Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.irrten, nicht alle Vorrechte des Adels, oder eigentlich des Nittergutsbesitzes, wur¬ Ehe das Jahr 1848 eine so heillose Verwirrung in alle Rangverhältnisse ge¬ Ja wohl! dazu ist er nicht reif! -- doch, daß er es nicht ist, daß er an Grenzboten. in. 184g. 58
irrten, nicht alle Vorrechte des Adels, oder eigentlich des Nittergutsbesitzes, wur¬ Ehe das Jahr 1848 eine so heillose Verwirrung in alle Rangverhältnisse ge¬ Ja wohl! dazu ist er nicht reif! — doch, daß er es nicht ist, daß er an Grenzboten. in. 184g. 58
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279483"/> <p xml:id="ID_1541" prev="#ID_1540"> irrten, nicht alle Vorrechte des Adels, oder eigentlich des Nittergutsbesitzes, wur¬<lb/> den vernichtet, es blieb ungekränkt das Vorrecht größeren Reichthums, der er-<lb/> mulhigeren Form, der humanistischen Bildung, der gründlicheren landwirtschaft¬<lb/> lichen Kenntnisse, das Vorrecht des Vertrauens, welches Wohlhabenheit gepaart<lb/> mit ächter Humanität sich fast immer erwirbt. Wenn Sie also diese Vorrechte<lb/> nicht etwa früher schon verscherzten, dann wohl Ihnen! Jene famosen Artikel<lb/> konnten Ihnen wenig rauben, nud Bauer und Bürger werden Ihnen den Vor¬<lb/> rang nicht streitig machen, den sie selbst in Anspruch zu nehmen weder Geschick<lb/> noch Neigung haben!</p><lb/> <p xml:id="ID_1542"> Ehe das Jahr 1848 eine so heillose Verwirrung in alle Rangverhältnisse ge¬<lb/> bracht hatte, da war es freilich anders. Sprach man von dein Betriebe der<lb/> Landwirthschaft, von den „immensen Fortschritten, welche sie, durch Thaer und<lb/> Andere zur Wissenschaft erhoben, gemacht habe, von der Nothwendigkeit ihr<lb/> Lehrstühle zu erbauen, u. s. w." so meinte mau eigentlich immer nur eine<lb/> gewisse Art des landwirthschaftlichen Betriebes, nämlich die Großwirthschaft, die<lb/> Bewirthschaftung der Rittergüter und Herrschaften, deren Schlesien von allen<lb/> Graden der Freiheit besitzt, nicht aber die Bauern, um deren Wirthschaft man<lb/> steh eigentlich wenig bekümmerte, obschon sie in Schlesien die Hälfte alles artbaren<lb/> Landes bebaue». Zwar hatten die letzten Provinziallandtage von der „Kräftigung<lb/> des Bauernstandes" gesprochen, man suchte aber diese Kräftigung nicht etwa in<lb/> einem besseren landwirthschaftlichen Unterricht, oder in der Verbesserung der Dorf¬<lb/> schulen, oder in der Ausdehnung des landwirtschaftlichen Kredits auf den bäuer¬<lb/> lichen Grundbesitz, sondern in veränderten Crbfolgegesetzen — eine väterliche Für¬<lb/> sorge des Nitln'Standes, die aus einem der letzten Provinziallandtage einen bäuer¬<lb/> lichen Abgeordneten zu der nicht üblen Bemerkung Veranlassung gab, warum denn<lb/> der Ritterstand, wenn das vorgeschlagne Erbfolgegesetz so gar vortrefflich und con-<lb/> servativ sei, es nicht für sich selbst annehme!" — Man begnügte sich, landwirth-<lb/> schciftliche Schaufeste zu veranstalten, ja sogar Banernrennen, und bewilligte Prä¬<lb/> mien für diese nud jene lobenswerthe Leistung. Kurz, man verleugnete nicht<lb/> eben deu Bauernstand, aber freilich — ihn emancipiren, das konnte, das wollte<lb/> Man nicht, dazu ist er noch nicht reif! —</p><lb/> <p xml:id="ID_1543" next="#ID_1544"> Ja wohl! dazu ist er nicht reif! — doch, daß er es nicht ist, daß er an<lb/> gewerblichen Kenntnissen, an Einsicht in das öffentliche Leben, in den meisten<lb/> theilen der Provinz sogar weit hinter seinen, wahrlich auch nicht sehr vorge¬<lb/> schrittenen, ritterlichen Gewerbsgenossen zurücksteht, daß er noch gar uicht einmal<lb/> ^greifen gelernt hat, was er zu seinem Emporkommen selbst thun könne, daß<lb/> einige schlechte Erndten ihm dem Hungertode in seiner scheußlichsten Gestalt Preis<lb/> geben konnten, daß eine pflichtgetreue, aber ohnmächtige Verwaltung, der man so<lb/> gern vorwirft, daß sie sich um Alles kümmere, die Auflösung aller socialen Ver-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. in. 184g. 58</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0457]
irrten, nicht alle Vorrechte des Adels, oder eigentlich des Nittergutsbesitzes, wur¬
den vernichtet, es blieb ungekränkt das Vorrecht größeren Reichthums, der er-
mulhigeren Form, der humanistischen Bildung, der gründlicheren landwirtschaft¬
lichen Kenntnisse, das Vorrecht des Vertrauens, welches Wohlhabenheit gepaart
mit ächter Humanität sich fast immer erwirbt. Wenn Sie also diese Vorrechte
nicht etwa früher schon verscherzten, dann wohl Ihnen! Jene famosen Artikel
konnten Ihnen wenig rauben, nud Bauer und Bürger werden Ihnen den Vor¬
rang nicht streitig machen, den sie selbst in Anspruch zu nehmen weder Geschick
noch Neigung haben!
Ehe das Jahr 1848 eine so heillose Verwirrung in alle Rangverhältnisse ge¬
bracht hatte, da war es freilich anders. Sprach man von dein Betriebe der
Landwirthschaft, von den „immensen Fortschritten, welche sie, durch Thaer und
Andere zur Wissenschaft erhoben, gemacht habe, von der Nothwendigkeit ihr
Lehrstühle zu erbauen, u. s. w." so meinte mau eigentlich immer nur eine
gewisse Art des landwirthschaftlichen Betriebes, nämlich die Großwirthschaft, die
Bewirthschaftung der Rittergüter und Herrschaften, deren Schlesien von allen
Graden der Freiheit besitzt, nicht aber die Bauern, um deren Wirthschaft man
steh eigentlich wenig bekümmerte, obschon sie in Schlesien die Hälfte alles artbaren
Landes bebaue». Zwar hatten die letzten Provinziallandtage von der „Kräftigung
des Bauernstandes" gesprochen, man suchte aber diese Kräftigung nicht etwa in
einem besseren landwirthschaftlichen Unterricht, oder in der Verbesserung der Dorf¬
schulen, oder in der Ausdehnung des landwirtschaftlichen Kredits auf den bäuer¬
lichen Grundbesitz, sondern in veränderten Crbfolgegesetzen — eine väterliche Für¬
sorge des Nitln'Standes, die aus einem der letzten Provinziallandtage einen bäuer¬
lichen Abgeordneten zu der nicht üblen Bemerkung Veranlassung gab, warum denn
der Ritterstand, wenn das vorgeschlagne Erbfolgegesetz so gar vortrefflich und con-
servativ sei, es nicht für sich selbst annehme!" — Man begnügte sich, landwirth-
schciftliche Schaufeste zu veranstalten, ja sogar Banernrennen, und bewilligte Prä¬
mien für diese nud jene lobenswerthe Leistung. Kurz, man verleugnete nicht
eben deu Bauernstand, aber freilich — ihn emancipiren, das konnte, das wollte
Man nicht, dazu ist er noch nicht reif! —
Ja wohl! dazu ist er nicht reif! — doch, daß er es nicht ist, daß er an
gewerblichen Kenntnissen, an Einsicht in das öffentliche Leben, in den meisten
theilen der Provinz sogar weit hinter seinen, wahrlich auch nicht sehr vorge¬
schrittenen, ritterlichen Gewerbsgenossen zurücksteht, daß er noch gar uicht einmal
^greifen gelernt hat, was er zu seinem Emporkommen selbst thun könne, daß
einige schlechte Erndten ihm dem Hungertode in seiner scheußlichsten Gestalt Preis
geben konnten, daß eine pflichtgetreue, aber ohnmächtige Verwaltung, der man so
gern vorwirft, daß sie sich um Alles kümmere, die Auflösung aller socialen Ver-
Grenzboten. in. 184g. 58
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