Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Belagerungsstandes sorgen dagegen die Zeughäuser, die Nekrutirungscommissionen
und die Herren Generale mit Sorgfalt.

Beinahe geriethen wir in scherzhaftem Ton, doch wahrlich der Scherz liegt
uns fern, Sibirien liegt uns zu nahe.

Der Staat ist Eigenthum der Dynastie. Des Staates Fundament ist die
pragmatische Sanction; dies ist die Grundidee des Fürsten Schwarzenberg, des
obersten Leiters unserer Geschicke, dessen Macht und Gewalt unumschränkter und
verderbenbringender ist, als die des Fürsten Clemens Lothar jemals gewesen;
daß dem so ist, daß Privatrechtstitel der Vererbung, des Heiraths- und Familien¬
paktes, dör Verpfändung das heutige Oestreich schufen, das eben beweiset, daß
Oestreich kein Staat sei, der naturgeboten in sich selber gravitirt.

Der Staat als dynastische Domaine läßt sich bequemer beherrschen durch eine
Wiener Eentralmirthschaftskanzlei, so argumentire Fürst Felix Schwarzenberg,
dessen Bruder seinen großen Grundbesitz in Böhmen, Mähren, Steyermark und
Oestreich ebenfalls durch eine Centralwirthschaftskanzlei von Wien ans beherrscht.

Beherrscht sind wir worden bis zum März durch die Hofkanzlei zu Wien,
beherrschen will man uns alle wieder durch das Centralministerium Wiens,
aber konstitutionell regieren will uns niemand, mit constitutionellen Phrase"
verhüllt man das absolute Regiment. Man hat sich so angenehm hinein gelullt
in den bequemen Belagernngsstand, in die bequem belagerte Presse, man hat den
Völkern das Maul zugebunden und freut sich heute behaglich über die stumme
Zufriedenheit dieser beglückten Völker, die sich unter einander todtschlagen mußten
sür die Patrimonialidee, und nebenbei für die constitutionelle Freiheit, die man
ihnen während des Kampfes zeigte, so wie der Cornak dem Elephanten die
Branntweinflasche zeigt. Armes Oestreich!

Wird es etwa befremden, wenn die Herren Minister, weckt sie ein freies Wort,
ein kleiner Tumult, aus ihrem süßen provisorisch unverantwortlichen Bewußtsein,
die drohende Bewegung sogleich sür blutigen Aufstand, für rothe Republik haltend,
sich schleunigst wieder den Herren Generalen in die Arme werfen, welche gleich
sorglichen Ammen die störenden Fliegen von den schlummernden Ministern ferne
halten? Wir sehen es kommen, das constitutionelle Institut der Nuthenstreiche für
unbesonnene Weiber, der Stockprügel für tolle Gesellen, wird als ein Nachtrag zur
oktroyirten Verfassung wohl nächstens in allen Kronländern als Grundrecht ein¬
geführt werden.

Man glaubt durchaus central zu regieren, und dennoch geben die Herren
Generale, als heutige Statthalter in den Kronländern, manchen Beweis ihrer
Hinneigung zum föderativem Principe der Autonomie im Innern des Gouver-
nements.

Während in Mailand die Justiz der kurzen Instanz geübt wird mit Ruthe
und Stock, beliebt man in Ungarn die mittelalterliche Judenpresse wieder in


Belagerungsstandes sorgen dagegen die Zeughäuser, die Nekrutirungscommissionen
und die Herren Generale mit Sorgfalt.

Beinahe geriethen wir in scherzhaftem Ton, doch wahrlich der Scherz liegt
uns fern, Sibirien liegt uns zu nahe.

Der Staat ist Eigenthum der Dynastie. Des Staates Fundament ist die
pragmatische Sanction; dies ist die Grundidee des Fürsten Schwarzenberg, des
obersten Leiters unserer Geschicke, dessen Macht und Gewalt unumschränkter und
verderbenbringender ist, als die des Fürsten Clemens Lothar jemals gewesen;
daß dem so ist, daß Privatrechtstitel der Vererbung, des Heiraths- und Familien¬
paktes, dör Verpfändung das heutige Oestreich schufen, das eben beweiset, daß
Oestreich kein Staat sei, der naturgeboten in sich selber gravitirt.

Der Staat als dynastische Domaine läßt sich bequemer beherrschen durch eine
Wiener Eentralmirthschaftskanzlei, so argumentire Fürst Felix Schwarzenberg,
dessen Bruder seinen großen Grundbesitz in Böhmen, Mähren, Steyermark und
Oestreich ebenfalls durch eine Centralwirthschaftskanzlei von Wien ans beherrscht.

Beherrscht sind wir worden bis zum März durch die Hofkanzlei zu Wien,
beherrschen will man uns alle wieder durch das Centralministerium Wiens,
aber konstitutionell regieren will uns niemand, mit constitutionellen Phrase»
verhüllt man das absolute Regiment. Man hat sich so angenehm hinein gelullt
in den bequemen Belagernngsstand, in die bequem belagerte Presse, man hat den
Völkern das Maul zugebunden und freut sich heute behaglich über die stumme
Zufriedenheit dieser beglückten Völker, die sich unter einander todtschlagen mußten
sür die Patrimonialidee, und nebenbei für die constitutionelle Freiheit, die man
ihnen während des Kampfes zeigte, so wie der Cornak dem Elephanten die
Branntweinflasche zeigt. Armes Oestreich!

Wird es etwa befremden, wenn die Herren Minister, weckt sie ein freies Wort,
ein kleiner Tumult, aus ihrem süßen provisorisch unverantwortlichen Bewußtsein,
die drohende Bewegung sogleich sür blutigen Aufstand, für rothe Republik haltend,
sich schleunigst wieder den Herren Generalen in die Arme werfen, welche gleich
sorglichen Ammen die störenden Fliegen von den schlummernden Ministern ferne
halten? Wir sehen es kommen, das constitutionelle Institut der Nuthenstreiche für
unbesonnene Weiber, der Stockprügel für tolle Gesellen, wird als ein Nachtrag zur
oktroyirten Verfassung wohl nächstens in allen Kronländern als Grundrecht ein¬
geführt werden.

Man glaubt durchaus central zu regieren, und dennoch geben die Herren
Generale, als heutige Statthalter in den Kronländern, manchen Beweis ihrer
Hinneigung zum föderativem Principe der Autonomie im Innern des Gouver-
nements.

Während in Mailand die Justiz der kurzen Instanz geübt wird mit Ruthe
und Stock, beliebt man in Ungarn die mittelalterliche Judenpresse wieder in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279524"/>
          <p xml:id="ID_1696" prev="#ID_1695"> Belagerungsstandes sorgen dagegen die Zeughäuser, die Nekrutirungscommissionen<lb/>
und die Herren Generale mit Sorgfalt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1697"> Beinahe geriethen wir in scherzhaftem Ton, doch wahrlich der Scherz liegt<lb/>
uns fern, Sibirien liegt uns zu nahe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1698"> Der Staat ist Eigenthum der Dynastie. Des Staates Fundament ist die<lb/>
pragmatische Sanction; dies ist die Grundidee des Fürsten Schwarzenberg, des<lb/>
obersten Leiters unserer Geschicke, dessen Macht und Gewalt unumschränkter und<lb/>
verderbenbringender ist, als die des Fürsten Clemens Lothar jemals gewesen;<lb/>
daß dem so ist, daß Privatrechtstitel der Vererbung, des Heiraths- und Familien¬<lb/>
paktes, dör Verpfändung das heutige Oestreich schufen, das eben beweiset, daß<lb/>
Oestreich kein Staat sei, der naturgeboten in sich selber gravitirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1699"> Der Staat als dynastische Domaine läßt sich bequemer beherrschen durch eine<lb/>
Wiener Eentralmirthschaftskanzlei, so argumentire Fürst Felix Schwarzenberg,<lb/>
dessen Bruder seinen großen Grundbesitz in Böhmen, Mähren, Steyermark und<lb/>
Oestreich ebenfalls durch eine Centralwirthschaftskanzlei von Wien ans beherrscht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1700"> Beherrscht sind wir worden bis zum März durch die Hofkanzlei zu Wien,<lb/>
beherrschen will man uns alle wieder durch das Centralministerium Wiens,<lb/>
aber konstitutionell regieren will uns niemand, mit constitutionellen Phrase»<lb/>
verhüllt man das absolute Regiment. Man hat sich so angenehm hinein gelullt<lb/>
in den bequemen Belagernngsstand, in die bequem belagerte Presse, man hat den<lb/>
Völkern das Maul zugebunden und freut sich heute behaglich über die stumme<lb/>
Zufriedenheit dieser beglückten Völker, die sich unter einander todtschlagen mußten<lb/>
sür die Patrimonialidee, und nebenbei für die constitutionelle Freiheit, die man<lb/>
ihnen während des Kampfes zeigte, so wie der Cornak dem Elephanten die<lb/>
Branntweinflasche zeigt.  Armes Oestreich!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1701"> Wird es etwa befremden, wenn die Herren Minister, weckt sie ein freies Wort,<lb/>
ein kleiner Tumult, aus ihrem süßen provisorisch unverantwortlichen Bewußtsein,<lb/>
die drohende Bewegung sogleich sür blutigen Aufstand, für rothe Republik haltend,<lb/>
sich schleunigst wieder den Herren Generalen in die Arme werfen, welche gleich<lb/>
sorglichen Ammen die störenden Fliegen von den schlummernden Ministern ferne<lb/>
halten? Wir sehen es kommen, das constitutionelle Institut der Nuthenstreiche für<lb/>
unbesonnene Weiber, der Stockprügel für tolle Gesellen, wird als ein Nachtrag zur<lb/>
oktroyirten Verfassung wohl nächstens in allen Kronländern als Grundrecht ein¬<lb/>
geführt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1702"> Man glaubt durchaus central zu regieren, und dennoch geben die Herren<lb/>
Generale, als heutige Statthalter in den Kronländern, manchen Beweis ihrer<lb/>
Hinneigung zum föderativem Principe der Autonomie im Innern des Gouver-<lb/>
nements.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1703" next="#ID_1704"> Während in Mailand die Justiz der kurzen Instanz geübt wird mit Ruthe<lb/>
und Stock, beliebt man in Ungarn die mittelalterliche Judenpresse wieder in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0498] Belagerungsstandes sorgen dagegen die Zeughäuser, die Nekrutirungscommissionen und die Herren Generale mit Sorgfalt. Beinahe geriethen wir in scherzhaftem Ton, doch wahrlich der Scherz liegt uns fern, Sibirien liegt uns zu nahe. Der Staat ist Eigenthum der Dynastie. Des Staates Fundament ist die pragmatische Sanction; dies ist die Grundidee des Fürsten Schwarzenberg, des obersten Leiters unserer Geschicke, dessen Macht und Gewalt unumschränkter und verderbenbringender ist, als die des Fürsten Clemens Lothar jemals gewesen; daß dem so ist, daß Privatrechtstitel der Vererbung, des Heiraths- und Familien¬ paktes, dör Verpfändung das heutige Oestreich schufen, das eben beweiset, daß Oestreich kein Staat sei, der naturgeboten in sich selber gravitirt. Der Staat als dynastische Domaine läßt sich bequemer beherrschen durch eine Wiener Eentralmirthschaftskanzlei, so argumentire Fürst Felix Schwarzenberg, dessen Bruder seinen großen Grundbesitz in Böhmen, Mähren, Steyermark und Oestreich ebenfalls durch eine Centralwirthschaftskanzlei von Wien ans beherrscht. Beherrscht sind wir worden bis zum März durch die Hofkanzlei zu Wien, beherrschen will man uns alle wieder durch das Centralministerium Wiens, aber konstitutionell regieren will uns niemand, mit constitutionellen Phrase» verhüllt man das absolute Regiment. Man hat sich so angenehm hinein gelullt in den bequemen Belagernngsstand, in die bequem belagerte Presse, man hat den Völkern das Maul zugebunden und freut sich heute behaglich über die stumme Zufriedenheit dieser beglückten Völker, die sich unter einander todtschlagen mußten sür die Patrimonialidee, und nebenbei für die constitutionelle Freiheit, die man ihnen während des Kampfes zeigte, so wie der Cornak dem Elephanten die Branntweinflasche zeigt. Armes Oestreich! Wird es etwa befremden, wenn die Herren Minister, weckt sie ein freies Wort, ein kleiner Tumult, aus ihrem süßen provisorisch unverantwortlichen Bewußtsein, die drohende Bewegung sogleich sür blutigen Aufstand, für rothe Republik haltend, sich schleunigst wieder den Herren Generalen in die Arme werfen, welche gleich sorglichen Ammen die störenden Fliegen von den schlummernden Ministern ferne halten? Wir sehen es kommen, das constitutionelle Institut der Nuthenstreiche für unbesonnene Weiber, der Stockprügel für tolle Gesellen, wird als ein Nachtrag zur oktroyirten Verfassung wohl nächstens in allen Kronländern als Grundrecht ein¬ geführt werden. Man glaubt durchaus central zu regieren, und dennoch geben die Herren Generale, als heutige Statthalter in den Kronländern, manchen Beweis ihrer Hinneigung zum föderativem Principe der Autonomie im Innern des Gouver- nements. Während in Mailand die Justiz der kurzen Instanz geübt wird mit Ruthe und Stock, beliebt man in Ungarn die mittelalterliche Judenpresse wieder in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/498
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/498>, abgerufen am 05.02.2025.