Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.große Haufen von Juden sperrten allenthalben die Straße, um unserem Fuhrmann Die Firmen der langen Electoralstraße, deren meiste mich an irgend einen Die Electoralstraße hinter uns, befanden wir uns auf dem Platze der Bank. Dieselben vier Elemente besaß die Warschauer Volksgesellschaft schon vor den Selbst die Russen, in geringer Zahl vorhanden, folgten dem Strome des große Haufen von Juden sperrten allenthalben die Straße, um unserem Fuhrmann Die Firmen der langen Electoralstraße, deren meiste mich an irgend einen Die Electoralstraße hinter uns, befanden wir uns auf dem Platze der Bank. Dieselben vier Elemente besaß die Warschauer Volksgesellschaft schon vor den Selbst die Russen, in geringer Zahl vorhanden, folgten dem Strome des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279508"/> <p xml:id="ID_1637" prev="#ID_1636"> große Haufen von Juden sperrten allenthalben die Straße, um unserem Fuhrmann<lb/> einige Metzen Hafer oder einige Bunde Hen aufzunöthige».</p><lb/> <p xml:id="ID_1638"> Die Firmen der langen Electoralstraße, deren meiste mich an irgend einen<lb/> Bekannten im Vaterlande erinnerten, machten mich aufmerksam aus ein drittes<lb/> Element der Warschauer Gesellschaft. Die Deutschen bilden dies.</p><lb/> <p xml:id="ID_1639"> Die Electoralstraße hinter uns, befanden wir uns auf dem Platze der Bank.<lb/> Ihr gegenüber liegt das Palais der Fürsten Zamoiski. Aber man sah es dem<lb/> Gebäude wohl an, daß seit langer Zeit kein Zamoiski in ihm gewohnt hatte.<lb/> Gellende Hammerschläge verkündeten, daß im Erdgeschoß Kupferschmiede ihre Werk¬<lb/> stätte aufgeschlagen hatten, und lappcnhafte Vorhänge in den Gestock«"' bezeugten<lb/> den Wechsel, welchen hier die glänzenden Tummelstätten der pvlnisuM Magnaten<lb/> hatten erleiden müssen. Weiterfahrend zogen ähnliche Paläste mein Auge auf sich.<lb/> Sie waren öde und ihre Fensterscheiben zum Theil ausgefallen, und ähnliche Pa¬<lb/> läste und Häuser, welche von ihren Besitzern bewohnt waren, waren so düsterer<lb/> Miene, so ungeputzt und in ihrem Innern so hohl, still und traurig, wie sie es,<lb/> nach tausend noch vorhandenen Zeichen zu urtheilen, früher nicht gewesen waren.<lb/> Ich brauchte nicht erst zu fragen, um zu erfahren, daß diese Häuser Polen gehörten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1640"> Dieselben vier Elemente besaß die Warschauer Volksgesellschaft schon vor den<lb/> Jahren 1830 und 183l. Allein das Verhältniß, in welchem sie zu einander standen,<lb/> war ein anderes. Das polnische war vorherrschend, es war das Kernelement,<lb/> an welches sich die übrigen anschlössen, wie Feuer, Luft und Wasser an die Erde.<lb/> Das Verhältniß war ein natürliches, da die Eingeborenen, die Ureinwohner, den<lb/> Stamm bildeten. Die Natürlichkeit des Verhältnisses machte, daß alle übrigen<lb/> Theile der Gesellschaft sich willig, innig und fest an sie anschlössen, gleich wie<lb/> Zweige an den Stamm. Die Gefühle der verschiedenen Theile waren sich ver¬<lb/> wandt geworden. Das Streben wurde gemeinsam. Ein wundersames Gedeihen<lb/> schien allem inne zu wohnen, was jene Periode für die Gesellschaft hervorbrachte.<lb/> Das Schulwesen gewann einen so hohen Grad der Gediegenheit, als es ihn in<lb/> Polen bis dahin niemals erreicht gehabt hatte. Es bildete sich eine Gesellschaft<lb/> von Freunden der Wissenschaften, Vereine von Technikern, Künstlern ?c, traten<lb/> in das Leben, gewannen Größe und mächtigen Einfluß aus den Geist der Bevöl¬<lb/> kerung. In diesen Vereinen und Gesellschaften zeigte sich keine Sonderung irgend<lb/> eines ihrer elementarischen Theile, eben so wenig eines Standes. Die Theilnahme<lb/> war eine allgemeine. In der „königlichen Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften"<lb/> saßen Generäle neben schlichten Gewerbsleuten, Grafen neben armen Bürgern; ja<lb/> selbst die jüdische Bevölkerung war nicht ausgeschlossen von der Theilnahme an<lb/> diesem und jenem Vereine. Allenthalben bildeten die Polen das Grundelement.</p><lb/> <p xml:id="ID_1641" next="#ID_1642"> Selbst die Russen, in geringer Zahl vorhanden, folgten dem Strome des<lb/> allgemeinen Dranges. Entweder ging ihnen ans gefunden Gefühl Achtung vor<lb/> der Natürlichkeit des Verhältnisses hervor, oder sie fühlten sich uuter der Corset-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
große Haufen von Juden sperrten allenthalben die Straße, um unserem Fuhrmann
einige Metzen Hafer oder einige Bunde Hen aufzunöthige».
Die Firmen der langen Electoralstraße, deren meiste mich an irgend einen
Bekannten im Vaterlande erinnerten, machten mich aufmerksam aus ein drittes
Element der Warschauer Gesellschaft. Die Deutschen bilden dies.
Die Electoralstraße hinter uns, befanden wir uns auf dem Platze der Bank.
Ihr gegenüber liegt das Palais der Fürsten Zamoiski. Aber man sah es dem
Gebäude wohl an, daß seit langer Zeit kein Zamoiski in ihm gewohnt hatte.
Gellende Hammerschläge verkündeten, daß im Erdgeschoß Kupferschmiede ihre Werk¬
stätte aufgeschlagen hatten, und lappcnhafte Vorhänge in den Gestock«"' bezeugten
den Wechsel, welchen hier die glänzenden Tummelstätten der pvlnisuM Magnaten
hatten erleiden müssen. Weiterfahrend zogen ähnliche Paläste mein Auge auf sich.
Sie waren öde und ihre Fensterscheiben zum Theil ausgefallen, und ähnliche Pa¬
läste und Häuser, welche von ihren Besitzern bewohnt waren, waren so düsterer
Miene, so ungeputzt und in ihrem Innern so hohl, still und traurig, wie sie es,
nach tausend noch vorhandenen Zeichen zu urtheilen, früher nicht gewesen waren.
Ich brauchte nicht erst zu fragen, um zu erfahren, daß diese Häuser Polen gehörten.
Dieselben vier Elemente besaß die Warschauer Volksgesellschaft schon vor den
Jahren 1830 und 183l. Allein das Verhältniß, in welchem sie zu einander standen,
war ein anderes. Das polnische war vorherrschend, es war das Kernelement,
an welches sich die übrigen anschlössen, wie Feuer, Luft und Wasser an die Erde.
Das Verhältniß war ein natürliches, da die Eingeborenen, die Ureinwohner, den
Stamm bildeten. Die Natürlichkeit des Verhältnisses machte, daß alle übrigen
Theile der Gesellschaft sich willig, innig und fest an sie anschlössen, gleich wie
Zweige an den Stamm. Die Gefühle der verschiedenen Theile waren sich ver¬
wandt geworden. Das Streben wurde gemeinsam. Ein wundersames Gedeihen
schien allem inne zu wohnen, was jene Periode für die Gesellschaft hervorbrachte.
Das Schulwesen gewann einen so hohen Grad der Gediegenheit, als es ihn in
Polen bis dahin niemals erreicht gehabt hatte. Es bildete sich eine Gesellschaft
von Freunden der Wissenschaften, Vereine von Technikern, Künstlern ?c, traten
in das Leben, gewannen Größe und mächtigen Einfluß aus den Geist der Bevöl¬
kerung. In diesen Vereinen und Gesellschaften zeigte sich keine Sonderung irgend
eines ihrer elementarischen Theile, eben so wenig eines Standes. Die Theilnahme
war eine allgemeine. In der „königlichen Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften"
saßen Generäle neben schlichten Gewerbsleuten, Grafen neben armen Bürgern; ja
selbst die jüdische Bevölkerung war nicht ausgeschlossen von der Theilnahme an
diesem und jenem Vereine. Allenthalben bildeten die Polen das Grundelement.
Selbst die Russen, in geringer Zahl vorhanden, folgten dem Strome des
allgemeinen Dranges. Entweder ging ihnen ans gefunden Gefühl Achtung vor
der Natürlichkeit des Verhältnisses hervor, oder sie fühlten sich uuter der Corset-
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