Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.obwohl k. k. Fiskalbeamtcr^ den anerkennenswerther Muth, im Wenzelsbade eine Rede W. Klicpera. Einer der gecichtetsten Namen in der böhmischen Literatur obwohl k. k. Fiskalbeamtcr^ den anerkennenswerther Muth, im Wenzelsbade eine Rede W. Klicpera. Einer der gecichtetsten Namen in der böhmischen Literatur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279536"/> <p xml:id="ID_1746" prev="#ID_1745"> obwohl k. k. Fiskalbeamtcr^ den anerkennenswerther Muth, im Wenzelsbade eine Rede<lb/> ein das Volk zu halten; die jedoch auf den Verlauf der Dinge keinen andern Ein¬<lb/> fluß hatte, als daß man Trojan in's Se. Wenzelscomitv und zum Mitgliede der<lb/> an deu Kaiser abgesendeten Deputation erkor. Nach der Rückkunft der erstell De¬<lb/> putation aus Wien, welche die Czechen unbefriedigt ließ und zu Mißvergnügen<lb/> und drohenden Ostentationen hinriß, wurde Trojan von den Eingeweihten beschul¬<lb/> digt, durch seine Weitschweifigkeit, Breite und Verworrenheit in den Verhandlun¬<lb/> gen mit dem Ministerium Pillersdorf vieles verdorben z^ haben. Auch unter den<lb/> Rednern des Nationalcomitos war Trojan, beim Slavenkongreß war er mehr Ord¬<lb/> ner und Decorateur als Sprecher. Dafür aber strömte er den endlosen Fluß<lb/> seiner Rede um so unmäßiger auf dem Reichstage zu Wien und Kremsier aus.<lb/> In Wien war er die liebste und willkommenste Erscheinung für die SW- und<lb/> Carrikatnrblätter, welche den Meister Pravoslaw Trojan zu einer erklecklichen<lb/> Masse von gesalzenen und ungesalzenen Späßen absetzten. Jetzt fungirt Trojan<lb/> als Stadtverordneter der Hauptstadt Prag, und — Gott sei der czechischen Muse<lb/> gnädig! — als Intendant des czechischen Jnterimstheaters. Eine verfehltere Wahl<lb/> für diesen Posten konnte man gar nicht treffen, ihm fehlt zur Führung des Thea¬<lb/> ters aller Geschmack, alle Sachkenntniß und jede ästhetische Bildung. — Trojan<lb/> ist ein sehr guter Jurist, ein schlechter Parlamentsredner und gar kein Theater-<lb/> intendant.</p><lb/> <p xml:id="ID_1747" next="#ID_1748"> W. Klicpera. Einer der gecichtetsten Namen in der böhmischen Literatur<lb/> ist der des fruchtbaren Dramendichters Wenzeslaw Klicpera, Professors am aka¬<lb/> demische» Gymnasium der Altstadt Prag, geboren zu Chlumec an der Cidlina am<lb/> 23. December 17!)2. Klicpera ist eine hohe, kräftige Gestalt, breit von Brust<lb/> und Schultern, mit einem etwas gedrückten Gesicht, dessen wenig bedeutende<lb/> Physiognomie durch das silberweiße Haupthaar gehoben wird. Klicpera war<lb/> neben Machaczek und dem genialen Turiusly der erste, welcher eine ernste, gedie¬<lb/> gene Richtung im czechischen Drama angegeben hat. Vor diesen war der Viel¬<lb/> schreiber Stepanek beinahe Alleinherrscher auf der czechischen Bühne, deren Reper-<lb/> toir er mit mehr als einem halben Hundert übersetzter und originaler Stücke<lb/> bereicherte, worunter jedoch nur die zwei Schauspiele historischen Inhalts „Jaros-<lb/> law, der Tartarenbezwinger" und „die Kärthner in Prag" und die Possen: „die<lb/> Berauner Kuchen" und „der Böhme und der Deutsche (Lo«:et Avmoc)" beson¬<lb/> dere Envähnnng verdienen; das letzte harmlose und heitere Spiel gehört noch<lb/> heute zu den Lieblingsstücken des czechischen Theaterpublikums und fehlt auch auf<lb/> dem Repertoir der kleinsten Dilettantenbühne nicht. Mit Klicpera erstanden zu¬<lb/> gleich zw-'i ebenbürtige, in manchen Stücken überlegene Rivale. Simon Macha¬<lb/> czek und Franz Turinsky. Klicpera übertraf diese beiden mir an Ausdauer und<lb/> Productivität, weil er sich durch Stepanek's eifersüchtelnde Intriguen weniger<lb/> stören ließ und in dem von ihm redigirten Almanach czechischer Bühnenspiele ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
obwohl k. k. Fiskalbeamtcr^ den anerkennenswerther Muth, im Wenzelsbade eine Rede
ein das Volk zu halten; die jedoch auf den Verlauf der Dinge keinen andern Ein¬
fluß hatte, als daß man Trojan in's Se. Wenzelscomitv und zum Mitgliede der
an deu Kaiser abgesendeten Deputation erkor. Nach der Rückkunft der erstell De¬
putation aus Wien, welche die Czechen unbefriedigt ließ und zu Mißvergnügen
und drohenden Ostentationen hinriß, wurde Trojan von den Eingeweihten beschul¬
digt, durch seine Weitschweifigkeit, Breite und Verworrenheit in den Verhandlun¬
gen mit dem Ministerium Pillersdorf vieles verdorben z^ haben. Auch unter den
Rednern des Nationalcomitos war Trojan, beim Slavenkongreß war er mehr Ord¬
ner und Decorateur als Sprecher. Dafür aber strömte er den endlosen Fluß
seiner Rede um so unmäßiger auf dem Reichstage zu Wien und Kremsier aus.
In Wien war er die liebste und willkommenste Erscheinung für die SW- und
Carrikatnrblätter, welche den Meister Pravoslaw Trojan zu einer erklecklichen
Masse von gesalzenen und ungesalzenen Späßen absetzten. Jetzt fungirt Trojan
als Stadtverordneter der Hauptstadt Prag, und — Gott sei der czechischen Muse
gnädig! — als Intendant des czechischen Jnterimstheaters. Eine verfehltere Wahl
für diesen Posten konnte man gar nicht treffen, ihm fehlt zur Führung des Thea¬
ters aller Geschmack, alle Sachkenntniß und jede ästhetische Bildung. — Trojan
ist ein sehr guter Jurist, ein schlechter Parlamentsredner und gar kein Theater-
intendant.
W. Klicpera. Einer der gecichtetsten Namen in der böhmischen Literatur
ist der des fruchtbaren Dramendichters Wenzeslaw Klicpera, Professors am aka¬
demische» Gymnasium der Altstadt Prag, geboren zu Chlumec an der Cidlina am
23. December 17!)2. Klicpera ist eine hohe, kräftige Gestalt, breit von Brust
und Schultern, mit einem etwas gedrückten Gesicht, dessen wenig bedeutende
Physiognomie durch das silberweiße Haupthaar gehoben wird. Klicpera war
neben Machaczek und dem genialen Turiusly der erste, welcher eine ernste, gedie¬
gene Richtung im czechischen Drama angegeben hat. Vor diesen war der Viel¬
schreiber Stepanek beinahe Alleinherrscher auf der czechischen Bühne, deren Reper-
toir er mit mehr als einem halben Hundert übersetzter und originaler Stücke
bereicherte, worunter jedoch nur die zwei Schauspiele historischen Inhalts „Jaros-
law, der Tartarenbezwinger" und „die Kärthner in Prag" und die Possen: „die
Berauner Kuchen" und „der Böhme und der Deutsche (Lo«:et Avmoc)" beson¬
dere Envähnnng verdienen; das letzte harmlose und heitere Spiel gehört noch
heute zu den Lieblingsstücken des czechischen Theaterpublikums und fehlt auch auf
dem Repertoir der kleinsten Dilettantenbühne nicht. Mit Klicpera erstanden zu¬
gleich zw-'i ebenbürtige, in manchen Stücken überlegene Rivale. Simon Macha¬
czek und Franz Turinsky. Klicpera übertraf diese beiden mir an Ausdauer und
Productivität, weil er sich durch Stepanek's eifersüchtelnde Intriguen weniger
stören ließ und in dem von ihm redigirten Almanach czechischer Bühnenspiele ein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |