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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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kommt nach Oestreich und ihr werdet von eurem gutmüthigen Wahn geheilt wer¬
den. Da steht ein Gutgesinnter von echtem Schrote und Korn, und ergötzt sich
wonniglich an einem militärischen Schauspiel, an der Präcision in Marsch und
Haltung der paradirendcn Truppen, und zum Dank dafür erhält er -- ich sah's
mit eignem Auge -- einen derben Stoß von einem milchbärtigen Lieutenant, wel¬
cher den Soldaten des lockern Quarr"s ziemlich laut den Befehl hindonnert, das
"verfluchte Volk" (seine eigenen Worte) mit Kolben und Bajonnetten aus der Nähe
der Soldateska zu jagen. So steht es mit unserer Freiheit und Gleichheit und
mit den volkstümlichen Institutionen der starken Regio.ung in Oestreich.

Ich habe diese einzelnen Beispiele angeführt, um zu zeigen, wie dnrch unsere
Verfassung, so lange sie von der Militärgewalt erklärt wird, durch diese Vereini¬
gung von roher Willkür mit empörender Ungerechtigkeit Oestreich nach Außen ge¬
schändet, nach Innen nicht geliebt und gekräftigt werden kann. Nur bei wahr¬
hafter Sorge für öffentliche Sittlichkeit und Aufklärung für Schutz des Rechtes
und der persönliche,: Sicherheit gegen jede Willkür, wird das Interesse der
Bürger den Bestand des Staates garantiren, die Völker werden sich dann nicht
schäme" müssen, Oestreicher zu sein.




Portraits czechifcher Autoritäten.



Franz Ladislaw Rieger ward am 10. December 1818 zu semit im
Bnnzlaner Kreise Böhmens geboren; er ist Doctor der Rechte und Müllermeister,
Besitzer der seniler Mühle, doch ist er seit Jahren in Prag ansässig. Seit sei¬
nen juristischen Studien, welche er theils zu Prag, theils zu Wien absolvirte,
galt Rieger für einen der enragirtesten Parteigänger der jnngczechischen Liberalen,
'n deren'salonlichen Beziehungen er eine der erstem Rollen spielte, bekannt als
"ner der in-.!dro 6n pi"ihn- der czechischen Reunionen, Besedy und Slavenballe,
welche viel zur Hebung des geselligen Tons nnter den Czechen beitrugen. Als
Literat hatte er nie Bedeutung: Gelegenheitsgedichte, unbedeutende Balladen und
Romanzen, Theaterkritiken und Concertberichte für die Koety (Blüthen) waren seine
"I'er-l vmniil. Einige Geltung erlangte Rieger dnrch einen Hochverrathsprozeß, in
welchen er in den Jahren 1841 oder 1842 verwickelt ward. Wegen angeblichen Ein¬
verständnisses mit einem polnischen Nevvlutionscomitv ward er in polizeiliche Haft
gebracht und nach mehrwöchentlicher Untersuchung -it> nöt-alia freigesprochen; er
sagte, in deren Folge seiner begonnenen Beamtencarriere Lebewohl.


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kommt nach Oestreich und ihr werdet von eurem gutmüthigen Wahn geheilt wer¬
den. Da steht ein Gutgesinnter von echtem Schrote und Korn, und ergötzt sich
wonniglich an einem militärischen Schauspiel, an der Präcision in Marsch und
Haltung der paradirendcn Truppen, und zum Dank dafür erhält er — ich sah's
mit eignem Auge — einen derben Stoß von einem milchbärtigen Lieutenant, wel¬
cher den Soldaten des lockern Quarr«s ziemlich laut den Befehl hindonnert, das
„verfluchte Volk" (seine eigenen Worte) mit Kolben und Bajonnetten aus der Nähe
der Soldateska zu jagen. So steht es mit unserer Freiheit und Gleichheit und
mit den volkstümlichen Institutionen der starken Regio.ung in Oestreich.

Ich habe diese einzelnen Beispiele angeführt, um zu zeigen, wie dnrch unsere
Verfassung, so lange sie von der Militärgewalt erklärt wird, durch diese Vereini¬
gung von roher Willkür mit empörender Ungerechtigkeit Oestreich nach Außen ge¬
schändet, nach Innen nicht geliebt und gekräftigt werden kann. Nur bei wahr¬
hafter Sorge für öffentliche Sittlichkeit und Aufklärung für Schutz des Rechtes
und der persönliche,: Sicherheit gegen jede Willkür, wird das Interesse der
Bürger den Bestand des Staates garantiren, die Völker werden sich dann nicht
schäme« müssen, Oestreicher zu sein.




Portraits czechifcher Autoritäten.



Franz Ladislaw Rieger ward am 10. December 1818 zu semit im
Bnnzlaner Kreise Böhmens geboren; er ist Doctor der Rechte und Müllermeister,
Besitzer der seniler Mühle, doch ist er seit Jahren in Prag ansässig. Seit sei¬
nen juristischen Studien, welche er theils zu Prag, theils zu Wien absolvirte,
galt Rieger für einen der enragirtesten Parteigänger der jnngczechischen Liberalen,
'n deren'salonlichen Beziehungen er eine der erstem Rollen spielte, bekannt als
«ner der in-.!dro 6n pi«ihn- der czechischen Reunionen, Besedy und Slavenballe,
welche viel zur Hebung des geselligen Tons nnter den Czechen beitrugen. Als
Literat hatte er nie Bedeutung: Gelegenheitsgedichte, unbedeutende Balladen und
Romanzen, Theaterkritiken und Concertberichte für die Koety (Blüthen) waren seine
"I'er-l vmniil. Einige Geltung erlangte Rieger dnrch einen Hochverrathsprozeß, in
welchen er in den Jahren 1841 oder 1842 verwickelt ward. Wegen angeblichen Ein¬
verständnisses mit einem polnischen Nevvlutionscomitv ward er in polizeiliche Haft
gebracht und nach mehrwöchentlicher Untersuchung -it> nöt-alia freigesprochen; er
sagte, in deren Folge seiner begonnenen Beamtencarriere Lebewohl.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/507>, abgerufen am 05.02.2025.