<lb/> reiches Material. P. übernahm die Leitung der neugegründeten Zeitschrift des böh¬<lb/> mischen Museums, seine historischen Aufsätze waren man und interessant. Aufsehn<lb/> machte Palacky's von der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften gekrönte<lb/> Preisschrift „Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber." Der Erfolg die¬<lb/> ses Buchs trug nicht wenig dazu bei, daß Palacky die reich dotirte Stelle eines<lb/> „Historiographen der Stände des Königreichs Böhmen" erhielt. Nun machte sich<lb/> Palacky ernstlich an die Ausarbeitung einer Geschichte Böhmens wozu ihm eine<lb/> Masse noch unbenützter wichtiger Urkunden vorlag. Nach mehreren gelehrten Rei¬<lb/> se», durch Deutschland und Italien übergab er 1836 den ersten Band seiner böh¬<lb/> mischen Geschichte der Oeffentlichkeit. Zu gleicher Zeit begann er die Herausgabe<lb/> eines böhmischen Diplomatoriums unter dem Titel ,,^rei>lo c«z«K^", eine unschätz¬<lb/> bare Quellenschrift für den Geschichtschreiber, und in der Mehrzahl der mitgetheilten<lb/> Briefe und Dokumente wichtig für den Sprachforscher wie für den Juristen.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Palacky's böhmische Geschichte, welche er, um auch das Ausland mit Böh¬<lb/> mens thatenrcicher Vergangenheit bekannt zu machen, in deutscher Sprache ver¬<lb/> faßte , ist bis zum sechste» Theil gediehen. Die bis jetzt erschienenen fünf Theile<lb/> reichen bis zum Tode Wenzel IV., zu deu Anfängen des Hussitenkriegs. Die Ge¬<lb/> schichte und Ehrenrettung des großen Przemysl Otokar und die Zeit der Könige<lb/> Karl und Wenzel IV. siud unstreitig die Glanzpunkte seines Werks, das ans viel<lb/> reichere und solidere Vorstudien basirt als alle Vorangegangenen, und in der<lb/> Reichhaltigkeit der Mittheilungen, Strenge der Kritik und edler Treue der Dar¬<lb/> stellungsweise seines Gleichen sucht. Die Haltung des Ganzen ist so streng na¬<lb/> tional und aristokratisch als möglich. In dem zu ängstlichen Festhalten an Urkunden<lb/> und dem Mißtrauen zu ganz wackern alten Chroniken geht Palacky offenbar zu<lb/> weit. Die Plastik und Lebhaftigkeit der Schilderung läßt doch Einiges zu our-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 10*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
ausdrucksvolle, etwas vorgebeugte Kopf mit der hohen Stiru und dem kalten Ge¬
sicht, fahl wie die Pergamente, in denen er zu lesen Pflegt, die grauen stechenden
Augen, bewaffnet durch eine Brille mit Schildkrot, spärliche und schlichte flachs-
farbne Haare und die Anfänge eines bureaukratischen Backenbäctlcins.
Franz Palacky, der böhmische Historiograph ist der Sohn eines armen kalvi-
nischen Schulmeisters zu Hodslavic in Mähren, wo er am 14. Juni 1798 das
Licht der Welt erblickt hat. Seine Studien machte derselbe zu Preßburg und
Wien. Als absvlvirter Jurist bekleidete Palacky längere Zeit eine Hofmeistcrstelle
bei einer hochadeligen Familie in Ungarn. Im Jahre 1823 übersiedelte er nach
Prag und warf sich uuter der Ägide der beiden gefeierten böhmischen Mäcenaten
der edlen Grafen Fra iz und Caspar von Sternberg auf das seit Dobner, Pnbiczka
und Pelzel ziemlich brach gebliebene Feld der böhmischen Geschichtsforschung. Die
großen Bücher- und Urkundenschätze in den Bibliotheken und Archiven Wiens und
Prags und die zahlreichen und bedeutenden Sammlungen auf den Schlössern des
böhmischen hohe» Adels, besonders die der Schwarzenberge zu Wittiugau boten über¬
reiches Material. P. übernahm die Leitung der neugegründeten Zeitschrift des böh¬
mischen Museums, seine historischen Aufsätze waren man und interessant. Aufsehn
machte Palacky's von der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften gekrönte
Preisschrift „Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber." Der Erfolg die¬
ses Buchs trug nicht wenig dazu bei, daß Palacky die reich dotirte Stelle eines
„Historiographen der Stände des Königreichs Böhmen" erhielt. Nun machte sich
Palacky ernstlich an die Ausarbeitung einer Geschichte Böhmens wozu ihm eine
Masse noch unbenützter wichtiger Urkunden vorlag. Nach mehreren gelehrten Rei¬
se», durch Deutschland und Italien übergab er 1836 den ersten Band seiner böh¬
mischen Geschichte der Oeffentlichkeit. Zu gleicher Zeit begann er die Herausgabe
eines böhmischen Diplomatoriums unter dem Titel ,,^rei>lo c«z«K^", eine unschätz¬
bare Quellenschrift für den Geschichtschreiber, und in der Mehrzahl der mitgetheilten
Briefe und Dokumente wichtig für den Sprachforscher wie für den Juristen.
Palacky's böhmische Geschichte, welche er, um auch das Ausland mit Böh¬
mens thatenrcicher Vergangenheit bekannt zu machen, in deutscher Sprache ver¬
faßte , ist bis zum sechste» Theil gediehen. Die bis jetzt erschienenen fünf Theile
reichen bis zum Tode Wenzel IV., zu deu Anfängen des Hussitenkriegs. Die Ge¬
schichte und Ehrenrettung des großen Przemysl Otokar und die Zeit der Könige
Karl und Wenzel IV. siud unstreitig die Glanzpunkte seines Werks, das ans viel
reichere und solidere Vorstudien basirt als alle Vorangegangenen, und in der
Reichhaltigkeit der Mittheilungen, Strenge der Kritik und edler Treue der Dar¬
stellungsweise seines Gleichen sucht. Die Haltung des Ganzen ist so streng na¬
tional und aristokratisch als möglich. In dem zu ängstlichen Festhalten an Urkunden
und dem Mißtrauen zu ganz wackern alten Chroniken geht Palacky offenbar zu
weit. Die Plastik und Lebhaftigkeit der Schilderung läßt doch Einiges zu our-
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