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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Wir sprachen über die Mittel und Wege, wie eine staatliche Einigung Oest¬
reichs mit Delilsmland anzubahnen sei. Mir wurde schon damals klar, daß es
bei den einflußreichern östreichischen Abgeordneten nicht Maugel an Sachkenntniß,
sondern die Furcht war undeutscher Gesinnungen, partiknlaristischer Gelüste ze. ge¬
ziehen zu werden, was sie abhielt gleich von vorneherein mit der Sprache offen
herauszutreten und die Unmöglichkeit einer staatlichen Einigung des Gesammtstaats
Oestreich mit Deutschland nachzuweisen.

Nach der Oktoberrevolution traf ich H. v. Bruck in Wien als Minister.
Offen gestanden, es that mir leid, daß er Minister geworden; ich hätte ihn gern
für eine bessere Zeit aufgespart gesehen. Trägt er auch keine Schuld an der per¬
fiden Politik des jetzigen Cabinets, so wird er doch die Verantwortung dafür mit
übernehmen müssen.

Ich will hier nicht näher untersuchen, welche Motive ihn bewogen, den ge¬
fährlichen Posten anzunehmen; gewiß ist, daß die Opfer, welche er dabei brachte,
größer waren als der Vortheil, der ihm daraus entspringen wird.

Von einer durchgreifenden Wirksamkeit konnte bei ihm so wenig wie bei den
andern Ministern, bis zur Auflösung des Reichstags von Kremsier, die Rede sein.
Der Kaiser war in Olmütz, der Reichstag in Krenisier, und die Bureaux der
Minister in Wien, so daß die fortwährenden Rundreise" nach den genannten drei
Plätzen, den Herren wenig Zeit zu wichtigen Geschäften übrig ließen. Der Natio¬
nal hatte Recht, das neue Ministerium """ Olbmot in"but>>"t" zu nennen. Es
verging fast kein Tag, wo nicht der eine oder der andere der Herren zu einer
Besprechung an's Hoflager von Olmütz berufen wurde.

Gleich in den ersten Monaten äußerten sich bedenkliche Meinungsverschieden¬
heiten unter den Mitgliedern des neuen Cabinets, in welchem Brück das frei¬
sinnigste, oder recht zu sage" das einzige freisinnige Element bildete. Er hatte
zu viel Menschenkenntnis) oder praktischen Verstand, um nicht vou vorneherein die
blasirte Beschränktheit Schwarzenbergs und die ehrgeizigen Pläne Bachs, dieses
"politischen Eichhörnchens" zu durchschauen und machte immer entschieden Opposi¬
tion gegen die von Petersburg aus diktirte Politik des vlmützer Cabinets. Es
ist nicht ohne tiefer liegende Gründe, daß man ihn fortwährend von seinem Po¬
sten fernzuhalten und mit diplomatischen Missionen zu beschäftigen sucht, die mit
der Stellung eines Ministers des Handels und der öffentlichen Arbeiten wenig
gemein haben!

Bruck ist seiner ganzen Richtung nach Handelsherr und in seiner Seele stehn
die internationalen Verkehrsverhältnisse der Völker im Vordergrund. Deshalb
legt er dem ganzen Constitutionalismus nach französischem Zuschnitt nur eine unter-
geordnete Bedeutung bei und würde es jedenfalls als einen größeren Gewinn an¬
sehen , wenn er es dahin bringen könnte, die Zollschranken zwischen Oestreich und


Wir sprachen über die Mittel und Wege, wie eine staatliche Einigung Oest¬
reichs mit Delilsmland anzubahnen sei. Mir wurde schon damals klar, daß es
bei den einflußreichern östreichischen Abgeordneten nicht Maugel an Sachkenntniß,
sondern die Furcht war undeutscher Gesinnungen, partiknlaristischer Gelüste ze. ge¬
ziehen zu werden, was sie abhielt gleich von vorneherein mit der Sprache offen
herauszutreten und die Unmöglichkeit einer staatlichen Einigung des Gesammtstaats
Oestreich mit Deutschland nachzuweisen.

Nach der Oktoberrevolution traf ich H. v. Bruck in Wien als Minister.
Offen gestanden, es that mir leid, daß er Minister geworden; ich hätte ihn gern
für eine bessere Zeit aufgespart gesehen. Trägt er auch keine Schuld an der per¬
fiden Politik des jetzigen Cabinets, so wird er doch die Verantwortung dafür mit
übernehmen müssen.

Ich will hier nicht näher untersuchen, welche Motive ihn bewogen, den ge¬
fährlichen Posten anzunehmen; gewiß ist, daß die Opfer, welche er dabei brachte,
größer waren als der Vortheil, der ihm daraus entspringen wird.

Von einer durchgreifenden Wirksamkeit konnte bei ihm so wenig wie bei den
andern Ministern, bis zur Auflösung des Reichstags von Kremsier, die Rede sein.
Der Kaiser war in Olmütz, der Reichstag in Krenisier, und die Bureaux der
Minister in Wien, so daß die fortwährenden Rundreise» nach den genannten drei
Plätzen, den Herren wenig Zeit zu wichtigen Geschäften übrig ließen. Der Natio¬
nal hatte Recht, das neue Ministerium „»» Olbmot in»but>>»t" zu nennen. Es
verging fast kein Tag, wo nicht der eine oder der andere der Herren zu einer
Besprechung an's Hoflager von Olmütz berufen wurde.

Gleich in den ersten Monaten äußerten sich bedenkliche Meinungsverschieden¬
heiten unter den Mitgliedern des neuen Cabinets, in welchem Brück das frei¬
sinnigste, oder recht zu sage» das einzige freisinnige Element bildete. Er hatte
zu viel Menschenkenntnis) oder praktischen Verstand, um nicht vou vorneherein die
blasirte Beschränktheit Schwarzenbergs und die ehrgeizigen Pläne Bachs, dieses
„politischen Eichhörnchens" zu durchschauen und machte immer entschieden Opposi¬
tion gegen die von Petersburg aus diktirte Politik des vlmützer Cabinets. Es
ist nicht ohne tiefer liegende Gründe, daß man ihn fortwährend von seinem Po¬
sten fernzuhalten und mit diplomatischen Missionen zu beschäftigen sucht, die mit
der Stellung eines Ministers des Handels und der öffentlichen Arbeiten wenig
gemein haben!

Bruck ist seiner ganzen Richtung nach Handelsherr und in seiner Seele stehn
die internationalen Verkehrsverhältnisse der Völker im Vordergrund. Deshalb
legt er dem ganzen Constitutionalismus nach französischem Zuschnitt nur eine unter-
geordnete Bedeutung bei und würde es jedenfalls als einen größeren Gewinn an¬
sehen , wenn er es dahin bringen könnte, die Zollschranken zwischen Oestreich und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/76>, abgerufen am 05.02.2025.