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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Mit entführte. Das t 4jährige Mädchen war bereits ein Wunder Italiens. Hatte
nicht der würdige Cardinal verboten, das Kind im Chor der Kirche singen zu
lassen, weil ihretwegen halb Rom hineinströmte und die junge Männerwelt dem
Allerheiligsten den Rücken zukehrte und der kleinen Angelika Bonbons und Blumen
in solchen Massen zuwarf, daß die Nonnen neben ihr fast erschlagen wurden?
Und hatte nicht die Superiorin trotz dem Verbot das Wunderkind doch singen
lassen, weil das Kloster reich wurde durch die Opferpfcnnige der zahllosen Be¬
wunderer? Du hast sehr früh Triumphe gefeiert, Angelika Catalani, du warst
noch Kind, als die Gespenster der Kunst sich um dein Haupt lagerten. Der
Bosclli machte dich zu Etwas, du wurdest seit l800 das Entzücken von Italien,
Lissabon, London und Paris. Damals nannten sie dich eine Göttin, denn du
warst ein schönes Weib, eine edle Gestalt mit stolzem römischen Antlitz und glü¬
henden Augen, du hattest eine sehr große Stimme, welche in Tiefe und Höhe
von glei5,em nud reinem Metall war und du verschmähtest es nicht, sehr fleißig
zu sein und warst ein Wunder von Technik, welches Allerlei mit der Stimme
machen konnte, auch Dinge, über welche sich dein kleiner Schutzgeist schämte und
ärgerte. Da auf dem Gipfel deines Ruhmes, als halb Enropa begeistert zu
deinen Füßen W und dich anschwärmte, da hast dn den confiscirten Kapitän
Valabregue gcheirithet, das Subject. Er wurde dein Tyrann, der dich mi߬
handelte, mit dem": Kunst schamlosen Wucher trieb und dein Geld vergeudete,
er machte dich habsücl/ig, anmaßend, zur Egoistin! Von 1816--26 zogst du von
Lissabon bis Petersburg und sammeltest Wälder vou Lorbeeren, innerlich aber ver¬
kauft du und wurdest alle. -- Seit 1828 lehrtest dn Andere singen. Dein
Herz war verkohlt, zusammenbogen, aber du konntest es doch nicht lassen, für
die Geister der Soffiten zu arb^er; dn schmücktest ihnen neue Opfer. Vor ein
paar Jahren sagten dich die Zenn-gen todt, du mußtest in den Zeitungen dage¬
gen protestiren und erklären, daß Ul noch am Leben seist. Arme Angelika! --
Und jetzt stirbst du als 65jährige alte Frau mit Hunderttausenden zusammen an
einer gemeinen Seuche, welche masscnlM tödtet und in die Gruben wirft, ohne
Distinktiv", ohne alle dramatischen Pointe,, fast unbemerkt. -- Warst du glück¬
lich ans Erden, Dame Catalani? dn hast vol geweint und viel gelacht, du hast
viel gesündigt und viel Gutes gethan und den Leben war sehr reich an Bildern,
Erfahrungen und Verwandlung, aber du hast lUglück gehabt in deiner Liebe und
großes Unglück in deiner Ehe und dein Herz war todt, bevor du starbst.

Du bist gestorben und die Sonntag geht zum Theater zurück.

Während die brünette Römerin auf goldenen Vage" vou einem Ende un¬
seres Erdtheils bis zum andern flog, schlüpfte aus deu ^ieu des Conservatorinms
von Prag eine blonde Rheinländern! hinter dle Coulissen. Einundzwanzig Jahre
jünger als die Catalani, betrat sie eben so viele Jahre sy^er die Bretter. Wie
einst das erste Auftreten der Italienerin in Venedig, so warder Sonntag erstes


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Mit entführte. Das t 4jährige Mädchen war bereits ein Wunder Italiens. Hatte
nicht der würdige Cardinal verboten, das Kind im Chor der Kirche singen zu
lassen, weil ihretwegen halb Rom hineinströmte und die junge Männerwelt dem
Allerheiligsten den Rücken zukehrte und der kleinen Angelika Bonbons und Blumen
in solchen Massen zuwarf, daß die Nonnen neben ihr fast erschlagen wurden?
Und hatte nicht die Superiorin trotz dem Verbot das Wunderkind doch singen
lassen, weil das Kloster reich wurde durch die Opferpfcnnige der zahllosen Be¬
wunderer? Du hast sehr früh Triumphe gefeiert, Angelika Catalani, du warst
noch Kind, als die Gespenster der Kunst sich um dein Haupt lagerten. Der
Bosclli machte dich zu Etwas, du wurdest seit l800 das Entzücken von Italien,
Lissabon, London und Paris. Damals nannten sie dich eine Göttin, denn du
warst ein schönes Weib, eine edle Gestalt mit stolzem römischen Antlitz und glü¬
henden Augen, du hattest eine sehr große Stimme, welche in Tiefe und Höhe
von glei5,em nud reinem Metall war und du verschmähtest es nicht, sehr fleißig
zu sein und warst ein Wunder von Technik, welches Allerlei mit der Stimme
machen konnte, auch Dinge, über welche sich dein kleiner Schutzgeist schämte und
ärgerte. Da auf dem Gipfel deines Ruhmes, als halb Enropa begeistert zu
deinen Füßen W und dich anschwärmte, da hast dn den confiscirten Kapitän
Valabregue gcheirithet, das Subject. Er wurde dein Tyrann, der dich mi߬
handelte, mit dem»: Kunst schamlosen Wucher trieb und dein Geld vergeudete,
er machte dich habsücl/ig, anmaßend, zur Egoistin! Von 1816—26 zogst du von
Lissabon bis Petersburg und sammeltest Wälder vou Lorbeeren, innerlich aber ver¬
kauft du und wurdest alle. — Seit 1828 lehrtest dn Andere singen. Dein
Herz war verkohlt, zusammenbogen, aber du konntest es doch nicht lassen, für
die Geister der Soffiten zu arb^er; dn schmücktest ihnen neue Opfer. Vor ein
paar Jahren sagten dich die Zenn-gen todt, du mußtest in den Zeitungen dage¬
gen protestiren und erklären, daß Ul noch am Leben seist. Arme Angelika! —
Und jetzt stirbst du als 65jährige alte Frau mit Hunderttausenden zusammen an
einer gemeinen Seuche, welche masscnlM tödtet und in die Gruben wirft, ohne
Distinktiv», ohne alle dramatischen Pointe,, fast unbemerkt. — Warst du glück¬
lich ans Erden, Dame Catalani? dn hast vol geweint und viel gelacht, du hast
viel gesündigt und viel Gutes gethan und den Leben war sehr reich an Bildern,
Erfahrungen und Verwandlung, aber du hast lUglück gehabt in deiner Liebe und
großes Unglück in deiner Ehe und dein Herz war todt, bevor du starbst.

Du bist gestorben und die Sonntag geht zum Theater zurück.

Während die brünette Römerin auf goldenen Vage» vou einem Ende un¬
seres Erdtheils bis zum andern flog, schlüpfte aus deu ^ieu des Conservatorinms
von Prag eine blonde Rheinländern! hinter dle Coulissen. Einundzwanzig Jahre
jünger als die Catalani, betrat sie eben so viele Jahre sy^er die Bretter. Wie
einst das erste Auftreten der Italienerin in Venedig, so warder Sonntag erstes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/67>, abgerufen am 05.02.2025.