Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Preußische Briefe. Aweim?d;wanzigster Vries. Vilnitas V^uni^tulit Vilnitit". Ich erinnere mich dunkel an Korrespondenzen, die ich in der vormärzlichen Werfen wir erst einen flüchtigen Blick in die fernere Perspective, auf den Ich bitte Sie, was sind die Zeitungen wieder langweilig! Ich kann mir 65*
Preußische Briefe. Aweim?d;wanzigster Vries. Vilnitas V^uni^tulit Vilnitit«. Ich erinnere mich dunkel an Korrespondenzen, die ich in der vormärzlichen Werfen wir erst einen flüchtigen Blick in die fernere Perspective, auf den Ich bitte Sie, was sind die Zeitungen wieder langweilig! Ich kann mir 65*
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Preußische Briefe.
Aweim?d;wanzigster Vries.
Vilnitas V^uni^tulit Vilnitit«.
Ich erinnere mich dunkel an Korrespondenzen, die ich in der vormärzlichen
Zeit ans Berlin an die Grenzboten schickte, über die Eitelkeit des Berlinerthums,
über diesen beständigen Hunger nach Emotionen, der nie gestillt wurde, weil er
nie einen realen Gegenstand fand. — Wenn ich mich jetzt in der Welt umsehe,
kommt mir dieser ganze, brave Ball höchst vormärzlich Berlinisch vor, „ekel, schaal
und unersprießlich," wie Hamlet sagt. Das Feuer ist allenthalben erloschen, aber
viel Rauch und Qualm, unheimlich zu riechen, widerwärtig zu sehn. — Freilich
wuß es auch solche Zeiten geben.
Werfen wir erst einen flüchtigen Blick in die fernere Perspective, auf den
atlantischen Ocean, auf die türkischen Steppen, nach Amerika, nach Australien.
Ueberall Haufe» freier Deutschen, freier Polen, freier Ungarn, die ihren patrio¬
tischen Rausch jetzt am schwankenden Bord des Schiffes unbehaglich ausschlafen.
Ihre guten Freunde, die nicht so glücklich waren, sitzen im Gefängniß, auch klingt
noch hin und wieder ein fataler Schuß in unser Ohr. Andere haben sich wieder
in die bescheidene Häuslichkeit zurückgezogen, sie banen das Feld, wie Gagern in
Monsheim, oder sie flüchten sich in eine Kammer-Sinccnr. Diese preußischen
Kammern! Von dramatischem Leben keine Spur, nicht einmal menschliches In¬
teresse an irgend einer Individualität. Es sind Typen, Gattungsmenschen, die nur
in Commissionen zu brauchen sind; die eigentliche Rednerbühne kann geschlossen
werden. Und draußen das Corps der Demokraten, die wieder, wie vor dem März,
sich in heimlichen Gesprächen über ihre wunderbare Freisinnigkeit unterhalten, die
einander versichern, es müsse anders werden. Ganz wie vor der Sündfluth.
Ich bitte Sie, was sind die Zeitungen wieder langweilig! Ich kann mir
kaum denken, daß vor zwei Jahren, als noch von keiner Revolution die Rede
war, eine Privatgeschichte so viel Anflehn hätte machen können, als jetzt der Brief
des Herrn Louis Napoleon an den Oberst Ney. Die französische Republik hat
aus angeborner Loyalität die rebellische» Unterthanen des heiligen Stuhls ihrem
legitimen Souverän wieder unterworfen, und möchte nun auch gern in den römi¬
schen Angelegenheiten ein Wörtchen mit sprechen. Der Papst verbittet sich das,
wie natürlich, und so muß denn die große Nation ein Mittel suchen, sich an dem
undankbaren Oberhaupt der Kirche zu revangiren. Es ist bald gefunden; der
Präsident der Republik schreibt an seinen guten Freund, den Oberst Ney: Hören
Sie, lieber Ney, das muß ich Ihnen sagen, das gefällt mir ganz und gar nicht,
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