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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Herr von Brück.



Eine geistig und körperlich großartig angelegte Natur, zu deren richtiger Be¬
urtheilung auch ein großer Maßstab gehört. Brück ist vom Wirbel bis zur Zehe
was Montesquieu nennt. ,,un domino ne nour los Aiuäes allitir.""

Ein Schulmeister würde ihn in mancher Beziehung sehr unwissend finden,
denn er hat weder den Tacitus noch deu Xenophon gelesen, wie ihm überhaupt
jeder Anflug von sogenannter gelehrter Bildung fehlt; dagegen rühmen erfahrne
Geschäftsmänner die Tragweite seines Blickes, die Fülle seines praktischen Wissens,
die muthige Sicherheit seines Handelns, die Klarheit und Umsicht womit er die
schwierigsten Verhältnisse auffaßt und beherrscht.

Ich kauu ihn mir nicht in einem kleinen Wirkungskreise denken; auch würde
er bald die engen Schranken durchbrechen und Mittel finden, sich ein größeres
Feld der Thätigkeit zu eröffnen, denn Wenige verstehen wie er, das Gegebene
auszubeuten und die Menschen zu ihren Zwecken zu benutzen.

Er versteht besser zu befehlen als zu gehorchen, besser zu übersehen und an¬
zuordnen als auszuführen; er ist geschickter im Handeln als im Schreiben und
Sprechen. Als Militär würde er ein guter General sein und ein schlechter Lieut-
nant, als Publicist ein trefflicher Redacteur und ein schlechter Mitarbeiter, in den
Kammern ein ausgezeichneter Präsident und ein mittelmäßiger Redner.

Herr v. Brück, jetzt etwa in der Mitte der Fünfziger, ist ein Mann von
hohem Wuchs, regelmäßig geformten Gestchtszügen und scharfen, etwas stechenden
Augen. Das schon ergraute, schlicht anliegende Haar dient nur dazu die kräftige
Frische des Gesichts noch mehr hervorzuheben. Der großen, verständigen Stirn
sieht man's an, daß sie mehr berechnet als geträumt hat. Alles in Allem genom¬
men ist seine Erscheinung eine imposante, und der Verkehr mit ihm ein angeneh¬
mer und leichter.

In seinem Auftreten hält er die Mitte zwischen dem Aristokraten und dem
reichen Bourgeois. Er hat weder die fertigen Salonmanieren des Fürsten Felix
Schwarzenberg, den man sich nicht denken kann ohne lackirte Stiefel, elastische
Armbewegungen und tadellos sitzende Handschuhe auf den sein zugespitzten Fingern,
-- noch die steifleinene Philisterhaltung seines Berliner Kollegen v. d. Heydt,
dessen stolzes Gcldbewußtsein durch die vollen Wangen und Hände leuchtet, und


Herr von Brück.



Eine geistig und körperlich großartig angelegte Natur, zu deren richtiger Be¬
urtheilung auch ein großer Maßstab gehört. Brück ist vom Wirbel bis zur Zehe
was Montesquieu nennt. ,,un domino ne nour los Aiuäes allitir.«"

Ein Schulmeister würde ihn in mancher Beziehung sehr unwissend finden,
denn er hat weder den Tacitus noch deu Xenophon gelesen, wie ihm überhaupt
jeder Anflug von sogenannter gelehrter Bildung fehlt; dagegen rühmen erfahrne
Geschäftsmänner die Tragweite seines Blickes, die Fülle seines praktischen Wissens,
die muthige Sicherheit seines Handelns, die Klarheit und Umsicht womit er die
schwierigsten Verhältnisse auffaßt und beherrscht.

Ich kauu ihn mir nicht in einem kleinen Wirkungskreise denken; auch würde
er bald die engen Schranken durchbrechen und Mittel finden, sich ein größeres
Feld der Thätigkeit zu eröffnen, denn Wenige verstehen wie er, das Gegebene
auszubeuten und die Menschen zu ihren Zwecken zu benutzen.

Er versteht besser zu befehlen als zu gehorchen, besser zu übersehen und an¬
zuordnen als auszuführen; er ist geschickter im Handeln als im Schreiben und
Sprechen. Als Militär würde er ein guter General sein und ein schlechter Lieut-
nant, als Publicist ein trefflicher Redacteur und ein schlechter Mitarbeiter, in den
Kammern ein ausgezeichneter Präsident und ein mittelmäßiger Redner.

Herr v. Brück, jetzt etwa in der Mitte der Fünfziger, ist ein Mann von
hohem Wuchs, regelmäßig geformten Gestchtszügen und scharfen, etwas stechenden
Augen. Das schon ergraute, schlicht anliegende Haar dient nur dazu die kräftige
Frische des Gesichts noch mehr hervorzuheben. Der großen, verständigen Stirn
sieht man's an, daß sie mehr berechnet als geträumt hat. Alles in Allem genom¬
men ist seine Erscheinung eine imposante, und der Verkehr mit ihm ein angeneh¬
mer und leichter.

In seinem Auftreten hält er die Mitte zwischen dem Aristokraten und dem
reichen Bourgeois. Er hat weder die fertigen Salonmanieren des Fürsten Felix
Schwarzenberg, den man sich nicht denken kann ohne lackirte Stiefel, elastische
Armbewegungen und tadellos sitzende Handschuhe auf den sein zugespitzten Fingern,
— noch die steifleinene Philisterhaltung seines Berliner Kollegen v. d. Heydt,
dessen stolzes Gcldbewußtsein durch die vollen Wangen und Hände leuchtet, und


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[0072] Herr von Brück. Eine geistig und körperlich großartig angelegte Natur, zu deren richtiger Be¬ urtheilung auch ein großer Maßstab gehört. Brück ist vom Wirbel bis zur Zehe was Montesquieu nennt. ,,un domino ne nour los Aiuäes allitir.«" Ein Schulmeister würde ihn in mancher Beziehung sehr unwissend finden, denn er hat weder den Tacitus noch deu Xenophon gelesen, wie ihm überhaupt jeder Anflug von sogenannter gelehrter Bildung fehlt; dagegen rühmen erfahrne Geschäftsmänner die Tragweite seines Blickes, die Fülle seines praktischen Wissens, die muthige Sicherheit seines Handelns, die Klarheit und Umsicht womit er die schwierigsten Verhältnisse auffaßt und beherrscht. Ich kauu ihn mir nicht in einem kleinen Wirkungskreise denken; auch würde er bald die engen Schranken durchbrechen und Mittel finden, sich ein größeres Feld der Thätigkeit zu eröffnen, denn Wenige verstehen wie er, das Gegebene auszubeuten und die Menschen zu ihren Zwecken zu benutzen. Er versteht besser zu befehlen als zu gehorchen, besser zu übersehen und an¬ zuordnen als auszuführen; er ist geschickter im Handeln als im Schreiben und Sprechen. Als Militär würde er ein guter General sein und ein schlechter Lieut- nant, als Publicist ein trefflicher Redacteur und ein schlechter Mitarbeiter, in den Kammern ein ausgezeichneter Präsident und ein mittelmäßiger Redner. Herr v. Brück, jetzt etwa in der Mitte der Fünfziger, ist ein Mann von hohem Wuchs, regelmäßig geformten Gestchtszügen und scharfen, etwas stechenden Augen. Das schon ergraute, schlicht anliegende Haar dient nur dazu die kräftige Frische des Gesichts noch mehr hervorzuheben. Der großen, verständigen Stirn sieht man's an, daß sie mehr berechnet als geträumt hat. Alles in Allem genom¬ men ist seine Erscheinung eine imposante, und der Verkehr mit ihm ein angeneh¬ mer und leichter. In seinem Auftreten hält er die Mitte zwischen dem Aristokraten und dem reichen Bourgeois. Er hat weder die fertigen Salonmanieren des Fürsten Felix Schwarzenberg, den man sich nicht denken kann ohne lackirte Stiefel, elastische Armbewegungen und tadellos sitzende Handschuhe auf den sein zugespitzten Fingern, — noch die steifleinene Philisterhaltung seines Berliner Kollegen v. d. Heydt, dessen stolzes Gcldbewußtsein durch die vollen Wangen und Hände leuchtet, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/72>, abgerufen am 06.02.2025.