Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Die Stimmung des Volkes in Rußland. Von einem Deutschen aus Moskau. Die Politik Rußlands ist seit Jahren eine glückliche oder, um dies Wort Die erste Nachricht von der Entthronung Louis Philipps und der Errichtung Grenzboten. in. 1849. 6
Die Stimmung des Volkes in Rußland. Von einem Deutschen aus Moskau. Die Politik Rußlands ist seit Jahren eine glückliche oder, um dies Wort Die erste Nachricht von der Entthronung Louis Philipps und der Errichtung Grenzboten. in. 1849. 6
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Die Stimmung des Volkes in Rußland.
Von einem Deutschen aus Moskau.
Die Politik Rußlands ist seit Jahren eine glückliche oder, um dies Wort
nicht zu mißbrauchen, eine erfolgreiche gewesen; zumeist deshalb, weil sie mit dem
Wesen und Wollen des von ihr gelenkten Volkes in Uebereinstimmung steht. Auch,
jetzt dürfen wir überzeugt sei», daß die Wirkungen der neuesten europäischen Re¬
volution auf das Innere Rußlands für dessen Gegenwirkung nach außen größte!.-
theils maßgebend sein werden.
Die erste Nachricht von der Entthronung Louis Philipps und der Errichtung
einer neuen französischen Republik wurde in Moskau von allen fremden mit dem
gespanntesten Interesse aufgenommen. Das helle Licht fliegt schneller als der dunkle
Nebel. Das Erste, was mir über Deutschland in die Hände kam, waren die
großartigen Ansprachen und Aufrufe Friedrich WilhelmIV. nach den verhängnis¬
vollen Märztagen; damit eilte der Eine zum Andern, in den Konditoreien drängte
man sich, um mit eigenen Augen die Evangelien zu schauen; Toaste erschall¬
ten auf Kaiser Friedrich Wilhelm dem Ersten. Die hohe Polizei nahm dein-
Anschein nach keine weitere Notiz von dem Allen, als daß sie den Franzosen,
welche alle persönlich vorgefordert wurden, die offizielle Eröffnung machte, daß
Se. Majestät der Kaiser die neue Regierung in Frankreich vorläufig nicht an¬
erkenne, und deren Unterthanen, als solche, in Rußland für jetzt keinen Schutz
fänden. Es wurde ihnen daher die Alternative gestellt, entweder sogleich in ihr
Vaterland zurückzukehren, jedoch mit der Bedingung, nie wieder nach Rußland
zu kommen, den Unbemittelten wurde dazu sogar Unterstützung vou Seiten der
k. Negierung zugesagt, oder sich so lange unter das russische Gesetz zu steilen,
bis die diplomatische» Verhältnisse zwischen beiden Staaten wieder geordnet seien.
Nur sehr Wenige zogen das Erstere vor, da richtig vorausgesetzt wurde, daß jene
Annäherung und Anerkennung in kürzerer oder längerer Zeit doch wieder erfolgen
würde. Die Preußen dagegen wurden der Art gesichtet, daß die große Anzahl der
eigentlich Heimatlosen, d. h. derjenige», die nicht aus den letzten drei Jahren eine;»
Heimatschein besaßen, und die deshalb nach preußischem Gesetz in ihrer eigenen
Heimat nicht mehr als Angehörige betrachtet werden, gezwungen wurden, sofort
in die russische Unterthanenschaft zu treten, wodurch Zehntausend, die zum Theil
Grenzboten. in. 1849. 6
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