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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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und Jung manu, dieser unvergeßliche Genius, der allein mehr geschaffen, als
manch eine Akademie!

1. Hanka.

Wenn Sie jemals die alte hundertthürmige Königsstadt an der Moldau besucht
haben, waren Sie gewiß auch im Nationalmuseum und erinnern sich gern des liebens¬
würdigen Empfangs von Seiten des Bibliothekars Wenccslaus Hanka, Ritter
u. s. w. Wenn Sie ihn vor dein März gesehen, im unscheinbaren grünen Oberrock
-- indessen einem Knopfloch aber stets zwei Ordenskreuze hingen -- in den kur¬
zen schwarzen Unaussprechlichen ohne Stegen, in dicken grauen Filzschuhen am
Arbeitspult stehend, wie er die mächtige Adlerseder in der von Brillant- und Nnbin-
riugeu strotzenden Hand mit kolossalen Schriftzügen irgend einen kyrillischen Text
znsammenstanchte, würden Sie ihn im April, Mai und den folgenden Monaten
des verflossenen Jahres schwerlich wieder erkannt haben, wenn Ihnen das volle,
geröthete, behäbige, etwas pockennarbige Gesicht, die gutmüthige" Auge", die runde
branne Atzel und die hohe embvnpvintirte Gestalt nicht zu fest im Gedächtniß
geblieben wäre. An der Spitze eines Zuges Swornost -- blutdürstigen und ver¬
rufenen Andenkens -- sah mau deu würdige" Gelehrten in der vollen, schon ver¬
schnürten Uniform eines wohlbestallten Capitains einherschreiten, die graue Ko-
sackenmütze mit der langen rothen Troddel auf dem Haupt, den blanken Säbel
in der Rechten, den er jedoch genau mit denselben stereotypen Gebärden und Hand¬
griffen zu schwingen liebte, wie sonst die lange Schreibfeder ans dem Fittig des
Steinadlers daheim im Museumsbnreau. Hanka, unstreitig eine der ersten Cele-
britäten in der slavischen Gelehrtenwelt, verdankt seinen Ruhm und seine Tüchtig¬
keit sich selbst, er ist ein einen" jsior "v t'-latus.

Eines Bauern Sohn zu Horenivwes am 10. Juni 1791 geboren, blieb er
bis zu seinem 16. Jahre beinahe ohne alle Schulbildung. Erst nach zurückgeleg¬
tem 1ö. Jahre kam er -- ohne ein Wort Deutsch zu können -- an das König-
grätzer Gymnasium. Sein ungewöhnlich reger Geist und sein Fleiß brachten es
in kurzer Zeit dahin, daß er noch als Student ein treuer und geschätzter Mit¬
arbeiter Dobrowsky's wurde und als solcher durch zwei Jahre an der Prager
Universität die czechische Sprache donirte (1817): Neben dem Grafen Kolowrat
und Sternberg und den Professoren Jungmann, Jandera und Prest war es vor¬
züglich Hanka, welcher das Nationalmuseum zu Prag in's Leben rufen und ein¬
richten half. Er ward auch gleich nach der Constituirung dieses Instituts zum
ersten Bibliothekar und Archivar an demselben bestellt. Die Aufsindung der soge¬
nannten Königinhofcr Handschrift, (liulconis IvritloclvoisK^) welche Jahrhunderte
lang in einem Thurmgewvlbe der Pfarrkirche zu Königinhos unter alten rostigen


und Jung manu, dieser unvergeßliche Genius, der allein mehr geschaffen, als
manch eine Akademie!

1. Hanka.

Wenn Sie jemals die alte hundertthürmige Königsstadt an der Moldau besucht
haben, waren Sie gewiß auch im Nationalmuseum und erinnern sich gern des liebens¬
würdigen Empfangs von Seiten des Bibliothekars Wenccslaus Hanka, Ritter
u. s. w. Wenn Sie ihn vor dein März gesehen, im unscheinbaren grünen Oberrock
— indessen einem Knopfloch aber stets zwei Ordenskreuze hingen — in den kur¬
zen schwarzen Unaussprechlichen ohne Stegen, in dicken grauen Filzschuhen am
Arbeitspult stehend, wie er die mächtige Adlerseder in der von Brillant- und Nnbin-
riugeu strotzenden Hand mit kolossalen Schriftzügen irgend einen kyrillischen Text
znsammenstanchte, würden Sie ihn im April, Mai und den folgenden Monaten
des verflossenen Jahres schwerlich wieder erkannt haben, wenn Ihnen das volle,
geröthete, behäbige, etwas pockennarbige Gesicht, die gutmüthige» Auge», die runde
branne Atzel und die hohe embvnpvintirte Gestalt nicht zu fest im Gedächtniß
geblieben wäre. An der Spitze eines Zuges Swornost — blutdürstigen und ver¬
rufenen Andenkens — sah mau deu würdige» Gelehrten in der vollen, schon ver¬
schnürten Uniform eines wohlbestallten Capitains einherschreiten, die graue Ko-
sackenmütze mit der langen rothen Troddel auf dem Haupt, den blanken Säbel
in der Rechten, den er jedoch genau mit denselben stereotypen Gebärden und Hand¬
griffen zu schwingen liebte, wie sonst die lange Schreibfeder ans dem Fittig des
Steinadlers daheim im Museumsbnreau. Hanka, unstreitig eine der ersten Cele-
britäten in der slavischen Gelehrtenwelt, verdankt seinen Ruhm und seine Tüchtig¬
keit sich selbst, er ist ein einen„ jsior «v t'-latus.

Eines Bauern Sohn zu Horenivwes am 10. Juni 1791 geboren, blieb er
bis zu seinem 16. Jahre beinahe ohne alle Schulbildung. Erst nach zurückgeleg¬
tem 1ö. Jahre kam er — ohne ein Wort Deutsch zu können — an das König-
grätzer Gymnasium. Sein ungewöhnlich reger Geist und sein Fleiß brachten es
in kurzer Zeit dahin, daß er noch als Student ein treuer und geschätzter Mit¬
arbeiter Dobrowsky's wurde und als solcher durch zwei Jahre an der Prager
Universität die czechische Sprache donirte (1817): Neben dem Grafen Kolowrat
und Sternberg und den Professoren Jungmann, Jandera und Prest war es vor¬
züglich Hanka, welcher das Nationalmuseum zu Prag in's Leben rufen und ein¬
richten half. Er ward auch gleich nach der Constituirung dieses Instituts zum
ersten Bibliothekar und Archivar an demselben bestellt. Die Aufsindung der soge¬
nannten Königinhofcr Handschrift, (liulconis IvritloclvoisK^) welche Jahrhunderte
lang in einem Thurmgewvlbe der Pfarrkirche zu Königinhos unter alten rostigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/79>, abgerufen am 05.02.2025.