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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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tralgewalt" und die "Reichsregcntschaft." Man hat nicht verfehlt, für diese Wi¬
dersprüche den einfachen Schlüssel zu finden: "Er meint es nicht ehrlich," wobei
denn freilich nicht erklärt ist, was er eigentlich meint. Und doch ist der rothe
Faden seiner Handlungsweise nicht schwer zu verfolgen,

Römer ist ein aufrichtiger Deutscher und ein et'en so aufrichtiger Würten¬
berger; je nachdem der eine oder der andere Gesichtspunkt durch die Umstände
in den Vordergrund gedrängt wurde, handelte er nach dieser oder jener Seite
hin. AIs Würtenberger suchte er das preußische Principal zu hintertreiben, so
lange es auf legalem Wege, in der Nationalversammlung möglich war. Als
Deutscher zwang er den würtemberger Particularismus zum Gehorsam und zur
Unterwerfung, sobald sich die Aussicht darbot, aus dem von der Nationalversamm¬
lung betretenen Wege ein deutsches Reich zu Stande zu bringen. Als Würten¬
berger trieb er endlich die Nationalversammlung ausctnauder, sobald von ihr nichts
anderes zu erwarten war, als daß sie in den Ruin ihres Deutschland auch das
bis dahin noch intacte Würtemberg ziehn würde. Der Wechsel in seiner Hand¬
lungsweise wurde nicht durch innere Haltlosigkeit, sondern dnrch die beiden Brenn¬
punkte seines Gesichtskreises bedingt. So geht es jedem ehrlichen Deutschen, der
nicht entweder ein Phantast ist, ein träumerischer Verehrer des Einen untheilbciren
Deutschland, wenn er's auch im Monde suchen müßte, oder ein verstockter Par-
ticularist. So geht es auch uns, die wir gute Deutsche sind, weil wir uns nnr
auf diesem Boden einen vollständigen Staat denken können, und gute Preußen,
weil wir nur im wirklichen Staat ein Vaterland sehen. Wir sind Deutsche trotz
alles wahnsinnigen Preußenhasses unserer süddeutsche" und radikalen Brüder, wir
sind Preußen trotz der verstockte" Cabinetspolitik unserer unglückseligen Regierung.
Für uns liegt Deutschland nicht in den Offenbnrger Volksconventikeln, Preußen
nicht in der Mappe Friedrich Wilhelms IV., von Manteuffel n. s. w. ganz zu
geschweige".

Wir sind aber noch durch einen andern Umstand in die mißliche Lage gedrängt,
unsere Bewegungen fortwährend nach denen unserer Gegner einrichten zu müssen.
Unsere Partei, d. h. diejenige, welche ein in constitutionelle Formen
eingerichtetes deutsches Reich will, und sich die Möglichkeit dessel¬
ben so denkt, daß die übrigen deutschen Staaten sich um Preußen
als um den Mittelpunkt krystallisiren -- unsere Partei ist von den
bestehenden Parteien nicht allein die schwächste, sondern auch die am wenigsten
organisirte; sie ist selber erst im Werden. Mit unsäglicher Mühe hat unsere Par¬
tei den Demokraten die Verfassung vom 28. März abgerungen; die Verkehrtheit
der preußischen Regierung vereitelte diese Mühe. Einen Augenblick hatte es den
Anschein, als ob die Partei das Parlament festhalten, und gestützt auf die Kam¬
mern der einzelnen Staaten den Particularismus der Regierungen beugen würde.
Natürlich traten wir auf die Seite des Parlaments. Da verläßt unsere Partei


tralgewalt" und die „Reichsregcntschaft." Man hat nicht verfehlt, für diese Wi¬
dersprüche den einfachen Schlüssel zu finden: „Er meint es nicht ehrlich," wobei
denn freilich nicht erklärt ist, was er eigentlich meint. Und doch ist der rothe
Faden seiner Handlungsweise nicht schwer zu verfolgen,

Römer ist ein aufrichtiger Deutscher und ein et'en so aufrichtiger Würten¬
berger; je nachdem der eine oder der andere Gesichtspunkt durch die Umstände
in den Vordergrund gedrängt wurde, handelte er nach dieser oder jener Seite
hin. AIs Würtenberger suchte er das preußische Principal zu hintertreiben, so
lange es auf legalem Wege, in der Nationalversammlung möglich war. Als
Deutscher zwang er den würtemberger Particularismus zum Gehorsam und zur
Unterwerfung, sobald sich die Aussicht darbot, aus dem von der Nationalversamm¬
lung betretenen Wege ein deutsches Reich zu Stande zu bringen. Als Würten¬
berger trieb er endlich die Nationalversammlung ausctnauder, sobald von ihr nichts
anderes zu erwarten war, als daß sie in den Ruin ihres Deutschland auch das
bis dahin noch intacte Würtemberg ziehn würde. Der Wechsel in seiner Hand¬
lungsweise wurde nicht durch innere Haltlosigkeit, sondern dnrch die beiden Brenn¬
punkte seines Gesichtskreises bedingt. So geht es jedem ehrlichen Deutschen, der
nicht entweder ein Phantast ist, ein träumerischer Verehrer des Einen untheilbciren
Deutschland, wenn er's auch im Monde suchen müßte, oder ein verstockter Par-
ticularist. So geht es auch uns, die wir gute Deutsche sind, weil wir uns nnr
auf diesem Boden einen vollständigen Staat denken können, und gute Preußen,
weil wir nur im wirklichen Staat ein Vaterland sehen. Wir sind Deutsche trotz
alles wahnsinnigen Preußenhasses unserer süddeutsche» und radikalen Brüder, wir
sind Preußen trotz der verstockte» Cabinetspolitik unserer unglückseligen Regierung.
Für uns liegt Deutschland nicht in den Offenbnrger Volksconventikeln, Preußen
nicht in der Mappe Friedrich Wilhelms IV., von Manteuffel n. s. w. ganz zu
geschweige«.

Wir sind aber noch durch einen andern Umstand in die mißliche Lage gedrängt,
unsere Bewegungen fortwährend nach denen unserer Gegner einrichten zu müssen.
Unsere Partei, d. h. diejenige, welche ein in constitutionelle Formen
eingerichtetes deutsches Reich will, und sich die Möglichkeit dessel¬
ben so denkt, daß die übrigen deutschen Staaten sich um Preußen
als um den Mittelpunkt krystallisiren — unsere Partei ist von den
bestehenden Parteien nicht allein die schwächste, sondern auch die am wenigsten
organisirte; sie ist selber erst im Werden. Mit unsäglicher Mühe hat unsere Par¬
tei den Demokraten die Verfassung vom 28. März abgerungen; die Verkehrtheit
der preußischen Regierung vereitelte diese Mühe. Einen Augenblick hatte es den
Anschein, als ob die Partei das Parlament festhalten, und gestützt auf die Kam¬
mern der einzelnen Staaten den Particularismus der Regierungen beugen würde.
Natürlich traten wir auf die Seite des Parlaments. Da verläßt unsere Partei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/61>, abgerufen am 11.02.2025.