Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Polen führten. ,M"n ater", sagte neulich ein Stabsoffizier aus dem Preßburger Polen führten. ,M»n ater", sagte neulich ein Stabsoffizier aus dem Preßburger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279097"/> <p xml:id="ID_205" prev="#ID_204"> Polen führten. ,M»n ater", sagte neulich ein Stabsoffizier aus dem Preßburger<lb/> Lager, „der Tanz wird großartig. Die Rebellen werden vollständig ausgerottet,<lb/> denn daß die Russen keinen Polen und keinem Legionär, und daß die Serben<lb/> außerdem keinem Magyaren Quarttet geben, darauf können Sie sich verlassen." —<lb/> Und unsere Truppen? — „Werden dem Beispiel ihrer Alliirten folgen." — Es<lb/> sind leider keine leeren Worte. Die Ernennung Haynau's zum unumschränkten<lb/> Herrn über Tod und Leben in Ungarn ist Bürgschaft genug, daß diesem Feldzug<lb/> der Stempel des Vernichtungskrieges aufgeprägt werden soll. Haynan hat die<lb/> kurze Waffenruhe zu Preßburg gehörig benutzt und durch das Aufhängen von<lb/> Richtern, Predigern und Edelleuten die Magyaren zu Repressalien gezwungen, die<lb/> fortzeugend neue Greuel gebären müssen. Oestreich will in Ungarn nivelliren.<lb/> Fort mit dem hochmüthigen Ritterthum der Magyaren, dafür wird uns das ser¬<lb/> bisch-kroatisch-wallachische Element brüderlich näher rücken; und die „Gleichberech¬<lb/> tigung" verlangt, daß unsere Laudest'inter sich uicht über die Majorität in Ungarn<lb/> erheben, sondern die patriarchalischen Kopfabschneidersitten der allzeit getreuen Süd¬<lb/> slaven ehren lerne«. Sogar hier, in dem ursprünglich deutschen Wien, beginnen<lb/> sich Anschauungsweisen einzunisten, die nach serbisch-kroatischer Civilisation düster.<lb/> Lesen Sie unsere bestgesinnten Journale, „Geißel," „Courier," „Volksboden"<lb/> oder das „Fremdenblatt", welches ein ungerathener Bruder Heinrich Heine's re-<lb/> digirt. Wohlbestallte Spione sind seine Ehrenmitarbeiter; der Fremdenblättler<lb/> selbst ist immer guter Dinge und reißt miserable Witze, wo Andern die Haare zu<lb/> Berge stehen. Ein kaiserlicher Dorfrichter bei Oedenburg hat einen angeblichen<lb/> magyarischen Emissär die Zunge ausschneiden lassen. Das erbauliche Factum meldet<lb/> der Fremdenblättler mit der Bemerkung: „Wird ähnlichen Subjecten zur War¬<lb/> nung dienen." Der Mensch wird von den Militär- und Civilbehörden protegirt,<lb/> sein Blättchen wird von einer ehrsamen Bürgerschaft verschlungen, es fehlt in kei¬<lb/> nem Gast- und keinem Privathause. Es ist der Moniteur aller Scheußlichkeiten<lb/> und wie er sie mit stereotyp grinsendem Humor erzählt, so liest sie der größte Theil<lb/> des Publikums mit phlegmatischer Gleichgiltigkeit als eine matter ok course. —<lb/> Sind wir hier wirklich in Wien? Manchmal träumt mir, Stephansthurm, Donau<lb/> und Kahlenberg seien nur eine stehende Luftspiegelung oder Potcmkin'sche Decora-<lb/> tionen und ich wäre nach Bukarest oder Astrachan verschlagen, einige hundert<lb/> deutsche Meilen weit von der Grenze Deutschlands.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
Polen führten. ,M»n ater", sagte neulich ein Stabsoffizier aus dem Preßburger
Lager, „der Tanz wird großartig. Die Rebellen werden vollständig ausgerottet,
denn daß die Russen keinen Polen und keinem Legionär, und daß die Serben
außerdem keinem Magyaren Quarttet geben, darauf können Sie sich verlassen." —
Und unsere Truppen? — „Werden dem Beispiel ihrer Alliirten folgen." — Es
sind leider keine leeren Worte. Die Ernennung Haynau's zum unumschränkten
Herrn über Tod und Leben in Ungarn ist Bürgschaft genug, daß diesem Feldzug
der Stempel des Vernichtungskrieges aufgeprägt werden soll. Haynan hat die
kurze Waffenruhe zu Preßburg gehörig benutzt und durch das Aufhängen von
Richtern, Predigern und Edelleuten die Magyaren zu Repressalien gezwungen, die
fortzeugend neue Greuel gebären müssen. Oestreich will in Ungarn nivelliren.
Fort mit dem hochmüthigen Ritterthum der Magyaren, dafür wird uns das ser¬
bisch-kroatisch-wallachische Element brüderlich näher rücken; und die „Gleichberech¬
tigung" verlangt, daß unsere Laudest'inter sich uicht über die Majorität in Ungarn
erheben, sondern die patriarchalischen Kopfabschneidersitten der allzeit getreuen Süd¬
slaven ehren lerne«. Sogar hier, in dem ursprünglich deutschen Wien, beginnen
sich Anschauungsweisen einzunisten, die nach serbisch-kroatischer Civilisation düster.
Lesen Sie unsere bestgesinnten Journale, „Geißel," „Courier," „Volksboden"
oder das „Fremdenblatt", welches ein ungerathener Bruder Heinrich Heine's re-
digirt. Wohlbestallte Spione sind seine Ehrenmitarbeiter; der Fremdenblättler
selbst ist immer guter Dinge und reißt miserable Witze, wo Andern die Haare zu
Berge stehen. Ein kaiserlicher Dorfrichter bei Oedenburg hat einen angeblichen
magyarischen Emissär die Zunge ausschneiden lassen. Das erbauliche Factum meldet
der Fremdenblättler mit der Bemerkung: „Wird ähnlichen Subjecten zur War¬
nung dienen." Der Mensch wird von den Militär- und Civilbehörden protegirt,
sein Blättchen wird von einer ehrsamen Bürgerschaft verschlungen, es fehlt in kei¬
nem Gast- und keinem Privathause. Es ist der Moniteur aller Scheußlichkeiten
und wie er sie mit stereotyp grinsendem Humor erzählt, so liest sie der größte Theil
des Publikums mit phlegmatischer Gleichgiltigkeit als eine matter ok course. —
Sind wir hier wirklich in Wien? Manchmal träumt mir, Stephansthurm, Donau
und Kahlenberg seien nur eine stehende Luftspiegelung oder Potcmkin'sche Decora-
tionen und ich wäre nach Bukarest oder Astrachan verschlagen, einige hundert
deutsche Meilen weit von der Grenze Deutschlands.
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