Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Politische Consequenz An notiert v. K. ur Kcrliir. Du moqnirst Dich darüber, daß ich in der letzten Zeit in meinen politischen Man pflegt bei dein Vorwurf politischer Wankelmüthigkeit zweierlei zu ver¬ Ich will jene beiden Formen der politischen Inconsequenz streng von einander Politische Consequenz An notiert v. K. ur Kcrliir. Du moqnirst Dich darüber, daß ich in der letzten Zeit in meinen politischen Man pflegt bei dein Vorwurf politischer Wankelmüthigkeit zweierlei zu ver¬ Ich will jene beiden Formen der politischen Inconsequenz streng von einander <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279081"/> </div> <div n="1"> <head> Politische Consequenz</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="salute"> An notiert v. K. ur Kcrliir.</note><lb/> <p xml:id="ID_151"> Du moqnirst Dich darüber, daß ich in der letzten Zeit in meinen politischen<lb/> Rathschlägen chcmgirt habe. In den grünen Wvchenheften fällt es wohl mehr<lb/> auf, als in der Tagespresse; die Veränderungen kommen ruckweise, in den Zei¬<lb/> tungen macht es sich uach und nach. — Allein das ist gleichgültig, ich benutze<lb/> nur die Gelegenheit, um einen Begriff zu tntisiren, der mit in den „Neupoli¬<lb/> tischen Katechismus" gehört, und der eben so gedankenlos verwerthet wird,<lb/> als die Ideen der Volkssouveränität, Gleichheit, Einheit Deutschlands u. s. w.<lb/> Und er ist für unsere Entwickelung wo möglich noch schädlicher.</p><lb/> <p xml:id="ID_152"> Man pflegt bei dein Vorwurf politischer Wankelmüthigkeit zweierlei zu ver¬<lb/> wechseln: die materielle Umgestaltung in den Ansichten, Ueberzeugungen und<lb/> Zwecken, und die aus dem Wechsel der Situation entsprungene Veränderung in<lb/> der Richtung. Der letztere Vorwurf— und der Deinige gegen mich fällt in diese<lb/> Kategorie — würde ungefähr darauf hinauskommen, daß man von einem See¬<lb/> mann verlangt, er solle immer dasselbe Segel aufziehn, seiner nautischen Ehre hal¬<lb/> ber, gleichviel ob der Wind von rechts oder von links bläst. Aber es kommt<lb/> einem verständigen Schisser nicht darauf an, deu Wellen und Winden dnrch die<lb/> consequente Haltung seines Takelwerkö zu imponiren, sondern sein Fahrzeug heil<lb/> und sicher in den Hafen zu bringen, welcher das Ziel seiner Reise ist. Freilich<lb/> will diese Geschicklichkeit, die Umstände zu seinen Zwecken zu benutzen, etwas an¬<lb/> ders sagen, als was man mit Mautelträgerei bezeichnet: der Mangel nämlich eines<lb/> eigenen Inhalts, der zur unbedingten Abhängigkeit von den äußeren Einflüssen<lb/> führt. Ein Barrere, der alle Phasen der Revolution mit gleicher Hingebung<lb/> durchmachte, constitutionell war, als die öffentliche Meinung es verlangte, honetter<lb/> Republikaner, als die Gironde am Ruder war, Montagnard unter der Herrschaft<lb/> des Wohlfahrtsausschusses, ein Diplomat von dieser bequemen Farbe wird wohl<lb/> nirgend z. B. mit einem Lamartine verwechselt werden, der zwar eben so schnell<lb/> und energisch in seinem politischen Glaubenssystem chcmgirte, aber nicht, wie es<lb/> die augenblickliche Stimmung der Masse haben wollte, sondern nach einem inner¬<lb/> lichen Proceß.</p><lb/> <p xml:id="ID_153" next="#ID_154"> Ich will jene beiden Formen der politischen Inconsequenz streng von einander<lb/> sondern, die wirkliche von der scheinbaren Apostasie. Zur Kritik der ersteren wähle<lb/> ich, weil ich die allgemein gehaltenen Regeln überhaupt nicht liebe, sogleich ein be¬<lb/> stimmtes Beispiel. Der größte Staatsmann unserer Tage, Sir Robert Peel,<lb/> hatte in seiner langen und ruhmvollen politischen Laufbahn mit großer Energie die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Politische Consequenz
An notiert v. K. ur Kcrliir.
Du moqnirst Dich darüber, daß ich in der letzten Zeit in meinen politischen
Rathschlägen chcmgirt habe. In den grünen Wvchenheften fällt es wohl mehr
auf, als in der Tagespresse; die Veränderungen kommen ruckweise, in den Zei¬
tungen macht es sich uach und nach. — Allein das ist gleichgültig, ich benutze
nur die Gelegenheit, um einen Begriff zu tntisiren, der mit in den „Neupoli¬
tischen Katechismus" gehört, und der eben so gedankenlos verwerthet wird,
als die Ideen der Volkssouveränität, Gleichheit, Einheit Deutschlands u. s. w.
Und er ist für unsere Entwickelung wo möglich noch schädlicher.
Man pflegt bei dein Vorwurf politischer Wankelmüthigkeit zweierlei zu ver¬
wechseln: die materielle Umgestaltung in den Ansichten, Ueberzeugungen und
Zwecken, und die aus dem Wechsel der Situation entsprungene Veränderung in
der Richtung. Der letztere Vorwurf— und der Deinige gegen mich fällt in diese
Kategorie — würde ungefähr darauf hinauskommen, daß man von einem See¬
mann verlangt, er solle immer dasselbe Segel aufziehn, seiner nautischen Ehre hal¬
ber, gleichviel ob der Wind von rechts oder von links bläst. Aber es kommt
einem verständigen Schisser nicht darauf an, deu Wellen und Winden dnrch die
consequente Haltung seines Takelwerkö zu imponiren, sondern sein Fahrzeug heil
und sicher in den Hafen zu bringen, welcher das Ziel seiner Reise ist. Freilich
will diese Geschicklichkeit, die Umstände zu seinen Zwecken zu benutzen, etwas an¬
ders sagen, als was man mit Mautelträgerei bezeichnet: der Mangel nämlich eines
eigenen Inhalts, der zur unbedingten Abhängigkeit von den äußeren Einflüssen
führt. Ein Barrere, der alle Phasen der Revolution mit gleicher Hingebung
durchmachte, constitutionell war, als die öffentliche Meinung es verlangte, honetter
Republikaner, als die Gironde am Ruder war, Montagnard unter der Herrschaft
des Wohlfahrtsausschusses, ein Diplomat von dieser bequemen Farbe wird wohl
nirgend z. B. mit einem Lamartine verwechselt werden, der zwar eben so schnell
und energisch in seinem politischen Glaubenssystem chcmgirte, aber nicht, wie es
die augenblickliche Stimmung der Masse haben wollte, sondern nach einem inner¬
lichen Proceß.
Ich will jene beiden Formen der politischen Inconsequenz streng von einander
sondern, die wirkliche von der scheinbaren Apostasie. Zur Kritik der ersteren wähle
ich, weil ich die allgemein gehaltenen Regeln überhaupt nicht liebe, sogleich ein be¬
stimmtes Beispiel. Der größte Staatsmann unserer Tage, Sir Robert Peel,
hatte in seiner langen und ruhmvollen politischen Laufbahn mit großer Energie die
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