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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Debüt in Prag von ungeheurem Erfolg. Ueber Wien und Berlin zog sie ihre
Zauberkreise nach Paris und hier begegneten einander um das Jahr 1826 das aufstei¬
gende Gestirn der Blondine, und das rothe Cometenlicht der Brünette, welche vom
Zenith ihres Ruhmes langsam hernieder stieg in die Wolken der Resignation.
Wie die Catcilcmi, so war die Sonntag eine schöne Repräsentantin der Kunst ihres
Volkes, der Reiz jungfräulicher Anmuth und Bescheidenheit, die naive Schalkhaf¬
tigkeit der graziösen Figur und die liebenswürdige Sentimentalität ihres Gefühls
bildeten einen vortrefflichen Gegensatz zu dem sichern Stolz, der bewußten Kraft
ihrer Schwester. Selten hat einer Künstlerin die Welt so freundlich zugelacht,
ihren Theaterhimmel umkreisen keine dunklen dämonischen Gestalten, es waren die
weichen Elfen der romantischen deutschen Musik, welche über ihren Soffiten saßen
und ihr Gesichter schnitten; selten schien die Jugend einer Sängerin so glücklich
als die ihre. Und was ist aus ihrem Leben geworden? Sie heirathete im vollen
Glänze ihres unabhängigen Künstlerlebens einen Grafen Rossi, sie verschwend von
der Bühne und begann das Leben einer Salondame in exclusiver Kreisen. Was
sie in dieser Zeit durchgefühlt und gelitten, das soll ihr Geheimniß bleiben, wir sehn
nur eins, zwanzig Jahre war sie vom Theater getrennt und jetzt muß sie auf
die Bretter zurück. Auch sie wird durch eine gespenstische Gewalt >in den blonden
Haaren zurückgezogen zu der Stelle, auf der sie einst dem Verhängniß verfiel.
Ihre erste Rolle war die Prinzessin im Johann von Paris, welche wird ihre
letzte sein? Was wird das Weib, die Künstlerin bis zu diier letzten Rolle noch
von Freude und Leid zu genießen haben? --

Wir Deutsche haben eine Pflicht der Dankbarkeit <?egen sie zu erfüllen. Alles
Schöne, was wir von ihrer Zukunft kaum hoffen, wollen wir ihr von Herzen
wünschen.




Briefe eines deutschen Reifenden.
A-is Wien.

Heute verkündet der "Lloyd" das siebente oder achte Ultimatum des Fürsten
Schwarzenberg an Deutschland.

Schwarzenberg ist so wei^g ein Feind der deutschen Einheit, daß ihre einfache
Verkörperung ihm nicht gewgt; er will sie dreimal haben, er verlangt drei einige
Deutschlands in Deutschland. Ihm ist es vor Allem um die Macht und Größe
der Nation zu thun. D< er sich nun überzeugt hat, daß Gagern's Kleindeutsch¬
land viel zu klein wär--, um sich gegen die Anfeindungen der Gesammtmonarchie
behaupten zu können so gibt er ihm den wohlgemeinten Rath, sich gefälligst in


Debüt in Prag von ungeheurem Erfolg. Ueber Wien und Berlin zog sie ihre
Zauberkreise nach Paris und hier begegneten einander um das Jahr 1826 das aufstei¬
gende Gestirn der Blondine, und das rothe Cometenlicht der Brünette, welche vom
Zenith ihres Ruhmes langsam hernieder stieg in die Wolken der Resignation.
Wie die Catcilcmi, so war die Sonntag eine schöne Repräsentantin der Kunst ihres
Volkes, der Reiz jungfräulicher Anmuth und Bescheidenheit, die naive Schalkhaf¬
tigkeit der graziösen Figur und die liebenswürdige Sentimentalität ihres Gefühls
bildeten einen vortrefflichen Gegensatz zu dem sichern Stolz, der bewußten Kraft
ihrer Schwester. Selten hat einer Künstlerin die Welt so freundlich zugelacht,
ihren Theaterhimmel umkreisen keine dunklen dämonischen Gestalten, es waren die
weichen Elfen der romantischen deutschen Musik, welche über ihren Soffiten saßen
und ihr Gesichter schnitten; selten schien die Jugend einer Sängerin so glücklich
als die ihre. Und was ist aus ihrem Leben geworden? Sie heirathete im vollen
Glänze ihres unabhängigen Künstlerlebens einen Grafen Rossi, sie verschwend von
der Bühne und begann das Leben einer Salondame in exclusiver Kreisen. Was
sie in dieser Zeit durchgefühlt und gelitten, das soll ihr Geheimniß bleiben, wir sehn
nur eins, zwanzig Jahre war sie vom Theater getrennt und jetzt muß sie auf
die Bretter zurück. Auch sie wird durch eine gespenstische Gewalt >in den blonden
Haaren zurückgezogen zu der Stelle, auf der sie einst dem Verhängniß verfiel.
Ihre erste Rolle war die Prinzessin im Johann von Paris, welche wird ihre
letzte sein? Was wird das Weib, die Künstlerin bis zu diier letzten Rolle noch
von Freude und Leid zu genießen haben? —

Wir Deutsche haben eine Pflicht der Dankbarkeit <?egen sie zu erfüllen. Alles
Schöne, was wir von ihrer Zukunft kaum hoffen, wollen wir ihr von Herzen
wünschen.




Briefe eines deutschen Reifenden.
A-is Wien.

Heute verkündet der „Lloyd" das siebente oder achte Ultimatum des Fürsten
Schwarzenberg an Deutschland.

Schwarzenberg ist so wei^g ein Feind der deutschen Einheit, daß ihre einfache
Verkörperung ihm nicht gewgt; er will sie dreimal haben, er verlangt drei einige
Deutschlands in Deutschland. Ihm ist es vor Allem um die Macht und Größe
der Nation zu thun. D< er sich nun überzeugt hat, daß Gagern's Kleindeutsch¬
land viel zu klein wär--, um sich gegen die Anfeindungen der Gesammtmonarchie
behaupten zu können so gibt er ihm den wohlgemeinten Rath, sich gefälligst in


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[0068] Debüt in Prag von ungeheurem Erfolg. Ueber Wien und Berlin zog sie ihre Zauberkreise nach Paris und hier begegneten einander um das Jahr 1826 das aufstei¬ gende Gestirn der Blondine, und das rothe Cometenlicht der Brünette, welche vom Zenith ihres Ruhmes langsam hernieder stieg in die Wolken der Resignation. Wie die Catcilcmi, so war die Sonntag eine schöne Repräsentantin der Kunst ihres Volkes, der Reiz jungfräulicher Anmuth und Bescheidenheit, die naive Schalkhaf¬ tigkeit der graziösen Figur und die liebenswürdige Sentimentalität ihres Gefühls bildeten einen vortrefflichen Gegensatz zu dem sichern Stolz, der bewußten Kraft ihrer Schwester. Selten hat einer Künstlerin die Welt so freundlich zugelacht, ihren Theaterhimmel umkreisen keine dunklen dämonischen Gestalten, es waren die weichen Elfen der romantischen deutschen Musik, welche über ihren Soffiten saßen und ihr Gesichter schnitten; selten schien die Jugend einer Sängerin so glücklich als die ihre. Und was ist aus ihrem Leben geworden? Sie heirathete im vollen Glänze ihres unabhängigen Künstlerlebens einen Grafen Rossi, sie verschwend von der Bühne und begann das Leben einer Salondame in exclusiver Kreisen. Was sie in dieser Zeit durchgefühlt und gelitten, das soll ihr Geheimniß bleiben, wir sehn nur eins, zwanzig Jahre war sie vom Theater getrennt und jetzt muß sie auf die Bretter zurück. Auch sie wird durch eine gespenstische Gewalt >in den blonden Haaren zurückgezogen zu der Stelle, auf der sie einst dem Verhängniß verfiel. Ihre erste Rolle war die Prinzessin im Johann von Paris, welche wird ihre letzte sein? Was wird das Weib, die Künstlerin bis zu diier letzten Rolle noch von Freude und Leid zu genießen haben? — Wir Deutsche haben eine Pflicht der Dankbarkeit <?egen sie zu erfüllen. Alles Schöne, was wir von ihrer Zukunft kaum hoffen, wollen wir ihr von Herzen wünschen. Briefe eines deutschen Reifenden. A-is Wien. Heute verkündet der „Lloyd" das siebente oder achte Ultimatum des Fürsten Schwarzenberg an Deutschland. Schwarzenberg ist so wei^g ein Feind der deutschen Einheit, daß ihre einfache Verkörperung ihm nicht gewgt; er will sie dreimal haben, er verlangt drei einige Deutschlands in Deutschland. Ihm ist es vor Allem um die Macht und Größe der Nation zu thun. D< er sich nun überzeugt hat, daß Gagern's Kleindeutsch¬ land viel zu klein wär--, um sich gegen die Anfeindungen der Gesammtmonarchie behaupten zu können so gibt er ihm den wohlgemeinten Rath, sich gefälligst in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/68>, abgerufen am 05.02.2025.