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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Einsicht habe. Sie will einmal populär sein, in der Politik wird ihr das durch
ihre torystische Richtung unmöglich, also frischweg in die socialen Fragen. Wird
darin auch uicht viel practischer Verstand aufgeboten, so kann doch das gute Herz
sich geltend mache". So ungefähr kam es bei dem Antrag heraus, eine Com¬
mission niederzusetzen, die sich mit der Lage der armen öde'rschlesischeu und wcst-
Phälischen Spinner und Weber, nud den' Mitteln, ihrer Noth abzuhelfen, beschäf¬
tigen sollte. Ein Ostpreuße, der an Gemüth nicht uachstehn wollte, fügte noch
die arme" masurischen Bauern hinzu. Vergebens machte der Minister darauf auf¬
merksam, daß ähnliche Anträge zu laufenden kommen würden, daß und einer
Untersuchung in'ö Blaue hinein, ohne bestimmte Vorlagen und Anträge, Nichts
gethan sei, wie ein ähnlicher Ausschuß der Nationalversammlung bewiesen habe,
der nach viermonatlicher angestrengten Arbeiten zu dem Resultat kam, er könne
das Material nicht übersehen ! Schadet nichts! erwidert der Antragsteller, wenn auch
nichts dabei herauskömmt, das Laud sieht doch, daß wir uns mit seinen
Interessen beschäftigen. -- Auf diese Weise wird freilich die Lösung der
socialen Frage zu einem noch viel bequemeren Geschäft, als die politische Reform,
und die Kammer ist in der Lage, spielend das Vaterland zu verwalten.




Bilder von der Armee des Borns.



IV.
Der H a i d it et.

An einem heißen Nachmittag hatten wir uns aus der ungesunden Atmosphäre
Von Titel herausgeschlichen und im Schatten eines Gebüsches gelagert. Nicht gerade
mit gutem militärischem Gewissen, denn solche Spaziergänge waren wegen der Nähe
der Magyaren streng verboten, aber sehr erfreut den frische" Zug der Luft einzu-
athmen,'welcher über die Theißebeue strich, und auf eine Stunde den Typhus und
die Lagerpest zu vergessen. Corpora! Jovan hatte unsern Führer gemacht und eine
große Flasche von schwarzem Serbenwein mit uns ans dem Lager geschmuggelt.

Wir lagen ans dem Grase, Jovan machte den Kammerdiener und sein gut-
wüthiges Gesicht lachte behaglich als er sich aus einen Baumstamm setzte, den Ka¬
rabiner zwischen die Beine, den Griff des Handzar's vorsichtig in deu Bereich seiner
Auge" rückend. Er war ein alter Soldat, in alle Geheimnisse des kleinen Grenz¬
krieges eingeweiht, hatte den serbischen Revolutivnskrieg gegen die Türken miega-
"weht, hatte den schwarzen Georg noch gekannt, bevor dieser Fürst wurde, und
an der Seite des Milosch Obreuvwitsch gefochten. Schon vor vielen Jahren war
er als Diener eines serbischen Woiwoden in Oestreich gewesen und hatte von daher
ein schönes Wohlwollen für die Schwaben bewahrt. Unter seinen Landsleuten
war er berühmt als einer, der die Geheimnisse schwäbischer Bildung vollständig
ergründet habe, dieser Ruhm hatte ihn zu unserem Freunde gemacht.

Er sah uns vertraulich an, entkorkte seine Flasche, that einen tiefen Zug,
schnalzte vergnügt mit der Zunge und sprach nachdrücklich: hier streicht die Luft,
wir sind hier sicher vor der weißen Frau (der Pest).

Ist es das erste Mal, daß Du sie in der Nähe siehst, Arambassa?


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Einsicht habe. Sie will einmal populär sein, in der Politik wird ihr das durch
ihre torystische Richtung unmöglich, also frischweg in die socialen Fragen. Wird
darin auch uicht viel practischer Verstand aufgeboten, so kann doch das gute Herz
sich geltend mache». So ungefähr kam es bei dem Antrag heraus, eine Com¬
mission niederzusetzen, die sich mit der Lage der armen öde'rschlesischeu und wcst-
Phälischen Spinner und Weber, nud den' Mitteln, ihrer Noth abzuhelfen, beschäf¬
tigen sollte. Ein Ostpreuße, der an Gemüth nicht uachstehn wollte, fügte noch
die arme» masurischen Bauern hinzu. Vergebens machte der Minister darauf auf¬
merksam, daß ähnliche Anträge zu laufenden kommen würden, daß und einer
Untersuchung in'ö Blaue hinein, ohne bestimmte Vorlagen und Anträge, Nichts
gethan sei, wie ein ähnlicher Ausschuß der Nationalversammlung bewiesen habe,
der nach viermonatlicher angestrengten Arbeiten zu dem Resultat kam, er könne
das Material nicht übersehen ! Schadet nichts! erwidert der Antragsteller, wenn auch
nichts dabei herauskömmt, das Laud sieht doch, daß wir uns mit seinen
Interessen beschäftigen. — Auf diese Weise wird freilich die Lösung der
socialen Frage zu einem noch viel bequemeren Geschäft, als die politische Reform,
und die Kammer ist in der Lage, spielend das Vaterland zu verwalten.




Bilder von der Armee des Borns.



IV.
Der H a i d it et.

An einem heißen Nachmittag hatten wir uns aus der ungesunden Atmosphäre
Von Titel herausgeschlichen und im Schatten eines Gebüsches gelagert. Nicht gerade
mit gutem militärischem Gewissen, denn solche Spaziergänge waren wegen der Nähe
der Magyaren streng verboten, aber sehr erfreut den frische» Zug der Luft einzu-
athmen,'welcher über die Theißebeue strich, und auf eine Stunde den Typhus und
die Lagerpest zu vergessen. Corpora! Jovan hatte unsern Führer gemacht und eine
große Flasche von schwarzem Serbenwein mit uns ans dem Lager geschmuggelt.

Wir lagen ans dem Grase, Jovan machte den Kammerdiener und sein gut-
wüthiges Gesicht lachte behaglich als er sich aus einen Baumstamm setzte, den Ka¬
rabiner zwischen die Beine, den Griff des Handzar's vorsichtig in deu Bereich seiner
Auge» rückend. Er war ein alter Soldat, in alle Geheimnisse des kleinen Grenz¬
krieges eingeweiht, hatte den serbischen Revolutivnskrieg gegen die Türken miega-
"weht, hatte den schwarzen Georg noch gekannt, bevor dieser Fürst wurde, und
an der Seite des Milosch Obreuvwitsch gefochten. Schon vor vielen Jahren war
er als Diener eines serbischen Woiwoden in Oestreich gewesen und hatte von daher
ein schönes Wohlwollen für die Schwaben bewahrt. Unter seinen Landsleuten
war er berühmt als einer, der die Geheimnisse schwäbischer Bildung vollständig
ergründet habe, dieser Ruhm hatte ihn zu unserem Freunde gemacht.

Er sah uns vertraulich an, entkorkte seine Flasche, that einen tiefen Zug,
schnalzte vergnügt mit der Zunge und sprach nachdrücklich: hier streicht die Luft,
wir sind hier sicher vor der weißen Frau (der Pest).

Ist es das erste Mal, daß Du sie in der Nähe siehst, Arambassa?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/475>, abgerufen am 05.02.2025.