Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.heimniß und das Unwesentlichste Lebensfrage ist, denen Kriecherei und Nachbeten Eine andere Gattung aber, die der herzlosen Bureaukraten, verdient unsere Obwohl uun das östreichische Ministerium selbst die besten Absichten anch in Ob aber eine Besserung dieses großen Leidens, an welchem Oestreich krankt, heimniß und das Unwesentlichste Lebensfrage ist, denen Kriecherei und Nachbeten Eine andere Gattung aber, die der herzlosen Bureaukraten, verdient unsere Obwohl uun das östreichische Ministerium selbst die besten Absichten anch in Ob aber eine Besserung dieses großen Leidens, an welchem Oestreich krankt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279072"/> <p xml:id="ID_120" prev="#ID_119"> heimniß und das Unwesentlichste Lebensfrage ist, denen Kriecherei und Nachbeten<lb/> zur zweiten Natur geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_121"> Eine andere Gattung aber, die der herzlosen Bureaukraten, verdient unsere<lb/> tiefste Verachtung; diese durchblicken die Lächerlichkeit des Formularismus, aber<lb/> als Mittel zu ihren Zwecken ist sie ihnen willkommen und sie hängen an ihr, um<lb/> ihre Untergebene«, Kollegen oder auch Vorgesetzten damit zu quäle» oder ihre Ge-<lb/> setzkenutniß zu zeigen: oft anch, um sich damit Manches zu erlaube», was dem<lb/> Andern verbotene Frucht erscheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_122"> Obwohl uun das östreichische Ministerium selbst die besten Absichten anch in<lb/> dieser Hinsicht hegt und dessen Programm in kräftiger Weise alle Mißbräuche ta¬<lb/> delte, so tritt anderseits doch wieder die Reaction zu stark hervor, als daß man<lb/> bald oder überhaupt eine Radikalen hoffen könnte. Jeder Vernünftige und jeder<lb/> frei denkende Beamte selbst aber sieht ein, daß Recht und Wahrheit, Licht und<lb/> Freiheit — soll der Zweck des Beamtenstands halbwegs erreicht werden — auch<lb/> in die abgelegenste Kauzleistnbe dringen oder geführt werden muß. Alle Kriecherei<lb/> nach Oben und alle Anmaßung nach Unten, alle Wichtigkeitskrämerei, alle gehei¬<lb/> men Weisungen, die zahllose unnöthige Schreiberei, alle Anzeigen und Reibungen<lb/> müssen verbannt werden; aber hohe Zeit ist es auch, daß dies geschieht und unser<lb/> Kanzleileben eine neue Gestalt bekömmt, ein Kanzleileben, wo der Mensch auf¬<lb/> hören und der Beamte einfangen soll, wo es fast nothwendig erscheint, daß man<lb/> Herz und Kopf verlängern, nach den Buchstaben, nicht nach dem Geiste des Ge¬<lb/> setzes handeln soll, wo der Untere alle Handlungen des Obern von „Amtswegen"<lb/> als wahr und recht, als zweckmäßig und vernünftig erkennen muß, sich aber gegen<lb/> Berichte in seinem Rücken nicht schützen kann, wo jeder Sinn für Nichtamtliches,<lb/> für Natur oder Kunst oder Wissenschaft, als verbotene Frucht bezeichnet ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_123"> Ob aber eine Besserung dieses großen Leidens, an welchem Oestreich krankt,<lb/> bald zu erwarten ist? Der aufgeklärte Theil der Beamtenwelt selbst sieht der Re¬<lb/> generation seines Standes mit schmerzlicher Sehnsucht entgegen. Der Militär-<lb/> beamte jammert beim Ziffer- der Justizbeamte beim Formenwesen, der Politiker<lb/> klagt über Willkür und endlose zweckwidrige Schreiberei. Ob unsere Klagen Er¬<lb/> hörung finden werde», steht auf der noch unanfgcschlagencn Seite im Buche der<lb/><note type="byline"> ^ ^> .</note> Geschichte. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
heimniß und das Unwesentlichste Lebensfrage ist, denen Kriecherei und Nachbeten
zur zweiten Natur geworden.
Eine andere Gattung aber, die der herzlosen Bureaukraten, verdient unsere
tiefste Verachtung; diese durchblicken die Lächerlichkeit des Formularismus, aber
als Mittel zu ihren Zwecken ist sie ihnen willkommen und sie hängen an ihr, um
ihre Untergebene«, Kollegen oder auch Vorgesetzten damit zu quäle» oder ihre Ge-
setzkenutniß zu zeigen: oft anch, um sich damit Manches zu erlaube», was dem
Andern verbotene Frucht erscheint.
Obwohl uun das östreichische Ministerium selbst die besten Absichten anch in
dieser Hinsicht hegt und dessen Programm in kräftiger Weise alle Mißbräuche ta¬
delte, so tritt anderseits doch wieder die Reaction zu stark hervor, als daß man
bald oder überhaupt eine Radikalen hoffen könnte. Jeder Vernünftige und jeder
frei denkende Beamte selbst aber sieht ein, daß Recht und Wahrheit, Licht und
Freiheit — soll der Zweck des Beamtenstands halbwegs erreicht werden — auch
in die abgelegenste Kauzleistnbe dringen oder geführt werden muß. Alle Kriecherei
nach Oben und alle Anmaßung nach Unten, alle Wichtigkeitskrämerei, alle gehei¬
men Weisungen, die zahllose unnöthige Schreiberei, alle Anzeigen und Reibungen
müssen verbannt werden; aber hohe Zeit ist es auch, daß dies geschieht und unser
Kanzleileben eine neue Gestalt bekömmt, ein Kanzleileben, wo der Mensch auf¬
hören und der Beamte einfangen soll, wo es fast nothwendig erscheint, daß man
Herz und Kopf verlängern, nach den Buchstaben, nicht nach dem Geiste des Ge¬
setzes handeln soll, wo der Untere alle Handlungen des Obern von „Amtswegen"
als wahr und recht, als zweckmäßig und vernünftig erkennen muß, sich aber gegen
Berichte in seinem Rücken nicht schützen kann, wo jeder Sinn für Nichtamtliches,
für Natur oder Kunst oder Wissenschaft, als verbotene Frucht bezeichnet ist.
Ob aber eine Besserung dieses großen Leidens, an welchem Oestreich krankt,
bald zu erwarten ist? Der aufgeklärte Theil der Beamtenwelt selbst sieht der Re¬
generation seines Standes mit schmerzlicher Sehnsucht entgegen. Der Militär-
beamte jammert beim Ziffer- der Justizbeamte beim Formenwesen, der Politiker
klagt über Willkür und endlose zweckwidrige Schreiberei. Ob unsere Klagen Er¬
hörung finden werde», steht auf der noch unanfgcschlagencn Seite im Buche der
^ ^> . Geschichte.
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