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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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derb als möglich, um die bescheidene Stille der deutschen Gescllschaftsgenossen desto
bemerkbarer zu machen.

Nachdem man das gesammte Personal gemustert, hat man die Kenntniß ge¬
wonnen, daß sich kein Pole darin befinde, von den dreißigtausend Juden der Stadt
ist aber nur ein einziger zu bemerken, und dieser hat das Glück, Mitglied der
Ressource zu sein, dem Zufall zu verdanken, daß der ehemalige GcsellschastSdirector,
Oberst Braun (ein Russe) der in der Ressource Musikexercitien hielt, einen tüch¬
tigen Violinisten brauchte.

Der elende moralische Zustand der Ressource, welche sich rühmt ein Institut
der Bürgerschaft Warschau's zu sein, könnte kaum deutlicher ans ihren Statuten
hervorgehen, die von dem Zwange Kunde geben, welche das russische Gouverne¬
ment dem Gesellschaftswesen im Allgemeinen anthut. Zur Stiftung der Ressource
war die Genehmigung des Gouvernements nöthig, und dies versäumte nicht Vor¬
schriften zu machen, welche als Hinptparagraphen in die Statuten übergehen mu߬
ten. Es genehmigte die republikanische Verfassung, nämlich Wahl und Wechsel
der Directoren, stellte aber die Alternative, entweder polizeiliche Ueberwachung
anzunehmen, oder die Wahl des Directors jedesmal auf einen russischen Beamten
höherer Classe fallen zu lassen. Arme Republik! Man entschied sich für Letzteres
und machte somit dem russischen Theile der Gesellschaft seine höhere Stelle zwei¬
fellos und ewig.

Unter gleichen Verhältnissen befindet sich die "große" Ressource, welche der¬
gestalt mit der kleinen in Verbindung steht, daß die Mitglieder anch ihre Mitglie¬
der sind. Sie hat den Zweck die Festlichkeit anf einem großen Maßstab auszu¬
dehnen, Bälle, Concerte und dergleichen für die Menge zu veranstalten. Wöchent¬
liche Gescllschaftsabende finden in ihr nicht statt, dazu ist lediglich die kleine Ressource
da. Hat man diese gesehen, so kennt man auch die Verhältnisse der großen auf's
Genaueste. In ihr erscheinen selbst die höchsten Potenzen von dem russischen Theile
der Bevölkerung, der Fürst Paskiewitsch, die Generale Galicyn, sah, Nesselrode,
Urosvw und viele andere. Letztere zieht natürlich weniger die Ressource als der
Fürst. Mit ihnen erscheinen als Schatten des Paskiewitsch gewöhnlich auch einige
polnische Große, nämlich der Fürst Jablvnowski, einer der Grasen Potocki, Za-
jonczek und Rzewuski. Mau würde sich irren, wollte man diese Herren für die
Vertreter des polnischen Theils der Warschauer Gesellschaft halten. Sie sind längst
keine Polen mehr, und die Polen schämen sich ihrer bei dem Gedanken, daß sie
mit diesen Herren, wenn anch nichts weiter, doch die Abkunft gemeinsam haben.
Der Fürst Paskiewitsch pflegt bei den Festen der großen Ressource in seiner ge¬
wöhnlichen Uniform zu erscheinen , während er am Geburtstage des kleinsten kai¬
serlichen Prinzen und der kleinsten Prinzessin seine Staatsuniform anlegt. Das
ist völlig russisch. Wie genug er aber auch diese bürgerliche Gesellschaft achte, so
hält er es doch für recht, sich so herablassend als möglich zu beweisen und vorzüg-


derb als möglich, um die bescheidene Stille der deutschen Gescllschaftsgenossen desto
bemerkbarer zu machen.

Nachdem man das gesammte Personal gemustert, hat man die Kenntniß ge¬
wonnen, daß sich kein Pole darin befinde, von den dreißigtausend Juden der Stadt
ist aber nur ein einziger zu bemerken, und dieser hat das Glück, Mitglied der
Ressource zu sein, dem Zufall zu verdanken, daß der ehemalige GcsellschastSdirector,
Oberst Braun (ein Russe) der in der Ressource Musikexercitien hielt, einen tüch¬
tigen Violinisten brauchte.

Der elende moralische Zustand der Ressource, welche sich rühmt ein Institut
der Bürgerschaft Warschau's zu sein, könnte kaum deutlicher ans ihren Statuten
hervorgehen, die von dem Zwange Kunde geben, welche das russische Gouverne¬
ment dem Gesellschaftswesen im Allgemeinen anthut. Zur Stiftung der Ressource
war die Genehmigung des Gouvernements nöthig, und dies versäumte nicht Vor¬
schriften zu machen, welche als Hinptparagraphen in die Statuten übergehen mu߬
ten. Es genehmigte die republikanische Verfassung, nämlich Wahl und Wechsel
der Directoren, stellte aber die Alternative, entweder polizeiliche Ueberwachung
anzunehmen, oder die Wahl des Directors jedesmal auf einen russischen Beamten
höherer Classe fallen zu lassen. Arme Republik! Man entschied sich für Letzteres
und machte somit dem russischen Theile der Gesellschaft seine höhere Stelle zwei¬
fellos und ewig.

Unter gleichen Verhältnissen befindet sich die „große" Ressource, welche der¬
gestalt mit der kleinen in Verbindung steht, daß die Mitglieder anch ihre Mitglie¬
der sind. Sie hat den Zweck die Festlichkeit anf einem großen Maßstab auszu¬
dehnen, Bälle, Concerte und dergleichen für die Menge zu veranstalten. Wöchent¬
liche Gescllschaftsabende finden in ihr nicht statt, dazu ist lediglich die kleine Ressource
da. Hat man diese gesehen, so kennt man auch die Verhältnisse der großen auf's
Genaueste. In ihr erscheinen selbst die höchsten Potenzen von dem russischen Theile
der Bevölkerung, der Fürst Paskiewitsch, die Generale Galicyn, sah, Nesselrode,
Urosvw und viele andere. Letztere zieht natürlich weniger die Ressource als der
Fürst. Mit ihnen erscheinen als Schatten des Paskiewitsch gewöhnlich auch einige
polnische Große, nämlich der Fürst Jablvnowski, einer der Grasen Potocki, Za-
jonczek und Rzewuski. Mau würde sich irren, wollte man diese Herren für die
Vertreter des polnischen Theils der Warschauer Gesellschaft halten. Sie sind längst
keine Polen mehr, und die Polen schämen sich ihrer bei dem Gedanken, daß sie
mit diesen Herren, wenn anch nichts weiter, doch die Abkunft gemeinsam haben.
Der Fürst Paskiewitsch pflegt bei den Festen der großen Ressource in seiner ge¬
wöhnlichen Uniform zu erscheinen , während er am Geburtstage des kleinsten kai¬
serlichen Prinzen und der kleinsten Prinzessin seine Staatsuniform anlegt. Das
ist völlig russisch. Wie genug er aber auch diese bürgerliche Gesellschaft achte, so
hält er es doch für recht, sich so herablassend als möglich zu beweisen und vorzüg-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/486>, abgerufen am 11.02.2025.